Verhasster US-Unternehmer Shkreli steht vor Gericht
Obwohl er ein lebensrettendes Medikament um das 55-Fache verteuert hatte, gewinnt er derzeit viele Fans.
04.02.16, 10:11
Der derzeit wohl unbeliebteste Unternehmer
Amerikas gibt sich trotz drohender Haftstrafe cool.
Martin Shkreli, mittlerweile bekannt als "Pharma-Bad-Boy", hatte durch die drastische Preiserhöhung bei einem lebensrettenden Medikament traurige Berühmtheit erlangt. Darum geht es bei dem Gerichtsprozess in New York aber gar nicht.
Martin Shkreli, chief executive officer of Turing Pharmaceuticals and KaloBios Pharmaceuticals Inc, departs U.S. Federal Court after an arraignment following his being charged in a federal indictment filed in Brooklyn relating to his management of hedge fund MSMB Capital Management and biopharmaceutical company Retrophin Inc. in New York December 17, 2015. REUTERS/Lucas Jackson
Laut Ermittlungsbehörden soll
Shkreli Millionen abgezweigt haben, um Verluste bei seinen Hedgefonds auszugleichen. "
Shkreli hat mehrere Komplotte betrieben, mit denen er Investoren in ein Netz aus Lügen und Betrug eingewoben hat", sagte Staatsanwalt
Robert Capers. Den Volkszorn hat
Shkreli aber durch andere Aktivitäten auf sich gezogen: Seine Firma Turing Pharmaceuticals kaufte das Entzündungsmedikament Daraprim - das unter anderem Aids-Patienten helfen soll - und setzte den Preis im September schlagartig von 13,5 auf 750 Dollar (686 Euro) pro Pille hinauf(der KURIER berichtete).
BBC: "Meistgehasster Mann Amerikas"
Diese Geschäftspraxis ist in der Pharmabranche zwar weder neu noch unüblich, doch das Ausmaß der Anhebung (um das 55-Fache) sorgte für einen Sturm der Empörung. Shkreli gilt seither als die Personifizierung des Raubtierkapitalismus. Die BBC bezeichnet ihn als den "meistgehassten Mann Amerikas", die Washington Post als "Staatsfeind Nummer 1". Ex-Außenministerin Hillary Clinton, die gern bald US-Präsidentin werden würde, drohte ihm im Wahlkampf sogar persönlich: "Wenn Sie amerikanische Familien auspressen und die Kosten ohne Grund in die Höhe treiben, werde ich Sie zur Verantwortung ziehen."
Schlammschlacht mit Rapper
Shkreli trägt selbst einiges zur Pflege seines Skandal-Images bei. Er griff den RapperGhostface Killahvom
Wu-Tang Clan in einem skurrilen Video an. Der Musiker hatteShkreli als "Scheißkerl" bezeichnet. Zuvor hatte dieser für rund 2 Millionen Dollar ein Album der Hip-Hop-Gruppe ersteigert, von dem es nur ein Exemplar gibt. Nachdem
ShkreliGhostface gedroht hatte, seine Rap-Parts zu löschen, legte er kurz vor dem Gerichtstermin in einem Radio-Interview nach: "Wenn er jetzt hier wäre, würde ich ihm verdammt noch mal ins Gesicht schlagen." Später schob
Shkreli noch hinterher: "Ich komme von der Straße".
"Diese Gefängnisse sind doch wie Studentenheime"
Auch was seine drohende Gefängnisstrafe - im schlechtesten Fall immerhin 20 Jahre - angeht, gibt er sich locker. "Diese Gefängnisse sind doch wie Studentenheime", sagte er vor wenigen Tagen in einem Vice-Interview. In der Untersuchungshaft sei er so was wie "der King" gewesen.
Image-Wandel im Gange?
Shkreli bewies aber zuletzt in einem TV-Interview (siehe unten), dass er bei weitem nicht so dämonisch ist, wie die Medien ihn gerne darstellen. Er betonte, dass er als Sohn von Hausmeistern auf den Straßen von Brooklyn aufgewachsen sei und sich nach oben gearbeitet habe: "Ich bin sicher nicht priviligiert." Die Medien könnten die Leute porträtieren, wie sie wollen. Zu dem
Medikament Daraprim stellte er klar: "In dem System, in dem wir leben, musst du alles in deiner Macht stehende tun, um den Gewinn zu maximieren. Das ist Business. Da kannst du keine halben Sachen machen." Eine Analyse habe ergeben, das man mit dem Preis auf 750 Dollar gehen könne. Zahlen müssten nicht die Patienten, sondern die Versicherungsgesellschaften. Im übrigen sei Daraprim ein sehr selten verwendetes
Medikament.
Auf Twitter erhielt Shkreli seit dem Interview zahlreiche Nachrichten von Leuten, die ihre Meinung über ihn revidiert haben:
Verteidiger erteilt ihm Redeverbot
Sein Verteidiger hat ihm sicherheitshalber dennoch ein Redeverbot erteilt. "Eine der Bedingungen, unter der ich ihn vertrete, ist, dass er bis zur Klärung der strafrechtlichen Klagen mit keinen Pressevertretern mehr spricht", sagte Staranwalt
Benjamin Brafman, der bereits Ex-IWF-Chef
Dominique Strauss-Kahn und Rap-Star
Jay Z vertrat.
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