Trauerredner: "Es wird gespart und oft gibt es überhaupt keine Erwartungen"

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Die nächste Generation bestattet anders, wünscht sich oft, dass es einfach nur "erledigt" ist, verrät ein Trauerredner. Wie die Branche darauf reagiert.

Schon als Kind hat Max Paul bei Bestattungen ausgeholfen. Es war "immer lustig, hatte etwas Exotisches", erinnert er sich. Und es brachte Geld ein. Beruflich verschlug es ihn nach einem Studium an der TU Wien in den Industriebereich. Aber durch "eine Anhäufung an Zufällen" kam er 2012 ins Bestattungswesen zurück – als selbstständiger Trauerredner. Jetzt hat er die Agentur Callas mit Sitz in Mödling übernommen und vermittelt professionelle Trauerredner für das letzte Geleit. Ob das ein gutes Geschäft ist und was Hinterbliebene heute erwarten, verrät er im Interview.

KURIER: Sind Trauerreden ein gutes Geschäft?

Max Paul: Das ist ein stabiles und funktionierendes Geschäft, ganz sicher. Weil die Aufträge zu einem überwiegenden Teil über die Bestattungen kommen und solange diese Bedarf haben, landen die Anfragen auch bei uns.

Wenden sich auch Privatpersonen an Sie, nimmt die Nachfrage zu? 

Es ist in der Tat so, dass der Direktbucheranteil leicht steigt und dass vermehrt Anfragen über die Webseite reinkommen von Menschen, die sich das Begräbnis selbst zusammenstellen. 

Was erwartet sich der Kunde heute von einem Trauerredner?

Er muss in erster Linie eine gewisse Autorität und Seniorität mitbringen und mit Ruhe durch diese Zeremonie führen. Der Friedhof ist nach wie vor ein Minenfeld der Tabus und Gebräuche. Da ist es immer gut, wenn einer vorne steht, der sagt: So machen wir das jetzt. Es geht also gar nicht so sehr um einen künstlerischen Beitrag, sondern um eine solide Begleitung. 

Was braucht es, um diese zu gewährleisten?

Das Wichtigste ist ein paar Tage zuvor das Gespräch mit den Hinterbliebenen. Hier passiert die Magie. Man muss die Fähigkeit haben, einzutauchen, den Familien so nahe aber auch so distanziert wie möglich zu bleiben. Sie sind in aller Regel völlig überfordert und fragen sich: Was schreibt man, was sagt man? Es werden mitunter die wunderlichsten Details auf Servietten geschrieben und fotografiert. Da muss man eintauchen, hinterfragen, ob es mehr gibt zu einer Person. Das ist dann die Kunst – da unterscheiden sich die, die Schablonenreden halten und nur das Datum und den Namen einsetzen, von denen, die wirklich eine Geschichte aufbauen.

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Max Paul vermittelt professionelle Trauerredner mit seiner Mödlinger Agentur Callas. Er studierte Informatik, war viele Jahre in der Industrie tätig, 2012 begann er seine selbstständige Tätigkeit als Trauerredner.

Was wissen Hinterbliebene von Verstorbenen? Sind es Anekdoten, Wesenszüge oder Lebensstationen?

Sie fangen immer mit den Lebensstationen an. Mit der Lehre, der Arbeit, den biografischen Hausnummern. Stellt man aber die Frage: Was ist das Vermächtnis, was hat die Person für Spuren hinterlassen, dann wird es spannend. Da kommt oft etwas sehr Schönes.

Wir traurig darf eine Trauerrede sein? Als Trauerredner wird man vermutlich wissen, welche Momente auf die Tränendrüse drücken – schaut man bewusst, dass es erträglicher wird?

In aller Regel schon. Es ist ohnehin dunkel und düster genug, da muss man nicht auch noch schwarze Farbe aufschütten. Wenn es aber so ist, wie es ist, wenn es sehr traumatische Erfahrungen waren, kann man das Kind schon beim Namen nennen. Mit: „Das Leben war nicht schön, der Verstorbene hat selten die Sonne aufgehen sehen.“ Man muss es nicht künstlich aufhellen. Aber es ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Wie sehr sind Ihre Redner im Einsatz? Ist es ein Hauptberuf oder Nebenjob?

Es sind welche dabei, die sind in Pension, andere sind bei der Berufsfeuerwehr, haben jeden zweiten Tag frei und wissen heute schon, wie sie im März arbeiten. Zwei machen es zum schnöden Gelderwerb und sind gut gebucht. Aber die individuelle Auslastung ist sehr unterschiedlich. Es gibt ein, zwei Leistungsträger, die jeden Tag ein bis zwei Aufträge haben und andere haben ein paar im Monat.

Oft haben Trauerredner einen künstlerischen Hintergrund, kommen aus dem Schauspiel. Bei Ihnen nicht.

Ich habe auch eine Schauspielerin im Team, aber das ist gar nicht so das, was gefragt ist – auch wenn jeder natürlich seinen Markt hat. Das Feedback von den Bestattern und Kunden ist aber: Je ländlicher, desto weniger theatralisch. Die Leute wollen eine solide Begleitung, jemanden, der ihnen nach dem Schnabel redet. Wenn ich irgendwo im Weinviertel bin, brauche ich keine Gedichte vorlesen. Aber wenn ich in Döbling bin und der Herr Universitätsprofessor begraben wird, kann ich vielleicht schon ein lateinisches Zitat einbauen.

Was lässt sich als Trauerredner verdienen? 

Wenn man fleißig ist, kann man schon gut im vierstelligen Bereich, oder im mehrfach vierstelligen Bereich verdienen.

Im Monat. 

Ja.

Sie haben jetzt die Geschäftsführung von Ihrem Vorgänger übernommen – was ist das Ziel, was muss getan werden?

Es geht nicht darum, die Welt auf den Kopf zu stellen. Es ist ein bisschen was am Marktauftritt zu tun, die Webseite muss neu werden und natürlich mit dem Portfolio in die Zukunft schauen.

Bedeutet? 

Was man jetzt sieht: Die Klienten, also die Auftraggeber sind deutlich jünger. Man merkt, da ist eine neue Generation und die hat auch eine ganz andere Herangehensweise. Die „schene Leich“, wie es sie früher gegeben hat, wird immer seltener.

Es wird viel gespart. 

Es wird gespart und oft gibt es überhaupt keine Erwartungen. Sie wollen gar nichts, vielleicht nur Musik und ihre Ruhe. Aber dann steht die Urne dort und keiner sagt was. Da ist auch Verdruss. Also sagen die Bestatter, man bräuchte jetzt irgendein Zwischenprodukt. Nicht mehr das ganz Individuelle, die tiefe Rede, auf die ich mich als Hinterbliebener auch einlassen muss. Das wollen viele nicht. Sie wollen eine Erledigung und für die braucht es eventuell eine neue Art von Zeremonie, die ein bisschen moderner kürzer, knackiger ist und auch von den Ritualen ein bisschen anders funktioniert. Da darf man nicht stehen bleiben.

Wie schließt man eine Trauerrede?

Die Rede muss so gebaut sein, dass es vollkommen klar ist, dass das jetzt das Ende ist. Man kann sich von den Kollegen aus dem liturgischen Bereich etwas ausborgen und sagen: „Jetzt sind es die Enkel oder Urenkel, die das Feuer in die Zukunft tragen“ oder man sagt: „Viele Aufgaben haben wir nicht mehr, eines ist noch offen: Den Weg miteinander gehen.“ Dann nimmt man die Mama in die Mitte und begleitet sie hinaus. Kondukt, aus. Das ist auch das Gebot der Stunde am Friedhof: Sehr klare Ansagen machen, was jetzt kommt. Da sind alle sehr dankbar.

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