Schweizer Notenbank erhöht überraschend Leitzins
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) stemmt sich gegen die anziehende Inflation und erhöht nach mehr als sieben Jahren geldpolitischem Beharrens überraschend die Zinsen. Der Leitzins und der Zins auf Sichteinlagen bei der Notenbank betragen ab dem 17. Juni nun minus 0,25 Prozent, wie die SNB am Donnerstag mitteilte. Seit Jänner 2015 betrugen die Sätze minus 0,75 Prozent. Weitere Zinserhöhungen sind nicht ausgeschlossen.
"Die straffere Geldpolitik soll verhindern, dass die Inflation in der Schweiz breiter auf Waren und Dienstleistungen übergreift", erklärten die Währungshüter. Es ist nicht auszuschließen, dass in absehbarer Zukunft weitere Zinserhöhungen nötig werden, um die Teuerung auf mittlere Frist im Bereich der Preisstabilität zu stabilisieren, teilte die Notenbank weiter mit. Um für angemessene monetäre Bedingungen zu sorgen, sei die SNB zudem bei Bedarf bereit, am Devisenmarkt einzugreifen.
Die Notenbank setzte zudem ein weiteres Zeichen für eine geldpolitische Straffung. Ab dem 1. Juli sind mehr Sichteinlagen vom Strafzins betroffen: Die SNB senkte den Freibetrag auf das 28-fache jener Summe, die die Banken bei der Zentralbank hinterlegen müssen. Bisher lag er beim 30-fachen.
Franken zog an
Der Franken zog im Anschluss an die geldpolitische Entscheidung kräftig an. Die Haupt-Exportwährung Euro kostete zuletzt 1,0240 Franken nachdem die Gemeinschaftswährung vor der Bekanntgabe noch für 1,0380 Franken zu haben war. Eine große Mehrheit der von Reuters im Vorfeld der vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung der SNB befragten Volkswirte hatte erwartet, dass die Notenbank einen ersten Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) abwarten werde und hatte unveränderte Zinsen prognostiziert.
Der Druck auf das dreiköpfige SNB-Direktorium, sich der steigenden Inflation in der Schweiz entgegenzustemmen und nach mehr als sieben Jahren Negativzinsen und geldpolitischem Beharren einen Kurswechsel vorzunehmen, hatte zuletzt zugenommen. Zwar ist die Teuerung mit 2,9 Prozent im Jahresabstand im Mai im Vergleich zu mehr als acht Prozent in den USA und der Euro-Zone weiterhin moderat. Die Verbraucherpreise stiegen damit allerdings so stark wie seit fast 14 Jahren nicht mehr - und sie ziehen seit einigen mehreren Monaten stärker an als von der Notenbank angepeilt, die zwischen null und zwei Prozent anstrebt.
Die SNB geht vorerst von einem erhöhten Teuerungsniveau aus. Sie rechnet im gesamten Jahr 2022 nun mit einer Inflation von 2,8 Prozent, nachdem im März noch 2,1 Prozent veranschlagt wurden. 2023 werden dann 1,9 (bisher: 0,9) Prozent erwartet und 2024 dann 1,6 (bisher: 0,9) Prozent.
BIP-Anstieg prognostiziert
An ihrer Wachstumsprognose hält die SNB fest und rechnet 2022 weiterhin mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um rund 2,5 Prozent. "Die günstige Prognose beruht unter anderem auf der Annahme, dass die Weltwirtschaft weiter wächst, und dass der Krieg in der Ukraine nicht weiter eskaliert", erklärte die Notenbank. Die Arbeitslosigkeit dürfte niedrig bleiben.
Die Lage der Schweizer Großbanken Credit Suisse und UBS schätzt die SNB dagegen als gut ein. Sie haben nach Einschätzung der Notenbank ihre Kapitalposition in den vergangenen zwölf Monate weiter verbessert. Dank der Kapitalpuffer seien sie gut gerüstet, um sich dem seit Ende 2021 schwierigeren Umfeld zu stellen und die aus dem Krieg in der Ukraine resultierenden Risiken zu bewältigen. Die direkten Auswirkungen des Krieges dürften angesichts des vergleichsweise geringen Engagements der beiden Institute in Russland und der Ukraine begrenzt sein.
Gleichzeitig warnt die SNB, dass die analysierten Stress-Szenarien ein beträchtliches Verlustpotenzial für die beiden Banken erkennen ließen. Die Notenbank verwies dabei auf eine möglicherweise langanhaltende Rezession im Euroraum als Folge des Krieges und einen Zinsschock.
Kommentare