Trotz Boom: Langer Weg für Leihscooter-Anbieter in die Gewinnzone

Trotz Boom: Langer Weg für Leihscooter-Anbieter in die Gewinnzone
Immer mehr Städte gehen gegen den Wildwuchs an Rollern und Betreibern vor. Diejenigen, die geblieben sind, hoffen langfristig in die Gewinnzone zu rollen.

Seit 2018 die ersten Leih-Elektroroller auf Österreichs Straßen zu sehen waren, gab es bei den Anbietern ein regelrechtes Kommen und Gehen. In den vergangenen Jahren haben sich allein in Wien mehrere Anbieter wieder zurückgezogen.

So sieht man heute beispielsweise keine Scooter mehr von Byke, Hive (von BMW und Daimler) oder vom Vorarlberger Anbieter Holmi in der Bundeshauptstadt. Die Anbieter, die geblieben sind, haben sich dafür nicht nur in Wien, sondern etwa auch in Linz, Klagenfurt und Innsbruck etabliert.

„Die Mikromobilität wird langsam erwachsen. Statt um ein großes Wachstum geht es den Anbietern jetzt darum, dass sie profitabel werden wollen“, erklärt Voi-Sprecher Tim Schäfer. 2023 war nach Angaben Schäfers das historisch gesehen beste Betriebsjahr für den schwedischen Scooter-Anbieter – und zwar über alle Märkte hinweg. Seit Mitte des vergangenen Jahres ist Voi auch in Wien tätig.

Neue Regeln

Im Juli führte die Bundeshauptstadt neue Regeln für den Verleih der elektrischen Roller ein. So wurde der Wildwuchs von Scooter-Unternehmen eingedämmt, indem die Roller seither nur noch mit einer Konzession der Stadt angeboten werden dürfen. Den Zuschlag erhielten neben Voi noch die drei US-amerikanischen Unternehmen Lime, Bird und Link. Laut Standard werden aber aktuell die Scooter von Bird und Link nicht angeboten. Über einen Rückzug wird spekuliert.

Die Stadt gibt seither auch die Anzahl der Scooter vor, die jeder Anbieter im Einsatz haben darf. Wien folgt damit dem Beispiel anderer Großstädte, die den Einsatz der Scooter an Ausschreibungen knüpfen, wie Madrid, Neapel oder Los Angeles. Schäfer begrüßt diese Entwicklung. „Wir sehen das als etwas Positives, solange sinnvoll reguliert wird und die Regulierungen den Anforderungen der Stadt entsprechen und sie nicht nur dem Zweck dienen, die E-Scooter abzuwehren und aus der Stadt zu vertreiben“, sagt Schäfer dem KURIER. Voi nennt er den „Branchenführer, wenn es um Ausschreibungen geht“.

Verbote

Auch andere Länder und Städte schränken die Roller ein: So hat Paris die Miet-Scooter nach einer Bürgerbefragung mit September 2023 gänzlich verboten. Bis dahin waren rund 15.000 Roller im Verkehr. Die Nutzung privater Elektroroller erlaubt die französische Hauptstadt aber weiterhin. Genau andersrum ist es im Vereinigten Königreich. Dort dürfen nur regulierte Leih-Scooter gefahren werden, aber keine privaten. Außerdem braucht man für die Nutzung einen Führerschein. 

In den Niederlanden sind E-Scooter im Straßenverkehr generell verboten. Sie werden dort wie Mopeds eingestuft und bräuchten demnach einen Sitz, um zugelassen werden zu können. Auch in China, dem Land, in dem der Großteil der Leih-Scooter produziert wird, sind die Roller verboten.

Patrick Grundmann, Sprecher des deutschen Anbieters Tier, zeigt sich enttäuscht über die wachsenden Restriktionen. „E-Scooter sind heute die am meisten regulierten Fahrzeuge im öffentlichen Raum. Städte sollten sich für die Erreichung ihrer Verkehrs- und Klimaziele eher auf die Integration von E-Scootern konzentrieren, als durch Verbote Alternativen zum privaten Pkw auszubremsen“, so Grundmann. Tier musste sich nach der Konzessionierung aus Wien zurückziehen, bietet seine Scooter aber weiterhin österreichweit in 24 Städten (so etwa in Innsbruck, Wels, Baden bei Wien und in Mödling) an.

Trotz Regulierung stehen die Elektroroller immer wieder in der Kritik. Beispielsweise, weil ihre Nutzer sie häufig verkehrsbehindernd abstellen oder Gehwege blockieren. Um das zu verhindern, bieten die Anbieter beispielsweise Onlinefahrschulen ein. Dort wird den Scooterfahrern beigebracht, wo sie ihr Fahrzeug parken dürfen.

Voi geht noch einen Schritt weiter: Nutzer müssen den abgestellten Roller fotografieren und das Foto in der App hochladen. Tun sie das nicht oder ist der Scooter nicht ordnungsgerecht geparkt, drohen Verwarnungen und bei Wiederholung sogar Strafgebühren.

Auch das Fahren unter Alkoholeinfluss wurde in der Vergangenheit immer wieder zum Problem. Für Elektroroller gilt wie für Fahrräder der Grenzwert von 0,8 Promille. Wer höher alkoholisiert oder unter Drogeneinfluss fährt, riskiert Geldstrafen ab 800 Euro oder sogar den Führerscheinentzug.

Scooter haben eine längere Lebenszeit 

Auch der Einfluss, den die Roller auf die Umwelt haben, wird immer wieder debattiert. Glaubt man den Herstellern, hat sich aber in den vergangenen Jahren einiges getan. Zwar werden fast alle Leih-Scooter, die hierzulande im Einsatz sind, immer noch in China produziert, doch die Lebensdauer der Fahrzeuge hat sich verlängert. Mindestens fünf Jahre oder 7.000 Kilometer fährt ein Scooter heute. Ist ein Teil kaputt, muss  nicht mehr das ganze Gefährt aus dem Verkehr gezogen werden, sondern die Roller sind modular aufgebaut und können so stückweise repariert werden, wie die Anbieter Voi und Tier bestätigen. 

Auch müssen die Scooter heute nicht mehr eingesammelt und in einem Lager aufgeladen werden. Mitarbeiter der Anbieter fahren zu jedem einzelnen Roller hin und tauschen die leeren Batterien gegen aufgeladene aus. Die Lebensdauer einer Batterie liegt bei rund 3,7 Jahren, heißt es seitens Voi. 

Besonders relevant ist auch die Frage, ob die Scooter im urbanen Verkehr tatsächlich das Auto ersetzen. In den Befragungen von Voi gaben knapp 35 Prozent der Nutzer an, dass sich die Autonutzung durch die Elektroroller verringert hat. Von Tier heißt es, dass etwa ein Sechstel der Nutzer die Scooter als Alternative zur Autofahrt oder für Fahrten in Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nutzt. 

Kommentare