Der Informatiker als Reisbauer in NÖ: "Ich war von der Idee überzeugt"

46-218085647
Gregor Neumeyer baut in Gerasdorf biologischen Reis an, der das Versprechen hat, arsenfrei zu sein. Gleich am Beginn gab es allerdings einen Rückschlag.

Reisanbau vermutet man eher in Asien als hierzulande. Doch der Klimawandel macht es möglich.

KURIER: Sie schrecken uns mit der Ankündigung, dass Ihr Reis arsenfrei ist. Wie kommt denn Arsen in den Reis?

Gregor Neumeyer: Das liegt am Anbauverfahren. 80 Prozent der Reisfelder werden geflutet. Das Arsen kommt aus der Bodenkruste. Die Reispflanze nimmt es auf und lagert es ab.

Und wenn man den Reis wäscht, ist es wieder weg?

Es wird weniger, geht aber nicht ganz weg. Natürlich ist ein Risotto nicht gesundheitsgefährdend, aber es gibt WHO-Empfehlungen, dass vor allem Kleinkinder nicht zu viele Reisprodukte konsumieren sollten.

Angeblich ist Gerasdorf der Nordpol des Reisanbaus.

Wir sind sehr nördlich, aber nicht ganz der Nordpol. Reis braucht warme Temperaturen. Bei uns war es in der Vergangenheit zu kalt dafür.

46-217903589

Der Klimawandel nützt Ihnen?

Ja, Reisanbau in Österreich ist ein „Kind des Klimawandels“. Reis braucht über 15 Grad – und das Zeitfenster dafür wird bei uns immer größer. Andererseits ist Reis auch ein Verursacher von Klimawandel. Nassfeld-Reisanbau ist nach der Fleischproduktion der zweitgrößte Methan-Emittent, weil geflutete Reisfelder Fäulnis und damit Methan erzeugen.

Warum werden Reisfelder geflutet?

Weil Reis wasserliebend ist und im Gegensatz zu Unkraut im Wasser wachsen kann. Also niedrigere Produktionskosten und höherer Ertrag. Wir müssen im Trockenreisanbau das Unkraut mit der Hand und mit speziellen Maschinen entfernen. Weil wir biologisch produzieren. Als ich 2016 begonnen habe, war mein Ziel, dass es nicht nur Liebhaberei, sondern wirtschaftlich nachhaltig ist. Daher habe ich auch andere Landwirte ins Boot geholt.

Was haben die dazu gesagt?

Anfangs hat man es eher ignoriert, doch nun spricht man darüber. Aber prinzipiell gab es schon Interesse. Angesichts des Klimawandels, der Weltmarktpreise und der hohen Auflagen suchen alle nach Alternativen, die wirtschaftlich interessant sind. Mittlerweile werden wir immer mehr.

Die Ernte ist im August, was passiert, wenn es doch kalt ist?

Reis verträgt kalte Temperaturen bei der Aussaat und bei der Blüte schlecht. Kalte Nächte wie im heurigen August bringen weniger Ertrag.

Ausgerechnet Ihre allererste Ernte war ganz schlecht. Was war das Problem?

Wir müssen Sorten finden, die so schnell wachsen, dass sie die heimische Wärmeperiode ausnutzen. Unsere Sorten im ersten Jahr sind nicht reif geworden. Das war schon ein Rückschlag.

Wollten Sie da nicht die Flinte ins Korn werfen?

Ich war so überzeugt, dass diese Idee funktionieren wird und wollte nicht aufgeben. In der Landwirtschaft lernt man von einem Jahr auf das andere. Wegen eines Missgeschicks gibt man noch nicht auf. Im zweiten Jahr hatten wir schon eine Super-Ernte.

Zum ausführlichen Gespräch mit Bio-Reisbauer Neumeyer

Wer hatte eigentlich die Idee?

Ich habe den landwirtschaftlichen Betrieb von meinen Eltern übernommen und wollte etwas produzieren, was ich direkt vermarkten kann. Spargel oder Erdbeeren? Aber da hätte ich viele Arbeitskräfte gebraucht und den Betrieb komplett anders aufbauen müssen. Dann war es quasi eine b’soffene Gschicht: Ich habe in einem Wiener Beisel einen oberösterreichischen Berufskollegen kennengelernt, und nach ein paar Bier meinte der: „Heast, an Reis muasst anbauen.“ Ich meinte: „Das geht net.“ Aber dann habe ich darüber recherchiert und gesagt: „Probier mas.“

Ihre Eltern hatten bis dato eine klassische Landwirtschaft.

Meine Eltern haben mich tatkräftig unterstützt, aber meine Mutter hinterfragt auch heute noch jeden Schritt. Auch mein Vater, der ein Elektrounternehmen hatte, war Nebenerwerbsbauer. Ich habe Informatik studiert. Dann war es aber doch spannend. Ich sehe den landwirtschaftlichen Betrieb eigentlich als Geschenk: In der Nähe von Wien Lebensmittel produzieren zu dürfen in der heutigen Zeit finde ich ganz toll, und das wollte ich nicht aufgeben.“ Da ist der Reis gerade richtig gekommen.

Sie sind bei der Uniqa angestellt, was sagt Ihr Arbeitgeber dazu?

Ich bin sehr dankbar, dass die Uniqa ein Arbeitgeber ist, der mir die Freiheit und die Flexibilität dafür gibt. Mein Hauptberuf ist die Arbeit für die Versicherung, dann kommt der Reisanbau. Aber wir sind ja ein Familienbetrieb, ich muss nicht jeden Tag am Traktor sitzen, meine Frau, meine Eltern und Mitarbeiter unterstützen mich. Und meinen Kindern wird hier auch nicht fad.

Bei der Uniqa entwickeln Sie Apps für Banken und Versicherungen – etwas komplett anderes. Eine andere Welt.

Eigentlich ist das ähnlich. Ich produziere gerne etwas, was den Menschen nutzt. Das macht mir Spaß. Ich mag in beiden Fällen die Freude der Konsumenten mit meinem Produkt. In der Landwirtschaft ist das Frustrationspotenzial allerdings weitaus größer, weil man Abhängigkeit hat, die man nicht beeinflussen kann – etwa zu niedrige Temperaturen. Umso schöner ist es, wenn es funktioniert.

Um wie viel teurer ist Ihr Reis?

Von uns wird es nie einen Ein-Euro-Reis im Supermarkt geben. Unser Reis kostet ungefähr das Doppelte, wie der teuerste Reis im Supermarkt. Wir haben niedrigere Erträge bei höherem Aufwand – aber es ist fürs Klima und für den Menschen besser.

Wo gibt es Ihren Reis zu kaufen?

Über kleine Händler, Bioläden, und wir machen sehr viel direkt übers Internet, haben außerdem Restaurants, mit denen wir zusammenarbeiten.

Welche Wünsche haben Sie an die Politik?

Ich würde mir Politik wünschen, die nicht nur in Legislaturperioden denkt. Da könnte sie von der Landwirtschaft lernen: Die denkt in längeren Zyklen und nachhaltig. Durch die neuen Technologien kann man umweltfreundlicher produzieren, braucht weniger Pflanzenschutz- und Düngemittel.

Was halten Sie vom Verbot gentechnisch veränderter Pflanzen?

Grundsätzlich ok, aber ich sehe auch die klimatischen Herausforderungen, wo wir – die Sorten betreffend – in immer schnelleren Zyklen agieren müssen. Ich würde eine wohlüberlegte Öffnung daher verstehen.

Warum bauen Sie auch anderes an, nicht nur Reis?

Da geht es um Risikoreduktion, und der Boden braucht Abwechslung durch Fruchtfolge.

46-217903617

Sie verarbeiten am Hof auch Reis, was ist Ihr Lieblingsprodukt?

Das Reisbier. Es ist ein richtiges Sommerbier – leicht und süffig. Wir machen auch Waffeln, Reismehl, Miso – Reis ist ein total spannendes, vielseitiges Getreide. Ich würde auch gerne arsenfreie Reismilch machen. Da bin ich bereits mit anderen Landwirten in Kontakt.

Bei Ihnen wird Reis frisch poliert. Was ist das Besondere daran?

Frisch polierter Reis hat ein eigenes Aroma, schmeckt voller und riecht nach Milchreis. In Asien steht die Reismühle zum Reispolieren oft an der Supermarktkasse. Wir teilen unser Wissen mittlerweile mit anderen Landwirten und interessierten Forschungseinrichtungen. Mittlerweile haben wir sogar Besuch aus Asien, die sich den Trockenreisanbau bei uns anschauen, weil sie selbst auch angehalten werden, nachhaltiger zu produzieren. Darüber freue ich mich!

46-217903538

Kommentare