Wie die nächste Winzer-Generation den Wein verändert

Frau erntet Weintrauben
Österreichs Nachwuchs-Winzer machen fünf Dinge anders als ihre Vorgänger. Weinliebhaber bemerken jetzt schon einen Unterschied – auch im Geschmack.

Von frühmorgens bis spätabends herrscht Hochbetrieb in Österreichs Weingärten. Ob im Burgenland oder in der Steiermark – überall werden dieser Tage die reifen Trauben von den Rebstöcken geerntet. Oftmals händisch, weshalb die zahlreichen Erntehelfer gemeinsam mit den Winzerfamilien im Akkord arbeiten. Wer das Kommando hat? Zunehmend die Jüngsten im Weingarten, denn in vielen Betrieben ist bereits die nächste Winzer-Generation an die Spitze gerückt. Sie hat große Pläne, wie sich die Branche für die Zukunft rüstet – und wie ihr Wein schmecken soll.

Fürchten müssen sich Weinliebhaber nicht, entwarnt Christina Hugl, Obfrau der Vereinigung „Junge Wilde Winzer“. „Es möchte nicht jeder, der das Ruder übernimmt, auch etwas komplett anderes machen“, klärt sie auf. „Die junge Generation berücksichtigt das Altbewährte, Gute. Sie traut sich aber mehr, andere Stile zu etablieren.“ Das müssen sie auch. Denn die Erwartungshaltung an die nächste Generation wäre hoch, sagt Hugl, noch höher wäre nur ihr eigener Anspruch. „Die, die jetzt übernehmen, wollen wirklich aus der Qualität der Eltern eine noch bessere Qualität schaffen“, so die Obfrau. An welchen Schrauben sie konkret drehen, haben fünf Winzerinnen und Winzer verraten.

1.) Stärkere Marken, mehr Präsenz

„Das Leben eines Winzers schaut heute ganz anders aus, als noch vor dreißig Jahren“, steht auf der Webseite des Weinguts Markowitsch im niederösterreichischen Carnuntum. Was sich primär verändert hat? Das Geschäft erfordert viel „Brand-Building“, also Markenaufbau, erklärt Johanna Markowitsch, die seit 2018 vollständig am 80 Hektar großen Weingut beschäftigt ist.

Johanna Markowitsch

„Man darf den Markenkern nicht verlieren, aber auch nicht starr bleiben.“ Johanna Markowitsch (30), Niederösterreich

Neben hervorragendem Wein wäre das Wichtigste, „eine eigene Identität aufzubauen und an der arbeiten wir tagtäglich“, erzählt die Winzerin. Das Feld wäre schließlich kompetitiver geworden, der Vertrieb komplexer und internationaler. „Früher hatte man drei Partner, jetzt sind es sechzig und viele Privatkunden“, erzählt sie. Um aufzufallen, modernisieren viele Winzer ihre Logos, so auch die Markowitschs, die sich sogar für eine neue Flaschenform entschieden haben. „Es ist ein Stück mehr von mir dabei, ich fühle mich wohler damit und habe das Gefühl, dass es jetzt auf Zukunftsbeine gestellt ist“, sagt sie.

Auch Alexander Artner im burgenländischen Deutschkreutz investierte viel ins neue Design seiner Marke. Artner ist 24 Jahre alt, stieg bereits mit 16 Jahren in den Weinbau seines Vaters ein. Seine Intention ist, das Geschäft auszubauen – für ein kleines Weingut mit sechs Hektar Fläche und maximal 30.000 Flaschen im Jahr eine Herausforderung. „In Österreich gibt es eine große Dichte an Top-Betrieben, die sehr gut in der gehobenen Gastronomie vertreten sind“, sagt er. „Da ist es immer schwieriger, Platz auf der Weinkarte zu finden.“

Nicht zuletzt weil der Weinkonsum zurückgeht und Österreich ein hartes Pflaster insbesondere für Rotweinproduzenten ist. „Wir produzieren zu 95 Prozent Rotwein, deshalb ist es wichtig, Märkte zu erschließen, wo Rotwein besser angenommen wird.“ Geplant ist mehr Export in die skandinavischen Länder. Doch auch in Österreich plant er einen Ausbau, dafür feilt – nicht nur Alexander Artner – intensiv am Geschmack seines Weins.

2.) Anderer Geschmack, raffinierter Charakter

„Früher war das Mittelburgenland für extrem schwere, überladene Weine bekannt“, berichtet Artner, der seine Weine für die junge Kundschaft „zugänglicher“ machen will. „Ich bleibe der Tradition treu, aber meine Weine sind trotzdem moderner, etwas eleganter“, sagt er.

Alexander Artner

„Die Weine sind moderner, ein bisschen eleganter.“  Alexander Artner (24), Burgenland

Auch Valentin Zahel, das jüngste Kind der Wiener Winzerfamilie, die besonders für ihren Gemischten Satz bekannt ist, zeigt sich experimentierfreudig. Er setzt aufgrund des Klimawandels künftig verstärkt auf tief verwurzelte Weinstöcke, denn „wenn Wasser fällt, fällt meist viel auf einmal und sammelt sich im Untergrund an.“ Nur wenn die Wurzeln tief genug sind, könnten sich die Pflanzen mit ausreichend Flüssigkeit versorgen, erklärt er. Doch auch geschmacklich treibt er viele Innovationen voran, erzählt er.

Aktuell spielt Valentin Zahel intensiv mit Temperaturen, Gärverfahren und ganz besonders Maischestandzeiten (die Dauer während zerkleinerte Trauben mit dem Saft in Kontakt bleiben, bevor sie abgepresst werden). „Ich lege ein bisschen mehr Wert darauf, dass schöne, fruchtige Weine rauskommen, die auch wirklich mehr Charakter haben“, berichtet er. Die Weine der Vorgängergenerationen sollen zwar erkennbar bleiben, aber seine Handschrift tragen.

Valentin Zahel Winzer Wien

„Der Wein soll ähnlich bleiben, mit kleiner Fokusverschiebung.“ Valentin Zahel (22), Wien

Außerdem hat er die seltene Orangetraube ins Auge gefasst, „die weltweit gar nicht mehr im großen Stil anzutreffen ist“. Und natürlich: Den alkoholfreien Wein, dessen Potenzial auch die niederösterreichische Winzerin Benita Lobner aus Mannersdorf an der March bereits erkannt hat.

3.) Neue Produkte, weniger Alkohol

„Wenn sich das Konsumverhalten ändert, müssen wir darauf eingehen“, stellt Lobner klar, die mit „Benita Sophie“ ihre eigene alkoholfreie Weinlinie auf den Markt gebracht hat. Ihr Vater – Gerhard J. Lobner, der viele Jahre die Weingüter Mayer am Pfarrplatz und Rotes Haus leitete – schenkte ihr das Urvertrauen, diese Richtung einzuschlagen. Er übertrug der bald 24-Jährigen schon Anfang zwanzig die Verantwortung über das gesamte, wenn auch kleine, Weinviertler Familienweingut. Ein Privileg, das Benita Lobner zu schätzen weiß. „Das ist heute schon etwas anderes als noch in der Großelterngeneration“, sagt sie. Vor allem bei alkoholfreiem Wein hätte so mancher die Nase rümpfen können.

46-218710827

„Wenn sich das Konsumverhalten ändert, müssen wir darauf eingehen.“ Benita Lobner (23), Niederösterreich

Benita Lobner aber will mit ihrem alkoholfreien Riesling und Rosé eine Botschaft vermitteln: „Da steckt ein Handwerk dahinter und kein groß industriell hergestellter Fruchtsaft“, sagt sie. „Es bleibt ein Kulturprodukt, der Winzer hat sich etwas dabei gedacht. Und wenn ein junger Winzer das Thema aufgreift, ist es vielleicht auch greifbarer für die junge Generation.“

Der alkoholfreie Wein ist aber nicht die einzige Alternative, die auf dem Vormarsch ist: Auch Produkte, die gar nicht erst entalkoholisiert werden müssen, nehmen zu. Hochwertiger Traubensaft zum Beispiel, der säurebetonter ist und mit dem klassisch süßen Produkt wenig gemeinsam hat. Sowohl Valentin Zahel als auch Johanna Markowitsch haben darauf einen Fokus gelegt. Franz-Josef Tschermonegg in der Südsteiermark konzentriert sich lieber auf andere Aspekte. Nämlich darauf, sein Weingut, das 250.000 Flaschen pro Jahr produziert, noch unabhängiger zu bewirtschaften.

4.) Noch nachhaltiger, vermehrt unabhängiger

Im Bereich Nachhaltigkeit haben schon die älteren Winzer-Generationen in Österreich viel vorgelegt – immerhin sind 25 Prozent der Gesamtweinbaufläche biologisch. Jetzt ist es an den Jungen, ins Detail zu gehen.

Franz-Josef Tschermonegg

„Wir schauen, dass wir den Fußabdruck so klein wie möglich halten.“ Franz-Josef Tschermonegg (26), Steiermark

Herbizide, Insektizide und kupferhaltige Pflanzenschutzmittel gibt es am Weingut Tschermonegg schon lange nicht mehr, der ökologische Fußabdruck soll dennoch weiter schrumpfen, erzählt der Winzer, der seit seinem 21. Geburtstag hauptverantwortlich für die 158.000 Rebstöcke ist. 

Die Energie kommt vom eigenen Dach, Produkte von Vorlieferanten – Kartons, Flaschen und Verschlüsse – bezieht er ausschließlich aus Österreich. „Das große Ziel ist, völlig autark zu sein, keine Energie von außen zu brauchen und sogar den eigenen Dünger zu produzieren“, sagt er.

Damit das gelingt, nutzen er und viele seiner Kollegen Synergien. Es wird sich vernetzt, Maschinen ausgeliehen, die sich für kleinere Weingüter nicht rentieren würden oder der Messestand geteilt, um sich nach außen hin zu präsentieren. Den Konkurrenzgedanken unter heimischen Winzern gibt es kaum noch. Dafür eine große Welle des Zusammenhalts.

5.) Weniger Konkurrenz, mehr Zusammenhalt

„Bei älteren Generationen hat es die Freundschaft nicht so gegeben“, sagt Franz-Josef Tschermonegg. Seine Generation aber würde den Weinbau als „etwas Gemeinsames“ betrachten. „Da schafft man einfach mehr.“ Tschermonegg ist deshalb Teil der Vereinigung „Sieme“, in der sich sieben südsteirische Jungwinzer zusammengeschlossen haben. Auch für andere Bundesländer gibt es Pendants – "Rebentanz" in Wien, bundesländerübergreifend die eingangs erwähnten „Jungen Wilden Winzer“ oder im Burgenland das Projekt „Junges Burgenland – Next Generation“.

Das große Bestreben der jungen Winzerinnen und Winzer ist da wie dort, Traditionen zu erhalten, weiterzudenken und nach außen zu tragen. „Alle meine Freunde und Kollegen haben hier denselben Spirit“, merkt Benita Lobner aus dem südlichen Weinviertel an. „Wir sind extrem dankbar, ein Stück Land bewirtschaften zu dürfen. Wir alle haben das Bewusstsein: Das, was ich jetzt mache, ist auch für die nächste Generation.“

Kommentare