Valneva-Chef zum US-Bann: "Impfstoff ist gut verträglich und safe"
„US-Behörden stoppen in Wien entwickelten Impfstoff“: Die Agentur-Nachricht schockte Ende August die Kunden und Aktionäre von Valneva. Der Aktienkurs des französisch-österreichischen Impfstoffherstellers brach um mehr als 20 Prozent ein.
Was war geschehen? Völlig überraschend entzog die US-Arzneimittelbehörde FDA vorübergehend die Zulassung für den Chikungunya-Impfstoff Ixchiq, dem wichtigsten Umsatzbringer. Als Begründung wurden Berichte über schwerwiegende Nebenwirkungen angeführt, darunter 21 Spitalseinweisungen und drei Todesfälle. Valneva musste daraufhin den Verkauf in den USA einstellen und seine Jahresprognosen nach unten korrigieren.
„Die Entscheidung hat uns sehr getroffen“, sagt Valneva-Vorstandschef Thomas Lingelbach im Gespräch mit dem KURIER. „Wir haben sofort eine umfassende Antwort an die FDA übermittelt, aber warten derzeit noch auf eine Rückmeldung“. Es sei nicht klar, was die USA zu dieser Entscheidung bewogen habe, zumal die berichteten Symptome den Warnhinweisen entsprachen. Die EU, Großbritannien und Kanada, wo der Impfstoff ebenfalls seit 2024 zugelassen ist, folgten dem Beispiel nicht.
Chikungunya
Das Chikungunyafieber ist eine tropische Infektionskrankheit, die durch Stechmücken übertragen wird. Die Erkrankung ist insbesondere im östlichen und südlichen Afrika, auf dem indischen Subkontinent sowie in Südostasien verbreitet. Auch in Europa gibt es bereits Erkrankungen.
Impfstoffe
Gegen Chikungunya sind derzeit zwei Impfstoffe zugelassen, der Totimpfstoff Vimkunya von Bavarian Nordic und der Lebendimpfstoff Ixchiq von Valneva.
Ixchiq wurde 2024 in Europa, USA, GB und Kanada zugelassen, weitere Zulassungen sollen 2026 folgen. In Österreich und Deutschland wird Ixchiq für Personen zwischen zwölf und 59 Jahren empfohlen.
Impfung während eines Chikungunya-Ausbruchs
Die von der FDA angeführten Nebenwirkungsfälle stammen von einer Chikungunya-Epidemie auf den Inseln La Réunion und Mayotte im Frühjahr 2025. Dort seien viele Menschen an der Infektionskrankheit gestorben, weshalb die französische Regierung eine Impfkampagne startete und 40.000 Impfdosen bei Valneva bestellte.
Valneva-CEO Thomas Lingelbach
Geimpft wurden vor allem Ältere und vulnerable Gruppen, in denen vermehrt Begleiterkrankungen auftreten, was zu Komplikationen geführt habe. „Die Nebenwirkungsrate war zwar sehr gering, aber der Schweregrad war signifikant“, sagt Lingelbach. Bei den erwähnten Todesfällen sei bei zwei relativ schnell klar gewesen, dass sie nicht mit der Impfung in Verbindung standen, beim dritten konnte die Ursache nicht nachgewiesen werden.
Impfstoff-Entwickler
Valneva entstand 2013 aus der Fusion des Wiener Biotech-Unternehmens Intercell mit der französischen Vivalis und ist einer der wenigen noch verbliebenen Mittelständler in der globalen Impfstoffentwicklung. Der Fokus liegt auf prophylaktische Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten wie Japanische Enzephalitis, Borreliose oder Chikungunya. Von den 720 Mitarbeiter sind ca. 330 in Wien beschäftigt.
Umsatzwarnung
Im Halbjahr schrieb Valneva einen Verlust von 20 Millionen Euro, der Umsatz betrug 97 Millionen Euro. Anfang Oktober mussten die Umsatzprognose für das Gesamtjahr nach unten korrigiert werden.
Risiken und Nebenwirkungen
„Bei Lebendimpfstoffen ist es wichtig, dass das Immunsystem nicht durch andere Erkrankungen oder immunsuppressive Behandlungen geschwächt ist, sonst besteht die Gefahr, dass durch den Lebendimpfstoff selbst ein ähnliches Symptombild hervorgerufen wird“, erläutert der Valneva-Chef. Wegen der Schwere der Nebenwirkung wurde die Impfung an Ältere in den betroffenen Gebieten ausgesetzt, eine generelle Beschränkung für Ältere gab es jedoch von keiner Zulassungsbehörde, da der Nutzen die Risiken überwiege.
Begleitmedikation beachten
Der Impfstoff sei primär als Reiseimpfstoff gedacht. „Wenn den Impfstoff nur jene erhalten, die ihn bekommen sollten und man bei der Begleitmedikation aufpasst, so ist er gut verträglich und safe“, betont Lingelbach. Die tropische Infektionskrankheit sei auf dem Vormarsch, in Europa gab es heuer erstmals nicht eingeschleppte Fälle, allein in Frankreich 700. Lingelbach hofft, dass sich die Situation in den USA, die derzeit auch wegen des Shutdowns in den USA eingefroren ist, bald bereinigen und der Stopp aufgehoben werde.
Wegen der Politik Trumps ist der US-Pharmamarkt für europäische Pharmahersteller schwierig. Markt-Beobachter sprechen von einem „Präzedenzfall“ gegenüber einem europäischen Anbieter.
Borreliose-Impfung als möglicher „Blockbuster“
Nach dem Rückschlag bei Chikungunya setzt Valneva alle Hoffnung auf den ebenfalls in Wien entwickelten Impfstoffkandidaten gegen die von Zecken übertragene Lyme-Borreliose, der gerade fortgeschrittene klinische Studien durchläuft. Der Tot-Impfstoff, der alle paar Jahre aufgefrischt werden muss, hat ein Umsatzpotenzial von mehr als einer Milliarde Euro. „Borreliose ist ein möglicher Blockbuster für uns“, bestätigt Lingelbach.
Labor von Valneva in Wien
Valneva kooperiert als Impfstoffentwickler mit Pfizer als Vertriebspartner. Laufen die finalen Studien wie geplant, soll Mitte 2026 die Zulassung in den USA und Europa beantragt werden, sodass ab Herbst 2027 die ersten Impfungen verabreicht werden könnten. Von einer Zulassung hängt viel ab. Falls es nicht dazu kommt, müsste Valneva wohl umstrukturiert und redimensioniert werden.
Wie riskant das Impfstoffgeschäft ist, zeigt der Misserfolg beim Covid-Impfstoff. „Unser Covid-Impfstoff war zwar entwicklungstechnisch und regulatorisch ein Erfolg, aber leider zu spät am Markt“, so Lingelbach. Die Produktion wurde eingestellt, für Valneva sei das Ganze ein „Nullsummenspiel“ gewesen.
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