Pleite gegangen und fallen gelassen: Der Konkurs der Theresa Imre
Seit neun Monaten kämpft Theresa Imre – niemanden interessiert es mehr. Ihr urbaner Bauernmarkt „markta“ ist pleite. (Der KURIER hat berichtet.) Der Konkurs ist schlimm, noch schlimmer aber ist, wie Behörden und das System die gescheiterte Unternehmerin fallen lassen.
KURIER: Wie geht es Ihnen?
Theresa Imre: Es war mein herausforderndstes Jahr. Ich kann zum Glück auf das zurückgreifen, was ich mit markta gelernt habe: resilient zu sein und zu wissen, wie man Abstand gewinnt. Wenn es schwierig wird, man allein ist, beginnt man zu lernen. Und wächst mit der Aufgabe.
Welche Erkenntnis kam mit dem Konkurs?
Es hat mir gezeigt, dass nachhaltige und faire Modelle im heutigen System nicht bestehen können. Weil es die gesamtpolitische Ausrichtung nicht will und weil die Konsumenten es letztlich nicht wollen.
Wie meinen Sie das?
Die EU verabschiedet sich vom Green Deal – Ernährungssicherheit und Versorgung sind im Zentrum, Masse und Effizienz. Nicht aber die Qualität und woher etwas kommt. Konsumenten wollen gesunde, faire Bio-Lebensmittel, aber kaufen sie nicht. Ich beschreibe es als den umgekehrten Porno-Effekt: Pornos schaut niemand, aber die Industrie boomt. Bio wollen alle, aber die Umsätze gehen zurück. Soziale, gesellschaftliche Projekte haben derzeit keine Chance. Wir entwickeln uns in eine Richtung, wo wir nur noch auf Zahlen schauen und die Menschen vergessen.
Was ist seit April passiert?
Wir wickeln ab. Mit Konkursen kennen sich aber nur wenige aus. Es gibt keine Stelle, an die man sich wenden kann. Nicht mal Wirtschaftskammer: Die sagen lapidar, man möge sich einen Anwalt leisten. Man wird schnell fallen gelassen.
Die Masseverwaltung kümmert sich.
Ja, stimmt. Meine Masseverwalterin hat gesagt, so was wie mich gibt es selten. Die meisten sind ganz schnell und wollen möglichst billig zusperren. Aber ich will alles ordentlich abschließen. Ich habe ein Netzwerk von 300 Betrieben und werde die Mission und Haltung von markta aufrechterhalten. Wir waren für viele kleine Lieferanten die Hauptverkaufsstelle. Ich sehe es als meine Pflicht, möglichst viel Masse reinzubekommen, um auch mehr verteilen zu können. Das könnte mir alles auch egal sein, aber so bin ich nicht.
- Gegründet 2017 als Direktvermarkter: Lebensmittel kommen vom Bauern zum Konsumenten.
- Zwei Geschäfte in Wien. Mitarbeiter 31.
- Investorengelder: 7 Mio. Euro, darunter auch Crowdfunding mit 600.000 Euro.
- Fördergelder: 1,4 Mio Euro.
- Umsatz gesamt: 9 Mio. Euro netto, davon flossen 7,2 Mio. Euro an die Bauern zurück.
- Löhne/Gehälter gesamt: 6,5 Mio. Euro brutto.
- Steuern und Abgaben (v.a. Lohnsteuer und USt.): 4,4 Mio. Euro.
- Im April 2025 Konkurs, weil ein Investor ausfiel.
- Es gibt offene Rechnungen von 250.000 Euro. Mit Bankschulden und Darlehen der Investoren ergibt das Konkursvolumen ca. eine Million Euro – die endgültige Abrechnung ist noch nicht erfolgt.
Rückblickend: Wo hat Ihr Geschäftsmodell versagt?
Wir haben eine extrem hohe Marge für die Bauern gehabt. Im Supermarkt landen 4 von 100 Euro beim Bauern, bei markta waren es 70 von 100 Euro. Wir konnten also nur über Wachstum reüssieren, nicht über die Marge. Wir hätten in der Skalierung fünf Geschäfte gebraucht, bei zwei war aber Schluss. Es ist wahnsinnig schwierig, in Österreich zu skalieren. Wir haben es nicht geschafft.
Sie sind in einen Sektor gegangen, der von wenigen, großen Playern bespielt wird. War es naiv zu glauben, dass Ihr Konzept funktionieren kann?
Ja, aber es war gut, dass ich naiv war. Ich erlebe eine unfaire Marktsituation und ich wollte etwas aufbrechen. Weil es für unsere gesellschaftliche Zukunft wichtig ist. Zudem: Als wir gegründet haben, gab es ein komplett anderes Markt- und Politik- Umfeld. Grün ist vom Tisch, die Wirtschaft ist in der Krise. Das Gute ist unwichtig geworden, denn in der Wirtschaftskrise ist alles egozentrisch.
Wie haben Sie das Scheitern persönlich erlebt?
Auf der zwischenmenschlichen Ebene geht man relativ offen damit um. Man ist interessiert und betroffen. Das Thema Scheitern hat außerdem gerade ein Momentum – weil große Fälle das Thema ins Licht rücken und auch viele Firmen Personal abbauen.
Haben Sie Existenzangst?
Wenig. Auch wenn es für mich existenzkritisch ist. Ich hafte ja privat für den Bankrahmen. Jeder glaubt, weil es eine GmbH ist, ist die Haftung beschränkt. Aber man kriegt in der Anfangsphase nur einen Bankrahmen mit privater Haftung – ich kenne kein Start-up, wo das nicht so wäre. Ich habe Schulden, klar.
Wie ist das Verhältnis zu den Investoren heute?
Sehr gut, weil das Menschen sind, die die Idee mitgetragen haben. Es ist bitter für alle, weil es Verluste gibt und Millionen verloren wurden.
Wovon leben Sie heute?
Ich habe mir privat Geld von Familie und Freunden ausgeborgt – ein Darlehen. Anders geht es nicht.
Und wie geht es weiter?
Wenn alles abgeschlossen ist, will ich mich mental erholen. Ich muss raus aus dieser ständigen Alarmsituation. Wenn das Handy klingelt, zucke ich oft noch zusammen. Ich will die Geschichte aufarbeiten, kann mir auch eine Verbandstätigkeit vorstellen. Ich wäre gerne eine Stimme für die kleinen, guten Betriebe, die in Österreich produzieren. Aber ein Handelsunternehmen gründe ich garantiert nicht mehr.
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