Wie Unternehmen aus Osteuropa Österreichs Wirtschaft aufmischen

FILE PHOTO: Order processing at the storage area of Czech online grocer Rohlik Group in Prague
Fitness, Food, Elektronik: Junge, wachstumsstarke Firmen aus der Slowakei, Tschechien, Ungarn und Slowenien setzen auf West-Expansion.

An der Wiener Nobeladresse Kärntner Ring 1, gleich neben der Oper, zieht ein neuer Mieter ein. Nein, es ist keine internationale Luxusmarke, sondern ein kleiner, weitgehend unbekannter Online-Händler aus der slowakischen Stadt Košice, der dieser Tage sein Hauptquartier in der Wiener City eröffnete.

Das auf Sporternährung und Fitness-Equipment spezialisierte eCommerce-Unternehmen GymBeam will von Wien aus den deutschsprachigen Markt aufbauen. 15 Mitarbeiter sollen am Anfang einziehen. „Die Errichtung des DACH-Headquarters in Wien ist ein entscheidender strategischer Schritt für unsere Expansion“, berichtet GymBeam-Gründer und CEO Dalibor Cicman dem KURIER (Interview siehe unten).

CEE drittgrößter Investor

GymBeam ist nur eines von zahlreichen Beispielen osteuropäischer Investments in den vergangenen Jahren. Längst hat sich die einstige Devise „Go East“ heimischer Unternehmen in ein „Go West“ von Unternehmen aus den südöstlichen Nachbarländern gedreht. Allein im Vorjahr stammten 64 von 309 Neuansiedlungen im Land aus Mittel- und Osteuropa, vor allem aus Ungarn, Slowakei, Tschechien und Slowenien. Insgesamt sind in Österreich 1.245 Firmen aus Ungarn aktiv, aus der Slowakei sind es 633 und aus Tschechien 538. Tendenz steigend.  

Damit ist die Region nach Deutschland und den USA der drittgrößte Investor hierzulande. Mit steigender Tendenz. Einige der Newcomer haben sich inzwischen zu relevanten Größen in ihrer Branche entwickelt. Allen voran im Online-Handel. 

Die tschechische Rohlik-Gruppe aus Prag wurde 2020 beim Start ihres Online-Supermarktes gurkerl.at für Wien und Umgebung noch belächelt. Heute mischt sie die Branche auf und zeigt Billa und Spar vor, wie Lebensmittelzustellung funktioniert. Rohlik baute ein riesiges Zentrallager in Wien-Liesing und beschäftigt mehr als 400 Mitarbeiter.

Der auf Parfümerieprodukte spezialisierte Online-Shop Notino mit Hauptsitz im tschechischen Brno ist schon seit 2019 in Österreich und hat inzwischen ein stationäres Geschäft im Donauzentrum. In Wien etabliert hat sich der tschechische Elektronik-Händler alza.at, der mit besonders rascher Zustellung der bestellten Ware in den eigenen Abholboxen (AlzaBoxen) punkten möchte.

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Speicher-Innovator aus Slowenien

Als Innovator von sich reden macht NGEN Austria. Das slowenische Unternehmen betreibt die beiden derzeit größten Batteriespeicheranlagen in Österreich. Auf Logistikparks spezialisiert ist die polnische MLP, die einen großen Businesspark in Wien-Donaustadt errichtete. In der Regel errichten die Firmen Vertriebsniederlassungen oder weiten ihre Dienstleistungen aus, es werden aber auch Produktionen aufgezogen.

Die tschechische Firma Flexibau eröffnete heuer ein Dämmplatten-Werk in Kühnsdorf/Kärnten. Das Unternehmen ist auf die Herstellung von PackWall-Platten, Originalplatten aus Getränkekartons, spezialisiert. „Firmen aus Mittel- und Osteuropa werden wettbewerbsfähiger und starten nach erfolgreicher Internationalisierung in anderen Ländern der Region zunehmend ihre Expansion in Richtung Westen. Österreich dient ihnen vielfach als Hub für den DACH-Raum und ist oft der erste Expansionsschritt“, erläutert Birgit Reiter-Braunwieser, Direktorin CEE bei Invest in Austria der Ansiedelungsagentur ABA.

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Lager der Rohlik-Gruppe in Prag

Kulturelle Nähe als Standortfaktor

Die geografische Nähe Wiens sei dabei definitiv ein Vorteil, wie auch GymBeam-Chef Cicman bestätigt. Für den Standort Österreich spreche aber auch die kulturelle Nähe sowie im Gegensatz zu anderen Städten vorhandene Ostsprachen-Kenntnisse.

Es seien in Wien durchaus Mitarbeiter zu finden, die die Sprache des Headquarters sprechen, sagt Reiter-Braunwieser. Die Lohnkosten seien in Österreich zwar höher, dafür punkte das Land mit einem kaufkräftigen Markt sowie „soften“ Faktoren wie Sicherheit, Stabilität und Planbarkeit, heißt es bei der ABA. Österreich werde auch gerne als Testmarkt für den Einstieg in den DACH-Raum gesehen. Der österreichische Markt sei überschaubarer als der große, stark fragmentierte deutsche. Die ABA akquiriert proaktiv innovative, wachsende Unternehmen aus der Region CEE.

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