Ökonom Bonin zu Zöllen: EU muss dort ansetzen, wo es "USA weh tut"

Ökonom Bonin zu Zöllen: EU muss dort ansetzen, wo es "USA weh tut"
Der IHS-Direktor fordert ein gemeinsames Auftreten der EU-Staaten. Wenn nötig solle die EU auch mit der Abschaltung der US-Plattformen drohen.

Zusammenfassung

  • Ökonom Bonin fordert Europa zu einem entschlosseneren Vorgehen gegen Trumps Zolldrohungen und einen Fokus auf Regulierungen amerikanischer Digitalunternehmen.
  • Bonin kritisiert das Einstimmigkeitsprinzip der EU als hinderlich für eine einheitliche europäische Handlungskraft und fordert langfristige Planung.
  • In Österreich plädiert Bonin für eine Reduzierung der föderalen Strukturen zugunsten einheitlicher Standards durch den Bund.

Die wirtschaftlich herausfordernden Zeiten für Österreich und Europa sind noch nicht vorbei. So zumindest die Prognose des Ökonomen Holger Bonin, Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS).

Dem Experten zufolge werde in den kommenden zwölf Monaten der Druck von außerhalb immer weiter anwachsen. Auch, dass US-Präsident Donald Trump seine Zolldrohungen auf europäische Produkte realisiert, sei zu erwarten.

"In einem Jahr werden wir Diskussionen darüber führen, inwieweit wir uns den USA unterwerfen müssen", sagt Bonin, der sich ein schärferes Vorgehen gegen Trumps Drohungen wünscht, bei einer Podiumsdiskussion in Wien.

EU muss ansetzen, wo es "USA weh tut"

Anstatt Zölle auf einzelne Produkte, wie etwa Motorräder der Marke Harley-Davidson, einzuführen, solle die EU dort ansetzen, wo es "den USA weh tut". Und das seien die amerikanischen Digitalunternehmen wie etwa Facebook oder Amazon. Durch die Zolldrohungen möchte Trump Regulierungen dieser Plattformen verhindern. 

Bonin sieht die Regulierungen durch die EU aber als notwendig an. "Dabei geht es nicht um den freien Wettbewerb, sondern diese Konzerne sind Monopole der Digitalindustrie und bringen zum Teil große Risiken für Europa", sagt der Experte dem KURIER. Wenn nötig solle die EU den USA auch mit der Abschaltung der Plattformen drohen.

Durch die Deregulierung in den USA wäre aktuell allgemein eine Debatte darüber entstanden, ob "der Staat überhaupt noch erforderlich ist". Die Privatunternehmen würden etwa staatliche Institutionen immer mehr verdrängen. So würden öffentliche Medien immer mehr durch unregulierte Soziale Medien ersetzt und Kryptowährungen privater Firmen stünden mittlerweile neben den staatlichen Währungen.

Einstimmigkeitsprinzip schwächt Europa

Die größte Schwäche der EU sei die zu geringe Handlungsfähigkeit. "Europa spricht nicht mit einer Stimme", so Bonin, der "Europa first", das heißt vor den Nationalstaaten, fordert.

Zu diesem Zweck müsse man das Einstimmigkeitsprinzip in der Beschlussfassung, das innerhalb der EU immer noch in einigen Bereichen besteht, überdenken. Der Ökonom spricht von einem "großen Reset", in dem bestehende Strukturen verändert werden. Bonin fordert außerdem eine langfristige Planung in Europa, die über eine Legislaturperiode hinausgeht.

Auch in Österreich würden langfristige Visionen fehlen. Und auch der Föderalismus hierzulande sei ein Thema. Vor allem die Bundesländer hätten in der heutigen Zeit Schwierigkeiten ihre Existenz zu rechtfertigen. "Wir brauchen die Länder weniger", so Bonins Einschätzung. So Sei es etwa nicht vertretbar, dass jedes Land sein eigenes Sozialsystem habe.

Aufgaben der Länder "neu denken"

Stattdessen solle der Bund dafür zuständig sein, einheitliche Standards, etwa im Bildungs- oder Sozialbereich, festzulegen und die notwendigen finanziellen Mittel aufzustellen. Die Umsetzung wiederum müsse - wie schon bisher - dezentral in den Kommunen passieren. Die Länder würden zwar bis heute eine historisch bedingte "identitätsstiftende Rolle spielen", sagt Bonin. Ihre konkreten Aufgaben gelte es aber "neu zu denken". 

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