N26-Chef Stalf: "Wir sind in keiner Notsituation"

Valentin Stalf
Der Gründer der Smartphone-Bank über den Rückzug als CEO, seine neue Rolle im Aufsichtsrat und (zu) ehrgeizige Wachstumsziele.

Bei N26, einer der größten Digitalbanken Europas, beginnt nach dem Rückzug von Mitgründer und Mastermind Valentin Stalf als Vorstandschef eine neue Ära. Wie berichtet, reagierte Stalf auf Medienspekulationen und kündigte seinen Wechsel in den Aufsichtsrat zurück. Am Mittwoch weilte Stalf in Wien und erläuterte dem KURIER die Hintergründe für seinen Abgang und wie es jetzt mit dem FinTech weitergeht. 

KURIER: Sie haben angekündigt, „zeitnah“ den Chefposten zu räumen. Wann genau ist „zeitnah“?

Valentin Stalf: Das ist bisher formal nicht festgelegt. Ich bin solange Co-CEO, wie es gewünscht und sinnvoll ist. Nach einer Übergangszeit werde ich in den Aufsichtsrat wechseln. Wichtig ist mir ein geregelter Übergang, wir sind ja in keiner Notsituation. Es gibt deshalb keinen Grund zur Eile bei Personalentscheidungen. Der Vorstand ist sehr gut aufgestellt.

Über Ihren Abgang wurde bereits medial spekuliert. Wie groß war der Druck der Investoren?

Ich habe mir den Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat schon länger überlegt und ihn jetzt aufgrund der jüngsten Medienspekulationen vorzeitig vollzogen. Sonst hätte ich das erst später getan. Es gab keine Rücktrittsforderung von Seiten des Regulators oder Druck von Investoren. Aber ich wollte die Spekulationen zum Wohle der Firma beenden.

Warum gehen von den Gründern nur Sie, während Co-Gründer Tayenthal bleibt?

Wie gesagt, wir befinden uns ja in keiner Notsituation, warum sollten wir also beide den Vorstand verlassen? Max und ich haben auch unterschiedliche Rollen im Unternehmen. 

Werden Sie als Gründer im Aufsichtsrat den Vorsitz übernehmen?

Das strebe ich nicht an. Mir ist es wichtig, dass ich im Aufsichtsrat eine andere Rolle spiele als im Vorstand. Ich bin dann ein Kontrollorgan und gehe davon aus, dass mit meinem Einzug zwei bis drei weitere Aufsichtsräte einziehen werden. Mir ist egal, ob ich einer von fünf oder sechs Aufsichtsräten bin. Es geht darum, mein Wissen weiterhin der Bank zur Verfügung zu stellen. Ich kenne das Unternehmen sehr gut und daher freue ich mich auf die neue Aufgabe.

Sie sind das Gesicht von N26 nach außen, jetzt verschwinden Sie von der Bildfläche. Eine Zäsur?

Meine Rolle ist eine differenzierte und vielschichtige. Ich bin gemeinsam mit Co-Gründer Tayenthal größter Mit-Eigentümer mit 20 Prozent, andererseits war ich sehr lange der CEO. In der neuen Rolle werde ich anders agieren, aber ich bleibe immer der Gründer und diese Rolle kann ich auch nie formell aufgeben.

Die deutsche Bankenaufsicht BaFin soll erneut Mängel bei regulatorischen Auflagen festgestellt haben. Was sagen Sie dazu?

Ich bitte um Verständnis, dass ich Spekulationen zu nicht bestätigten und unveröffentlichten BaFin-Berichten nicht kommentieren kann. Ich möchte betonen, dass wir uns nicht in einer regulatorischen Ausnahmesituation befinden.

Valentin Stalf

Die BaFin fand in den vergangenen Jahren schon Mängel bezüglich der Risikovorsorgen, erteilte Auflagen und verhängte Strafen. Wurde darauf nicht ausreichend reagiert?

Wir nehmen regulatorische Auflagen sehr ernst, das gehört zu unserem Kerngeschäft. Wir haben sehr viel in Risikomanagement investiert und setzen das auch weiter fort.

Wie genau haben Sie das Risikomanagement verbessert, können Sie Beispiele nennen?

Wir haben in den letzten Jahren 50 bis 100 Millionen Euro in den Bereich Betrugsbekämpfung investiert und gehören zu den Vorreitern beim Einsatz von KI zur Betrugsvermeidung. Dort haben wir auch das Team sehr verstärkt.

Wie geht es N26 derzeit wirtschaftlich?

Wir sind insgesamt gut aufgestellt und werden das Gesamtjahr profitabel abschließen. Wir haben im Juli einen der stärksten Monate in der Unternehmensgeschichte gehabt. Wir konnten unsere Umsätze im vergangenen Jahr um 40 Prozent steigern und stehen heute bei über 500 Millionen Euro Umsatz, mit nachhaltiger Profitabilität. Der Zeitpunkt für meinen Wechsel ist daher sehr gut.

Woher kommt das hohe Umsatzwachstum?

Aus drei Bereichen: der Kartennutzung, dem klassischen Bankgeschäft mit Spareinlagen und Krediten. Zusätzlich haben wir unser Angebot für Vermögensanlagen deutlich erweitert. Heute kann man bei uns tausende Aktien und ETFs handeln und auch verschiedene Kryptowährungen. All das bündeln wir in bezahlten Kontomodellen, die von unseren Kunden verstärkt nachgefragt werden. Darüber hinaus nutzen unsere Bestandskunden ihr Konto immer öfter, was auch die Umsätze und Profite treibt. Im Trading-Bereich haben wir unser Transaktionsvolumen in den letzten 12 Monaten versiebenfacht und wir rechnen dieses Jahr mit einem Trading-Volumen von über 4 Mrd. Euro.

Das Privatkundengeschäft ist für Banken kaum noch profitabel. Wo erzielen Sie die Gewinne?

Es ist ein großer Irrtum, dass man im Retail-Geschäftt nicht profitabel wirtschaften kann. Wir haben im Gegensatz zu anderen Instituten kein Filialnetz, kein Datencenter, sondern alles in der Cloud und sind effizienter organisiert und daher nicht so hohe Fixkosten. Das sind die Vorteile, wenn man ein Unternehmen ohne Altlasten neu aufbauen kann.

Valentin Stalf

Sie haben vor ein paar Jahren 100 Millionen Kunden als Ziel angepeilt. Aktuell stagnieren sie bei fünf, ist das Wachstumsgrenze erreicht?

Nein, gar nicht. Wir sind mit fünf Millionen Kunden inzwischen einer der größeren Banken in Europa. Die fünf Millionen sind die ertragsrelevanten Kunden, von den Anmeldungen her sind es mehr als zehn Millionen. Die 100 Millionen Kunden muss man relativieren, als Start-up hat man auch symbolische Ziele. In den nächsten Jahren auf 10, 20 oder sogar 50 Millionen zu kommen, ist aber nicht unmöglich, da wären wir eine der größten Banken Europas.

Der Fokus bleibt in Europa?

Ja, der Fokus bleibt Europa, der Markt ist groß genug. Wir sind in 24 Ländern tätig und können dort noch Marktanteile gewinnen.

Was ist an neuen Produkten geplant?

Wir gehen noch mehr in den Bereich Vermögensaufbau für junge Menschen. So wird unser Partnerkonto, also ein Konto, wo sie Geld direkt hin und her schicken können, auf Konten für Kinder ausgeweitet, damit Eltern Taschengeld überweisen oder Altersvorsorge aufbauen können. Außerdem wird unser App-Design überarbeitet und ein Kontomodell inklusive Abo-Modelle wie etwa Handyvertrag oder digitales Zeitungsabo.

Sie gehen also noch mehr in Richtung Vollbank?

Absolut, aber auch darüber hinaus, mit Mobilfunkverträgen und eSIMs.

Sie sind gebürtiger Wiener, leben in Wien. Wie wichtig ist Wien für N26?

Wien ist ein ganz wichtiger Standort. Wir haben hier 85 Mitarbeiter in der Produktentwicklung, die in Wien, Berlin und Barcelona angesiedelt ist. 

Werden Sie Ihre Anteile verkaufen?

Ich denke jetzt nicht über einen Verkauf nach, sondern freue mich in meiner neuen Rolle zu sehen, wie meine Anteile mehr wert werden. 

Ist ein Börsengang immer noch ein Thema?

Natürlich, für ein Unternehmen wie unseres ist das immer noch ein Thema. Aber nicht ein Thema von morgen, sondern für die nächsten Jahre.  

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