Kahlschlag bei Lenzing: Hunderte Mitarbeiter zittern um ihre Jobs
Zusammenfassung
- Beim Faserhersteller Lenzing droht ein Abbau von bis zu 500 Stellen, davon 200 noch heuer und 300 durch Auslagerungen in den nächsten zwei Jahren.
- Der Betriebsrat fordert Investitionen und Maßnahmen gegen weitere Auslagerungen, um Arbeitsplätze am Standort zu sichern.
- Lenzing verfolgt ein Sparprogramm mit dem Ziel, bis 2025 über 180 Millionen Euro einzusparen, während sich die Textilmärkte nur langsam erholen.
Beim oberösterreichischen Faserhersteller Lenzing dürfte ein großer Personalabbau bevorstehen. Noch heuer sollen rund 200 Stellen gestrichen werden, weitere 300 Arbeitsplätze könnten in den nächsten zwei Jahren durch Auslagerung von Verwaltungstätigkeiten ins Ausland verloren gehen, berichten die Kronen Zeitung und die Oberösterreichischen Nachrichten. Eine Betriebsversammlung am Montag soll Klarheit bringen.
Lenzing spricht von Kostenoptimierung
Das Unternehmen selbst wollte gegenüber dem KURIER am Freitag die Berichte "weder bestätigen noch dementieren". In einer Anfragebeantwortung heißt es aber, dass "es wesentlicher weiterer Maßnahmen bedarf, um auf die ausbleibende Markterholung und den intensiven Wettbewerb in Asien zu reagieren". Dazu würden aktuell intensive Gespräche im Konzern laufen, mit dem Ziel, primär die Kostenstruktur weiter zu optimieren.
Der weltweit agierende Konzern mit Hauptsitz in Lenzing beschäftigt rund 7.700 Mitarbeiter, davon etwa 3.000 am Hauptstandort. Nach Angaben des Betriebsrats könnten davon bis zu 500 Jobs wegfallen – ein schwerer Einschnitt für die Region.
Abbau in zwei Phasen
Der Personalabbau soll in zwei Phasen ablaufen: Zunächst sollen bis Jahresende 200 Stellen, überwiegend im Angestelltenbereich, gestrichen werden. In der zweiten Phase ist die Verlagerung von Verwaltungsaufgaben nach Tschechien und Indien vorgesehen, was weitere 300 Jobs kosten könnte.
Betriebsratsvorsitzender Stephan Gruber betont gegenüber der Krone, dass der Abbau "extrem weh tut" und man versuche, die Folgen mit einem Sozialplan abzufedern. Ob tatsächlich alle 500 Stellen betroffen sind, ist noch unklar. Die Verhandlungen könnten zu einer abgeschwächten Lösung führen. Laut OÖN wollen Arbeitnehmervertreter mit einer Resolution am Montag "noch etwas erreichen".
Zeitgleich fand am Montag eine Betriebsversammlung mit bis zu 1.000 Beschäftigten sowie Bürgermeistern aus der Region statt. Der Betriebsrat forderte Investitionen in den Standort und eine Verhinderung weiterer Auslagerungen, um Arbeitsplätze zu sichern.
Die Ankündigung des Stellenabbaus bei Lenzing hat sofort Reaktionen in der oberösterreichischen Landespolitik ausgelöst. Für Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner ist der Schritt bedauerlich. Er sichert betroffenen Mitarbeitern Unterstützung zu und hofft, dass Lenzing-Standorte durch die Maßnahme abgesichert bleiben.
Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner warnt vor dramatischen Folgen für den Industriestandort. „Wir verlieren nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Know-how und Innovationskraft.“ Er wirft der Regierung vor, Weichen falsch gestellt zu haben.
Landesrat Martin Winkler, der Vorsitzende der SPÖ Oberösterreich, ist überzeugt, dass Lenzing mit seinem Personalabbau einen strategischen Fehler begeht. „Damit wird viel Staub aufgewirbelt, aber kein Schritt in Richtung nachhaltiger Zukunft gesetzt.“ Verlagerungen komplexer Prozesse in Offshore-Zentren scheiterten oft an Ausbildungserfordernissen und mangelnder Flexibilität bei Abläufen.
„Im Endergebnis besteht ein hohes Risiko, dass man viel Geld für wenig Ergebnisverbesserung ausgibt. Besser wäre es, die Prozesse in Lenzing zu optimieren und eine internationale Vertriebspartnerschaft anzustreben“, so der ehemalige Unternehmensberater.
Sparzwang als Dauerzustand
Der Sparzwang beim Faserhersteller ist nicht neu, sondern ein Dauerzustand. Um im globalen Wettbewerb in der Textilbranche überleben zu können, verfolgt Lenzing seit Jahren ein „Performance-Programm“ zur Effizienzsteigerung. Allein heuer sollen die Kosten um mehr als 180 Millionen Euro gesenkt werden.
Zuständig für das „Performance-Programm“ ist der ehemalige Semperit-Manager und Finanzexperte Mathias Breuer, der ab Jänner 2026 den bisherigen Finanzvorstand Nico Rainer ablöst. Dieser verlängerte sein Vorstandsmandat nicht und scheidet mit Jahresende aus dem Unternehmen aus. An der Konzernspitze steht der aus Nordindien stammende Manager Rohit Aggarwal. Er trat nach dem Einstieg des weltgrößten Zellstoffproduzenten Suzano im Sommer 2024 die Nachfolge von Stephan Sielaff antrat.
Die Hauptkostentreiber
Hauptkostentreiber bei Lenzing sind neben der Personalkosten vor allem die Energiekosten – diese sind laut eigenen Angaben um den Faktor drei bis fünf höher als etwa in den USA – und natürlich die Rohstoffkosten. So sind die Preise für Natronlauge zuletzt massiv angestiegen. Beim Holzpreis gab es zuletzt jedoch eine fallende Tendenz. Die Nachfrageschwäche an den Textilmärkten hat sich hingegen kaum verbessert.
IV-ÖO: Spezieller Fall
„Der Fall Lenzing ist speziell. Da kommen hausgemachte Standortprobleme und die schwache globale Textilkonjunktur zusammen“, sagt Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) zum KURIER. In der zyklischen Textilbranche gebe es ein permanentes Auf und Ab. Für die vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeiter sei es in der flauen Industriekonjunktur schwer, einen neuen Job zu finden. „Die Zeiten, als sich Fachkräfte die Jobs aussuchen konnten, sind vorbei“.
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