Rund 400.000 Studentinnen und Studenten gibt es in ganz Österreich
Obwohl weitgehend unbekannt, vervielfachen sich in diesen Studien die Anmeldungen. Warum das so ist, wie viel sie wert sind und welche Fähigkeit niemals fehlen darf.
Als die Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz 2019 erstmals das „Artificial Intelligence“-Studium in ihren Katalog aufnahm, rechnete man mit 30, maximal 50 Studierenden, erinnert sich Uniprofessor Günter Klambauer. Aber schon im ersten Jahr saßen 400 Studierende im Hörsaal – und es wurden jährlich mehr. Aktuell zählt die JKU rund 2.200 AI-Studierende.
Nicht nur die künstliche Intelligenz zieht Studis an, auch weniger prominente Studiengänge erleben gerade einen unerwarteten Boom. Welche Studien das sind und was der Arbeitsmarkt davon hält, will der KURIER wissen.
Und fragt zunächst die Statistik Austria. In diesem Fall lag eine solche Analyse nicht vor. Aber aus den zur Verfügung gestellten Hochschuldaten der Statistik Austria lassen sich dennoch so manche Aufwärtstrends herauslesen.
Etwa in Österreichs Fachhochschulen, wo Studien wie „Creative Computing“ seit 2021 knapp 100 neue Studierende begrüßen durften (von 72 auf 173). Einen prozentuell großen Sprung machte auch „Smart Automation“ mit 389 Prozent (die Zahl stieg von neun auf 44 Studis). Auffallend ist auch die Medizin-, Gesundheits- und Sporttechnologie, die einen Zuwachs von 242 Prozent hatte (von 38 auf 130), sowie „Smart Building Technologies“ mit einem Plus von 185 Prozent (von 13 auf 37 Studis).
Und wie schaut es an den öffentlichen Universitäten aus? Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung bietet hier Einblicke in die vergangenen fünf Jahre. Und stellt einige boomende Studien vor.
Seit dem Wintersemester 2020 ist die Studierendenanzahl in der Informatik auf insgesamt 3.657 gestiegen. Ein Zuwachs von 47,5 Prozent. Dazu zählen etwa Studienrichtungen wie „Software Engineering“, „Internet Computing“ und eben auch das „AI“-Studium an der JKU.
Ein Trend, den Wilfried Gansterer, Dekan der Informatik-Fakultät an der Uni Wien, bemerkt. „Bei uns war der Andrang so hoch, dass wir im Bachelorstudium eine Zugangsbeschränkung einführen mussten. Wir konnten mit unseren Ressourcen nicht mehr nachkommen“, berichtet er. Neu sei das jedoch nicht. In der Informatik komme es immer wieder zu großen Trendbewegungen, die sich aber nach einiger Zeit wieder normalisieren, erklärt Gansterer.
Aktuell beobachtet er etwa den Hype rund um datengetriebene Studien wie „Data Science“. Als einen möglichen Grund für die Beliebtheit vermutet er die intensive Bewerbung von MINT-Berufen: „Den Leuten ist bewusst, dass sie mit solchen Ausbildungen am Arbeitsmarkt sehr gute Chancen haben.“
Dazu kann auch Jutta Perfahl-Strilka mehr erzählen. Als CEO der Karriereplattform hokify weiß sie, was sich im Lebenslauf aktuell gut macht. Im Bereich Digitalisierung und Datenmanagement wird man als Jobsuchender auf jeden Fall fündig, sagt sie. „85 Prozent der Firmen nutzen KI, aber nur 25 Prozent arbeiten intensiv am Datenmanagement.“ Ein großes Versäumnis, wie sie meint. „Daten sind die Basis der Künstlichen Intelligenz. Wir brauchen unbedingt Personen, die Businessdaten verstehen und verwerten können. Das ist ein absoluter Zukunftsberuf“, ist Jutta Perfahl-Strilka sicher.
Und die Bezahlung? Mit einem IT-Bachelor kann man laut hokify mit einem Einstiegsgehalt von 2.800 bis 3.100 Euro brutto im Monat rechnen.
Jutta Perfahl-Strilka ist CEO der Karriereplattform hokify
Biomedical-Engineering
(Human-)Medizin-Interessierte, die es nicht in ärztliche Berufe zieht, würden sich häufig für das „Biomedical Engineering“-Studium entscheiden – oder, falls sie sich an der JKU inskribieren, für „Medical Engineering“. So erklärt sich jedenfalls Werner Baumgartner, Institutsleiter an der Kepler-Uni, den hohen Studienandrang. „Ich nehme stark an, dass wir auf der Medizin-Welle mitreiten“, fasst er seine Theorie zusammen. Uniübergreifend ist seit 2020 die Zahl an Studierenden um 53 Prozent gestiegen und liegt aktuell bei 693 Studis.
Baumgartner beschreibt das Studium außerdem als sehr technisch. Man beschäftigt sich unter anderem mit der Herstellung von medizinischen Geräten sowie Produkten und forscht auch an neuen Therapie- sowie Diagnoseverfahren. Alles im „Dunstkreis der Medizin“, sagt er.
Laut Jutta Perfahl-Strilka fällt das Studium unter die Kategorie „MINT, Automatisierung, Technik und Mechatronik“. Also ein absoluter Dauerbrenner am Arbeitsmarkt, sagt sie. Vor allem, wenn man sich für einen systemerhaltenden Job entscheidet. „Auch Wartung, Sicherheit, Transport, Logistik: Alles, was infrastrukturell notwendig ist, wird künftig sehr gefragt sein.“
Technik-Bachelorabsolventen blicken auf ein Einstiegsgehalt von 3.000 bis 3.500 Euro brutto im Monat. Mit einem Master sind bis zu 4.000 Euro brutto monatlich möglich.
Die Top 20 frequentiertesten Studienfächer an Österreichs öffentlichen Unis
Auch heuer gibt es eine Liste mit den beliebtesten Studienrichtungen an öffentlichen Universitäten. Das Bildungsministerium hat die Top 20 der meistbesuchten Studien ermittelt. Insgesamt starteten 62.915 Studierende in das Wintersemester 2024/2025. Mehr als die Hälfte (56,7 Prozent) waren Frauen.
Rund 60 Prozent der Studis haben sich für die beliebtesten Studien entschieden. Allen voran die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, die mit 5.094 Studienanfängern Platz eins der Liste belegen.
Platz zwei geht an die Informatik. Ein Studium, für das sich offenbar viele Männer interessieren. 75 Prozent der Studis sind männlich. Nur das Bauingenieurswesen ist mit einem Anteil von 64 Prozent ähnlich männerdominiert.
Klar weiblich besetzt sind dagegen die Pädagogik (85,5 Prozent), die Publizistik (81 Prozent), die Pharmazie (76 Prozent) sowie Anglistik und Amerikanistik (76 Prozent).
Grüne Boku-Studien
Der Universität für Bodenkultur (BOKU) fällt ein steigendes Interesse an all ihren Bachelorstudien auf. Die „Lebensmittel- und Biotechnologie“-Studien haben in den vergangenen fünf Jahren einen Zuwachs von 83 Prozent verzeichnet (von 206 auf 560 Studis). Studien wie Kulturtechnik, Wasserwirtschaft und Umweltingenieurwissenschaften konnten wiederum einen Anstieg von 45,2 Prozent verzeichnen (von 217 auf 315 Studis).
Auch die Landschaftsplanung und -architektur boomt, sagt Rita Mayrhofer vom Institut für Landschaftsplanung. „Seit mehreren Jahren haben wir einen deutlich stärkeren Zulauf und rund 300 Neuinskribierte pro Jahr.“ Der Grund liege auf der Hand: Durch den Klimawandel würden Studierende mehr Nachhaltigkeit und Green Skills fordern, erklärt Mayrhofer. „Sie wollen wirksam werden und Räume zukunftsfit machen.“
Mit dem breiten Studienangebot will man den Alumni auch ein breites Spektrum an Karrieremöglichkeiten bieten – mit verschiedensten Schwerpunkten, sagt Mayrhofer. „Die Boku fördert deswegen auch Entrepreneurship, weil wir wissen, dass die Studierenden nicht immer den traditionellen Berufsweg gehen werden. Viele Berufsbilder gibt es noch nicht.“
In der Gehaltsliste von Perfahl-Strilka landen BOKU-Alumni weiter unten. Mit einem Abschluss in Lebensmittel- und Umwelttechnik steigt man mit einem Gehalt von 2.700 Euro brutto im Monat ein.
Gefragt ist dieses grüne Fachwissen aber auf jeden Fall. Laut hokify haben sich die ausgeschriebenen Stellen in der Umwelttechnik in den vergangenen drei Jahren verdreifacht und in der Lebensmitteltechnik verdoppelt.
Trotzdem braucht es für gute Jobaussichten vor allem eines: den Wirtschaftsaspekt, weiß Jutta Perfahl-Strilka. Bedeutet: Egal, für welche Ausbildung man sich letztlich entscheidet – solange man einen wirtschaftlichen, unternehmerischen Dreh findet, fällt auch die Jobsuche leicht.
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