Gleich und doch anders
Das Momentum Institut nimmt als Basis zwei idente, fiktive Personen – Person A und Person B. Beide haben einen Master-Abschluss in Informatik, starten mit 24 Jahren in den Beruf und bekommen ein Einstiegsgehalt von 65.800 Euro brutto jährlich (44.000 Euro netto). Damit zählen sie übrigens schon beim Berufseinstieg zu den Topverdienern Österreichs. Die oberen 25 Prozent starten laut Einkommensbericht des Rechnungshofs bei einem Brutto-Jahresgehalt von 63.000 Euro.
Beide Personen wohnen zunächst zwei Jahre bei ihren Eltern, sparen einen Polster von 60.000 Euro an. Person A bekommt als Startkapital zusätzlich 100.000 Euro von den Eltern und investiert das Geld in eine Immobilie. Dafür nimmt sie einen Kredit in Höhe von 140.000 Euro auf. Jährlich spart sie zusätzlich 11,7 Prozent des Nettogehalts.
Person B wohnt unterdessen zur Miete und kann deshalb in der Momentum-Berechnung weniger Geld sparen. Indessen gewinnt die Immobilie von Person A jährlich drei Prozent an Wert. Also verkauft Person A die erste Immobilie, kauft eine größere und nimmt dafür einen neuen Kredit mit 255.000 Euro auf. Person B wird sich erst 2050 eine Immobilie leisten und trotzdem einen Kredit in Höhe von 250.000 Euro benötigen. Bis ins Jahr 2050 summiert sich der Vermögensunterschied zwischen Person A und Person B auf eine knappe Million Euro. Ob diese Berechnung realistisch ist?
Der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria äußert Zweifel. Zum einen hinterfragt er die Sparquote. Auch ein Kredit würde schließlich Risiken bergen. Eine Person, die zweimal kreditfinanzierte Immobilien kauft, könnte vermutlich nicht mehr, sondern eher weniger sparen als ein Mieter, schätzt die Agenda Austria. Auch die Wertsteigerung der Immobilie um drei Prozent pro Jahr sieht sie skeptisch. Wie groß die Vermögenslücke wirklich ist, bleibt somit unklar. Den Startvorteil, den Person A genießt, möchte aber auch das wirtschaftsliberale Institut nicht absprechen.
Schon 100.000 Euro sind nicht mehr aufzuholen
100.000 Euro mögen vielleicht nach keinem Vermögen klingen, jedoch sind sie „nahezu unmöglich aufzuholen“, erklärt Franziska Disslbacher von der Wirtschaftsuniversität Wien dem KURIER. Natürlich gibt es Ausnahmefälle, merkt die Wissenschafterin an, aber die wären „ganz stark getrieben durch Glück.“ Außerdem wäre eine Geld-Erbschaft, schon bevor man sie erhält, mit vielen Vorteilen verbunden.
Sie spricht von sozialem Kapital – wie man artikuliert, verhandelt, sich präsentiert, kann zusätzliche Einkommensvorteile im Berufsleben bringen. „Alleine die Erwartung einer Erbschaft – also zu wissen, dass man einmal erben wird, führt tendenziell dazu, dass man risikoreichere Entscheidungen trifft, die möglicherweise zu höherem Einkommen führen“, erklärt sie. In dem Wissen, ausreichend Kapital zur Verfügung zu haben, könne man unbezahlte Praktika annehmen, die sich in der Karriere als Vorteil erweisen, bessere Ausbildungen genießen, Auslandserfahrungen sammeln.
Zusammengefasst: Geld schafft Möglichkeiten und beeinflusst Karriereverläufe, auch wenn die wissenschaftliche Datenlage dazu laut Disslbacher international noch spärlich wäre. „Aber alle Erkenntnisse, die es gibt, suggerieren, dass es für die Erwerbskarrieren deutliche Unterschiede gibt.“
Wer mehr Geld zur Verfügung hat, landet tendenziell in Jobs, die höher bewertet und damit besser entlohnt sind – das belegen mehrere britische Studien. Doch gerade in Österreich ließe sich das Phänomen deutlich erkennen, so die Forscherin. „Es gibt Berufe, die ganz stark mit hohen Erbschaften korrelieren“, sagt sie und nennt mitunter die Zahnmedizin, das Notariat, die Anwaltei oder die Medienbranche. „Deswegen ist es wichtig, Geld-Erbschaft als nur einen Mechanismus zu sehen, mit dem viele Dinge einhergehen, die passieren, bevor die Leute überhaupt geboren sind.“
Die Anzahl der Menschen mit Startvorteil wächst übrigens. Bis 2050 geht man davon aus, dass sich das Erbschaftsvolumen verdoppelt und die Geldspritze somit ein immer wichtiger Bestandteil des Lebenseinkommens wird.
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