„Ein unabhängiger Experte hat festgestellt, dass das Sanierungskonzept von Condor tauglich ist, dass die Chancen einer erfolgreichen Sanierung möglich sind, und dass der Rückzahlung des Überbrückungskredits nichts im Weg steht“, sagt Gerhard Weinhofer vom Wirtschaftsinformationsdienstleister Creditreform, dem Marktführer in Deutschland. „Condor war ja auch in den vergangenen Jahren profitabel.“ Damit war eine Grundvoraussetzung für den „Notkredit“ erfüllt, der vorerst für drei Monate gewährt wurde. „Die Gewährung dieser Überbrückungsfinanzierung ist aber primär eine politische Entscheidung“, sagt Weinhofer.
Doch wann ist die Entscheidung zur Rettung noch vertretbar und wann nicht? „Wenn etwas politisch gewünscht ist, ist es selten gesund“, sagt Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband 1870. Der Leitspruch „Too big to fail“ sei ein gefährliches Konzept, weil teuer und schlecht. „Man verabreicht ein Schmerzmittel, das im Moment hilft, aber dann geht das Unternehmen erst recht pleite.“ Wobei er ein gewisses Verständnis für das Handeln der Politik zeigt: „Man möchte ja wiedergewählt werden.“ Dies gelte besonders für strukturschwache Regionen, wo Jobs rar sind.
Es gibt aber auch Gegenbeispiele. Der frühere deutsche SPD-Kanzler Helmut Schmidt hatte 1982 auf Bitten um Hilfe für den Elektronikkonzern AEG geantwortet: „Wir sind nicht der Reparaturbetrieb des Kapitalismus.“ Es folgte die Insolvenz und später der Verkauf.
Katastrophen
Kantner hat auch Verständnis für die Rettung, wenn ein Betrieb unverschuldet zum Handkuss kommt, etwa bei Naturkatastrophen oder wenn Kunden ausfallen. „Wenn der Zulieferer gute Produkte hat, spricht nichts gegen eine Neuaufstellung.“
Neben dem Erhalt von Arbeitsplätzen kann der Faktor Stabilität für die Volkswirtschaft wichtig sein. Beispiel Bankenrettungen: Diese wurden im Zuge der Finanzkrise teilweise kritisiert. Doch kein Verantwortlicher wollte große Institute fallen lassen. Was passieren kann, zeigte die Pleite von Lehman Brothers. Diese löste weltweit Schockwellen auf den Finanzmärkten aus.
Wettbewerb
Ebenso ein berücksichtigenswerter Punkt ist der Wettbewerb. „Wenn ein Unternehmen verschwindet, können auch Überkapazitäten wegfallen und ein ruinöser Preiskampf endet“, sagt Kantner. Es kann aber auch damit enden, dass es dann zu wenig Marktteilnehmer gibt, die dann die Preise diktieren.
Die EU sieht aus Wettbewerbsgründen staatliche Finanzspritzen für marode Firmen nicht gerne, erlaubt sie aber in Ausnahmefällen. Allerdings werden diese Fälle eingehend überprüft, was in der Regel mehrere Wochen in Anspruch nimmt. Damit eine staatliche Finanzhilfe nicht gegen EU-Beihilferecht verstößt, muss es die Aussicht auf einen längeren Fortbestand des Unternehmens geben. Zumindest die Aussicht auf einen Investor sollte also schon vorhanden sein. Auch bei Condor gibt es schon Interessenten.
Bankenretter
Die Liste der staatlichen Rettungsaktionen ist lang – und bei weitem nicht immer von Erfolg gekrönt. In Österreich geht die Notverstaatlichung der Skandalbank Hypo Alpe Adria wohl in die Geschichte ein. Hauptgrund für die bis heute umstrittene Rettungsaktion war die Sorge vor einem Dominoeffekt in der Finanzwelt wegen des starken Südosteuropa-Engagements der Hypo. Insgesamt kostete die gesamte Bankenrettungsaktion nach der Finanzkrise 2008 dem Steuerzahler 10 bis 11 Mrd. Euro.
Im Rechtsstreit endeten die Staatshilfen vor der Großpleite der Baugesellschaft Alpine. Der Baukonzern bekam in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt 360 Mio. Euro Kredit von Banken, für die Hälfte davon sollte der Bund geradestehen. Nach der Alpine-Pleite klagten die Banken 2014 den Bund und der Bund im Gegenzug die Banken. Es waren Garantien des Bundes in Höhe von 151 Millionen Euro offen. Die Republik Österreich brachte damals vor, von den Banken über die Lage der Alpine falsch informiert worden zu sein, diese bestritten das vehement. Sie fühlten sich vom Alpine-Management getäuscht. Ob sich die beiden Streitparteien später doch noch geeinigt haben, ist nicht bekannt.
Air Berlin
In Deutschland erhielt 2017 die Air Berlin einen Staatskredit von 150 Mio. Euro, um die Investorensuche zu erleichtern. Genutzt hat es wenig, das Unternehmen wurde zerschlagen und die Flugzeuge großteils verkauft. Der Kredit wurde heuer pünktlich zurückgezahlt, nur die Darlehenszinsen stehen noch aus. Ein positives Beispiel für einen Staatseingriff war 2008 der Einstieg der Stadt Hamburg bei der Reederei Hapag Lloyd. Hamburg verhinderte mit einer Minderheitsbeteiligung zuvor bereits die Zerschlagung des Nivea-Konzerns Beiersdorf. Der 10-Prozent-Anteil wurde später mit Gewinn verkauft.
Als Paradebeispiel für eine Millionenflop mit Steuergelder gilt die misslungene Rettung des Baukonzerns Philipp Holzmann. 1999 wurde der Konzern mit 30.000 Beschäftigten mit Bundesbürgschaften vor der Pleite bewahrt. Es war jedoch nur ein kurzer Aufschub, 2002 ging Holzmann pleite. Ähnlich fragwürdig war eine 50 Mio. Euro schwere Bürgschaft von Bayern für den Versandhändler Quelle, die von der Riesenpleite des Handelskonzerns Arcandor betroffen war. Das Geld sicherte nur ein kurzfristiges Überleben, es ging jedoch um 8000 Jobs.
Autoretter
In den USA griff während der Autokrise 2009 der Staat massiv in die Wirtschaft ein. Nach der Pleite des damaligen Opel-Mutterkonzerns General Motors etwa beteiligten sich sowohl die USA als auch Kanada an dem Autobauer, um ihn restrukturieren zu können. Vier Jahre später wurden die Staatsanteile wieder privatisiert, unterm Strich blieb ein Verlust aus der Rettungsaktion.
Deutschland griff Opel mit Überbrückungskrediten unter die Arme, um das Unternehmen aus dem Sog der GM-Pleite zu befreien. Der jetzige Opel-Eigentümer, die französische PSA-Group, musste 2012 von staatlichen Garantien in Milliardenhöhe am Leben erhalten werden.
Eine Mitgift von Vater Staat erhielt auch der US-Autobauer Chrysler bei der Übernahme durch Fiat. Die USA und Kanada stiegen jeweils mit zehn Prozent ein und gewährten eine milliardenschwere Starthilfe. 2011 stiegen die beiden Staaten wieder mit Gewinn aus.
Fazit: Jeder Fall ist anders, es geht immer um die Kosten-Nutzen-Abwägung. Während Bankpleiten große Auswirkungen auch auf die Realwirtschaft haben können, ist dies bei einzelnen Unternehmen selten der Fall.
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