Um 5000 % teurer: Pharma-Wucher regt USA auf

Um 5000 % teurer: Pharma-Wucher regt USA auf
Arzneipreis stieg von 13,5 auf 750 Dollar - Clinton-Aktionsplan lässt Pharma-Aktien abstürzen.

Er hat gute Chancen, in den Online-Foren und Sozialen Medien zum meistgehassten Amerikaner zu werden: Martin Shkreli, 32-jähriger Ex-Hedgefonds-Manager und Gründer des Pharmaunternehmens Turing. Seit die New York Times berichtete, dass Turing den Preis für Daraprim, ein rares Medikament gegen Toxoplasmose, von 13,5 auf 750 Dollar angehoben hat, gehen die Wogen hoch.

Sogar Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton sprang auf das Aufregerthema auf und versprach, sich gegen den "Wucher" mit Arzneimitteln einzusetzen. „Es ist Zeit, die völlig aus dem Ruder gelaufenen Kosten in den Griff zu bekommen“, sagte die Demokratin am Dienstag.

Aktien-Absturz

Die Ankündigung schickte umgehend die Aktien von Biotechnologie-Unternehmen auf Talfahrt. Der entsprechende Index an der Technologie-Börse Nasdaq gab um rund drei Prozent nach. Clinton will nämlich den Kauf billigerer Medikamente aus dem Ausland ermöglichen und die Entwicklung billigerer Nachahmer-Mediamente (Generika) vorantreiben. Die Krankenkassen sollen höhere Rabatte ausverhandeln können.

Mittel gegen Toxoplasmose

Warum die Aufregung? Schwangere sollen sich von Katzen fernhalten: Diese Alltagsweisheit kommt von der Angst vor Toxoplasmose, einer Infektionskrankheit, die durch Katzenkot übertragen wird. Besonders für Menschen mit schwachem Immunsystem (Krebskranke, HIV-Patienten) kann das tödlich enden.

Seit gut 60 Jahren gibt es dafür jedoch eine wirksame Behandlung. Das Problem: Das einzige in den USA zugelassene Medikament Daraprim ist gerade um mehr als 5000 Prozent teurer geworden – von 13,5 Dollar auf 750 Dollar. Verantwortlich dafür ist der neue Besitzer Turing Pharmaceuticals, der die US-Rechte für das Medikament erst im August 2015 um 55 Millionen US-Dollar vom Pharmakonzern Impax gekauft hatte.

Leben retten "zu billig"

Seither steht Turing-Gründer Martin Shkreli, ein 32 Jahre alter früherer Hedgefonds-Manager, im Kreuzfeuer wütender Proteste. Er selbst versteht die Aufregung nicht. Auf der Turing-Webseite ist ein Interview mit Bloomberg zu sehen, in dem Shkreli den Preissprung verteidigt. Der Schuss ging freilich nach hinten los. Shkreli widersprach nämlich nicht, dass die Herstellung der Arznei nur ungefähr einen Dollar koste: „Die Produktion kostet sehr wenig.“

Allerdings seien dabei die Distributions-, Zulassungs- und Forschungskosten nicht inkludiert. Und obendrein sei Daraprim verglichen mit anderen Produkten noch zu billig: Ein Leben zu retten koste mit Daraprim weniger als 1000 Dollar – bei anderen Medikamenten für seltene Krankheiten seien die Kosten um Vieles höher. Ungefähr die Hälfte der Arzneipackungen werde obendrein um 1 Dollar hergegeben, damit niemandem die Behandlung verwehrt werde, behauptete Shkreli.

Am Mittwoch ruderte Shkreli schließlich zurück und versprach, die Kosten zu senken. Der neue Preis blieb freilich ungenannt.

Zu wenig rentabel

Tatsächlich ist der Preissprung bei Daraprim kein Einzelfall. Das Medikament unterliegt zwar keinen Patentschutz mehr, Konkurrenten könnten somit billigere Nachbauten (Generika) anbieten. Allerdings eignen sich Medikamente für seltene Krankheiten nicht zum Massengeschäft und sind für Pharmakonzerne wenig einträglich. Es gibt deshalb wenig Forschung. Wo es keine Alternativen gibt, können Anbieter Phantasiepreise verlangen.

Kurz vor der Daraprim-Übernahme durch Turing sei das Medikament aus dem freien Verkauf über Großhändler und Apotheken genommen worden, berichtete die New York Times. Die Abgabe an Spitäler und Ärzte werde seither strikt kontrolliert – das mache es für Generika-Produzenten schwieriger, Kopien herzustellen.

„Bisher hat sich niemand um Toxoplasmose geschert, jetzt haben die Patienten einen starken Verbündeten, sagte Shkreli zu Bloomberg: „Wir investieren Dutzende Millionen Dollar in die Forschung, um eine effizientere Version von Daraprim mit weniger Nebenwirkungen zu finden.“

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