Oberbank-Chef: "Die Kreditnachfrage ist stark wie lange nicht mehr"

Franz Gasselsberger
Der Banker ist optimistisch, dass sich die Konjunktur erholt. Er bricht eine Lanze für die fleißigen Österreicher und vermisst große Reformen für Budget und Pensionen.

Der Banker ist – anders als die meisten seiner Branchenkollegen – ein Befürworter der strengeren Kreditvergaberegeln und verteidigt die Finanzmarktaufsicht.

KURIER: Die Oberbank hatte ein gutes erstes Quartal. Ich nehme an, dass auch das zweite Quartal, das in Bälde publiziert wird, erfreulich verlaufen ist. Sie waren zuletzt optimistischer als die Wirtschaftsforscher. Ist die konjunkturelle Talsohle wirklich durchschritten?

Franz Gasselsberger: Die Talsohle ist auf jeden Fall durchschritten. Mit den Wirtschaftsforschern habe ich es nicht so. Ich verlasse mich lieber auf das, was mir meine Kunden sagen. Da sieht man, dass der Auftragseingang und die Gewinn-Erwartungshaltung für das heurige Jahr insgesamt wieder besser geworden sind. Und der wichtigste Indikator ist für uns die Kreditnachfrage. Wir werden im Kommerzkreditgeschäft so ein gutes Jahr haben wie schon lange nicht mehr und auch die Nachfrage nach Wohnbaukrediten ist so stark wie schon lange nicht mehr. Das würden die Unternehmen und die Privaten ja nicht tun, wenn sie nicht eine positive Zukunftserwartung hätten.

Das Bankgeschäft hat immer zwei Seiten. Sinken die Zinsen, schmälert das den Zinsertrag, steigt aber die Kreditnachfrage und die Investitionsbereitschaft …

Ja, und spannend ist auch, dass trotz der gesunkenen Zinsen die Sparquote so hoch ist. Das hängt damit zusammen, dass das Veranlagungsangebot für die Sparer und diejenigen, die vorsorgen möchten, so reichhaltig ist, wie fast noch nie. Es gibt einen wirklich starken Trend zu persönlicher, privater Vorsorge. Die Versicherungs- und Vorsorgeprodukte eilen von Rekord zu Rekord. Viele Menschen sind zum Schluss gekommen, dass die gesetzliche Pensionsvorsorge, so wie sie jetzt besteht, in Diskussion kommen wird.

Zum ausführlichen "Business Gespräch" mit Oberbank-Chef Gasselsberger

Hohe Sparquote, Verunsicherung der Menschen, Pensionsproblematik: Was sagen Sie in diesem Kontext zu den strengeren Kreditvergaberegeln der „KIM-Verordnung“? Die verpflichtende Anwendung ist zwar jetzt ausgelaufen, aber die Bankenaufsicht schaut doch sehr genau, dass die Regeln auch weiter eingehalten werden. Sind die Österreicher nicht in der Lage sich selbst auszurechnen, ob sie sich den Kredit leisten können oder nicht?

So, wie Sie die Frage stellen, merke ich, dass Sie zu diesem Thema eventuell eine vorgefasste Meinung haben. Ich sehe das differenzierter. Ich komme aus einer Zeit – ich bin schon 43 Jahre im Bankgeschäft tätig – da mussten wir in den 1990er-Jahren, als die Zinsen gestiegen und Immobilienwerte verfallen sind, Kunden und Kundinnen aus den Häusern vertreiben und viele Immobilien versteigern. Daher finde ich es gut und gescheit, dass es diese Richtlinien gibt. Und dass die Wohnbaufinanzierungen vor drei Jahren eingebrochen sind, hat mit der KIM-Verordnung nichts zu tun. Das waren die Inflation, die Zinsen, die Stimmung, der Ukraine-Konflikt und und und. Die Finanzmarktaufsicht soll sich da nicht abbringen lassen von ihrem Weg. Viele reden da mit, die noch nie einen Kredit vergeben haben – auch manche Landeshauptleute.

Sie haben Türkis-Grün kritisiert für die Gießkannenförderungen oder das plötzlich nach der Wahl aufgetauchte Budgetloch. Wie beurteilen Sie die Arbeit der neuen Bundesregierung? Stichworte: Sparpaket, Pensionsreform …

Die Regierung punktet im Moment damit, dass die Harmonie, die man zur Schau trägt, offenbar auch wirklich vorhanden ist. Die Menschen wollen nicht, dass die Regierenden streiten. Was dazu kommt, ist aber schon, dass man gerade zu Beginn der Regierungszeit ganz große Chancen vertan hat und die wirklich großen Strukturreformen nicht angegangen ist. Um zum Beispiel ein Defizitverfahren zu vermeiden oder um den Schuldenberg wirklich abzutragen. Da hätte die Bevölkerung durchaus Verständnis gehabt. Und aus der Pensionsreform ist ein Reförmchen geworden. Daher verstehe ich auch überhaupt nicht, dass eine Staatssekretärin Einsparungen von 750 Millionen Euro bei einem Zuschussbedarf zu den Pensionen von 35 Milliarden Euro als großen Wurf verkauft.

Die ÖVP hat eine Teilzeitdebatte losgetreten. Ketzerische Frage: Sind die Österreicherinnen und Österreicher zu faul geworden?

Überhaupt nicht. Es ist ganz einfach so, dass Teilzeitarbeit steuerlich bevorzugt wird, und daher haben wir europaweit eine der höchsten Teilzeitquoten. Wäre ich ein Politiker, würde ich den Leistenden, den Arbeitenden, den Steuerzahlenden ein Höchstmaß an Wertschätzung entgegen bringen. Es gibt kaum ein fleißigeres Volk als die Österreicherinnen und Österreicher, die wissen, dass Arbeit nicht die dunkle Seite des Lebens ist. Es ist auch nicht so eindimensional, wie manche tun, dass man nur die Lebensarbeitszeit erhöhen müsste, und alles ist gut.

Da und dort kommt das Teilzeit-Thema auch wie ein Frauen-Bashing daher, die ja angesichts der fehlenden Kinderbetreuung oder der nötigen Pflege der Eltern oft keine Wahlmöglichkeit haben. Sehen Sie das auch so?

Das Thema hat viele Seiten, wie die Kinderbetreuung. Das muss man sich sehr fundiert anschauen und nicht nur auf ein Argument reduzieren.

Wie ist das in der Bank?

Wir haben in der Oberbank 700 Teilzeitbeschäftigte, davon 99 Prozent Frauen. Sie zu mehr Leistung zu motivieren, ist gar nicht so einfach. Wir haben es aber mit der Hilfe der Gewerkschaft – also des Betriebsrates – geschafft. Wir haben den Damen aufgezeigt, auf wie viel Lebenseinkommen und Zusatzpension sie verzichten. Immerhin 40 Vollzeitäquivalente haben wir so gewonnen.

Themenwechsel: Ihre Kernmärkte sind Oberösterreich und Salzburg, Sie wollen als Bank in Deutschland wachsen. Ist Ihnen der Wiener Markt schon zu dicht besetzt, dass Sie sich Richtung Westen orientieren?

Die Kernmärkte sind für uns von Salzburg bis Wien, und dazu gehört auch Niederösterreich. Wir wollen bei den eigentümergeführten, mittelständischen Unternehmen wachsen und auch im Private Banking mehr Profil gewinnen. Allerdings sehen wir derzeit auch in Deutschland große Chancen, wo wir schon seit 35 Jahren mit mittlerweile 45 Filialen aktiv sind. Die Diskussion zwischen Commerzbank und UniCredit kommt uns sehr entgegen. Das bringt Verunsicherung, und die Unternehmen sind vielfach auf der Suche nach einer Alternative – und genau da punkten wir. Wir haben das Leistungsspektrum einer Großbank, aber auch die Schnelligkeit und Flexibilität einer Regionalbank.

Wie weit geht das Filialsterben im Bankenbereich?

Vor Jahren wurden wir gescholten, dass wir overbanked sind. Jetzt ist die Anzahl der Filialen in Österreich von 5.000 auf 3.500 gesunken, und wir sind immer noch sehr komfortabel ausgestattet. Es ist eine Folge des digitalen Wandels. Die Kunden wollen das auch. Es ist komfortabel, sieben Tage die Woche, rund um die Uhr einfache Bankgeschäfte selbst erledigen zu können. Aber sie wollen nach wie vor auch ihren Ansprechpartner haben, der sie bei komplexen Dingen berät. Die Filialen werden in Zukunft für uns, aber auch für alle anderen Banken in Österreich die zentrale Vertriebsschiene bleiben.

Franz Gasselsberger

Das Interview mit Franz Gasselsberger läuft am Samstag, 2. 8.  um 18.00  Uhr auf KURIER TV,  KURIER.AT

Zur Person: Franz Gasselsberger
Nach dem Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften begann 1983 seine Karriere in der Oberbank. 1998 bestellte ihn der Aufsichtsrat in den Vorstand. Seit 1. Mai 2002 steht er an der Spitze der Bank. Der 66-Jährige ist privat ein passionierter Läufer und Bergsteiger.

Die Oberbank
Im Geschäftsjahr 2024 erzielte sie einen Nettogewinn von 378,8 Millionen Euro. Die Kernkapitalquote stieg auf 19,52 Prozent. Die Quote der notleidenden Kredite betrug stabile 3,56 Prozent.

 

HINWEIS: BUSINESS GESPRÄCH

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