ÖVP rutscht ab: Politischer Dreikampf um den Mittelstand

ÖVP rutscht ab: Politischer Dreikampf um den Mittelstand
Der konservativ-bürgerlich betriebliche Mittelstand fühlt sich von der ÖVP immer weniger vertreten. Laut einer Umfrage seien Konzerne, Politik und die Finanzwirtschaft Profiteure von Lobbying.

Nicht zu verwechseln mit der Mittelschicht, die sich nach gewöhnlich dem Einkommen definiert, gehören zum Mittelstand Unternehmen und Freiberufler mit bis zu 250 Mitarbeitenden. Dieser konservativ-bürgerlich betriebliche Mittelstand fühlt sich von der Wirtschaftspartei ÖVP immer weniger vertreten.

Bei einer Gallup-Umfrage aus dem Februar mit 1.000 repräsentativ Befragten (über 14 Jahre alt), gehen nur noch 17 Prozent davon aus, dass die ÖVP die Interessen des Mittelstandes vertritt. 2020 waren es noch 31 Prozent.

Dadurch könnte sich bei der Nationalratswahl ein politischer Dreikampf um den Mittelstand ergeben, der sich laut Umfrage 36 Prozent der Befragten zugehörig fühlen. Denn die SPÖ liegt bei stabilen 19 Prozent und damit beim Mittelstand derzeit knapp voran auf Platz 1. Die FPÖ hat seit 2020 von 9 auf 17 Prozent zugelegt und findet sich nun mit der ÖVP gleichauf.

Von den kleineren Parteien büßten die Grünen von sechs auf drei Prozent ein, die Neos vertreten für neun Prozent die Interessen des Mittelstandes (2020: sieben Prozent).

Auch WKÖ verliert stark

Die Auftraggeber der Umfrage sind im weitesten Sinne drei Lobbying-Verbände für den Mittelstand: die „Lobby der Mitte“, der „Gewerbeverein“ und der „Senat der Wirtschaft“. Aus ihrer Sicht naheliegenderweise wurde daher auch abgefragt, ob sich der Mittelstand mit seinen Anliegen politisch durchsetzen kann oder wer eigentlich zu den Profiteuren von Lobbying zählt.

Auf die Frage nach den „starken Interessensvertretungen“ führen zwar weiterhin Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und Wirtschaftsbund das Ranking an, doch beide haben – wohl korrespondierend zum schwachen ÖVP-Ergebnis – merklich an Zustimmung eingebüßt. Die Wirtschaftskammer rutschte hier seit 2020 von 67 auf 51 Prozent ab. Der Wirtschaftsbund verlor 12 Prozentpunkte auf 31 Prozent. Zeitgleich verlor aber auch der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband von 32 auf 22 Prozent. Selbst der Ring freiheitlicher Wirtschaftstreibender büßt Zustimmung (19 auf 13 Prozent) ein.

Die „Profiteure von Lobbying“ sind für die Mehrheit der Befragten Konzerne (74 Prozent), Politik und Regierung (66 Prozent) sowie die Finanzwirtschaft mit 41 Prozent. Der Mittelstand bekommt bei dieser Teilfrage überhaupt nur auf vier Prozent. Schlechter schneiden nur „sozial Schwache“ mit drei Prozent ab. „Wenn der Mittelstand aus der Mitte verdrängt wird und keinen Platz mehr im politischen Entscheidungsprozess findet, verlieren alle an Wohlstand und die Wirtschaft ihr Rückgrat“, warnt Gewerbeverein-Präsident Peter Lieber.

Kluft Konzerne und KMU

Die Umfrageergebnisse würden außerdem zeigen, dass „die Kluft zwischen dem als Hauptleistungsträger anerkannten Mittelstand und der als Lobbying-Profiteure angesehenen Welt der Konzerne und Politik“ immer größer werde, so Lobby-der-Mitte-Obmann Wolfgang Lusak.

Was die Auftraggeber der Umfrage freuen dürfte: Die Bewertung der Bedeutung des Mittelstandes für Wirtschaft und Gesellschaft erreichte mit 69 Prozent sehr und 21 Prozent eher wichtig ein All-Time High.

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