EU in Rohstoffkrise: Warum seltene Erden aus China zur "strategischen Waffe" werden

FILE PHOTO: Workers transport soil containing rare earth elements for export at a port in Lianyungang
EU und Österreich sind bei Rohstoffgewinnung und Weiterverarbeitung seltener Erden besonders abhängig von China. Eine Gefahr für die wirtschaftliche Zukunft.

Es geht um sogenannte Permanentmagnete, Spezialkeramiken oder bestimmte Legierungen und ihre Rolle bei Elektroautos, Windrädern oder bei Hightech-Anwendungen wie z. B. in der Robotik. Die Rede ist von zentralen Vor- und Zwischenprodukten für die Mobilitäts- und Energiewende, die nur mithilfe der seltenen Erden hergestellt werden können – und China.

Die Volksrepublik dominiert – global gesehen – sowohl die Rohstoffgewinnung bei seltenen Erden als auch die ebenso wichtige Weiterverarbeitung etwa zu besagten Permanentmagneten. Globale Lieferketten sind damit in wesentlichen Zukunftstechnologien von China abhängig und das Land setzt seine dominante Position mehr und mehr als „strategische Waffe“ ein, sagt Komplexitätsforscher Peter Klimek im Gespräch mit dem KURIER.

Eine aktuelle Studie von Klimek befasst sich nun näher mit dieser durchaus bedrohlichen Abhängigkeit von China. Ergebnis: Besonders gravierend ist die Abhängigkeit für Europa. 98 Prozent aller EU-Importe entlang der Wertschöpfungskette für die Magneten auf Basis seltener Erden stammen aus China.

Klimek: „Diese strukturelle Abhängigkeit birgt massive systemische Risiken: Bereits kleine Störungen in den mittleren Verarbeitungsstufen können ganze Produktionslinien lahmlegen. Ohne gezielte Investitionen in eigene Verarbeitungskapazitäten, strategische Partnerschaften und eine Diversifizierung der Bezugsquellen droht langfristig der Verlust technologischer Souveränität und der Verlust des Zugangs zu Zukunftsmärkten.“

Der Forscher, bekannt durch seine Analysen während der Corona-Pandemie, leitet ein vor zwei Jahren gegründetes Institut, das sich der Erforschung und Absicherung globaler Lieferketten widmet. Das „Supply Chain Intelligence Institute Austria“ (ASCII) ist ein Forschungs-Joint Venture, gegründet vom WIFO gemeinsam mit dem Complexity Science Hub, dem Logistikum der Fachhochschule Oberösterreich und dem Verein Netzwerk Logistik.

Risiko massiv gestiegen

Für die Studie wurden globale Handelsnetzwerke rund um 168 Produktgruppen mit Bezug zu seltenen Erden in 170 Ländern von 2007 bis 2023 analysiert. Dabei zeigte sich, dass sich die Risiken für Handelsengpässe bei seltenen Erden weltweit über die Jahre erheblich verschärft haben. Besonders betroffen sind die besagten kritischen Zwischenprodukte. Und: Österreich zählt gemeinsam mit der EU, den USA, Taiwan und Südkorea zu einer Gruppe fortschrittlicher Volkswirtschaften, die besonders anfällig für Lieferengpässe bei den kritischen Vorprodukten sind – speziell bei den Seltenerdmagneten, die für Österreichs Automobilzulieferbranche zentral sind.

Die Daten zeigen: Österreich importierte 2023 Permanentmagnete im Wert von 46,9 Millionen Euro – etwa die Hälfte davon (im Wert von 21,2 Millionen Euro) direkt aus China. Der Großteil der übrigen Importe stammt aber aus Ländern, die wiederum selbst stark von chinesischer Vorleistung abhängig sind.

Trotz Initiativen wie dem neuen EU-Rohstoffgesetz oder Investitionen in neue Abbauprojekte innerhalb Europas wird die strukturelle Abhängigkeit von China bis 2040 voraussichtlich bei mehr als 85 Prozent bestehen bleiben, sagt die Studie. Das bedeutet: Trotz vorhandener Rohstoffe drohen ohne eigene Verarbeitungskapazitäten Ausfälle entlang der Lieferketten.

„China kontrolliert damit Europas Zukunftstechnologien und wirtschaftliche Zukunft“, sagt Klimek. Und weiter: „Österreichs Unternehmen bekommen das bereits zu spüren. Die Waren werden knapper, die Preise haben massiv angezogen.“

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