Zwei aktuelle Reports offenbaren die Gehälter der Österreicher. Wo es Top-Gagen ohne Führungsverantwortung gibt und wie sich in niedrig bezahlten Jobs gut verdienen lässt.
Das eigene Gehalt offenlegen, wollen die wenigsten. Könnte es doch deutlich höher – oder, gottbewahre – niedriger sein als das der anderen. Also setzt man traditionell auf den stillen Vergleich und der ist jetzt einfacher denn je.
Denn innerhalb weniger Wochen erschienen zwei umfassende Gehaltsreports über die Einkommen der Österreicher. Der 250 Seiten starke Einkommensbericht des Rechnungshofs, der sich auf Daten der Statistik Austria stützt. Und der Gehaltsreport 2025 der Jobplattform Stepstone, der mit knapp 60.000 Datensätzen laut Experten äußerst akkurat ist.
Aber nicht in allen Punkten stimmen die Berichte überein. Deshalb bat der KURIER drei Experten um ihre Analyse.
Und fand heraus, wie viel der Durchschnitt wirklich verdient, in welchen Jobs sich sogar ohne Führungsverantwortung ein Top-Gehalt sichern lässt und wie man auch in schlecht bezahlten Branchen einen guten Verdienst lukrieren kann.
Verdienen Sie 55.000 Euro brutto pro Jahr?
55.000 Euro brutto pro Jahr verdient laut Stepstone der österreichische Vollverdiener. Prämien, Boni, 13. und 14. Gehalt inklusive. Es handelt sich um den Median, also um den Wert, der genau in der Mitte liegt. Dieser ist aussagekräftig, weil er nicht durch Ausreißer nach oben oder unten verfälscht wird. Umgerechnet sind das rund 3.900 Euro brutto pro Monat – doch wie realistisch ist dieses Einkommen wirklich?
„Absolut realistisch“, sagt Gehaltsexperte Conrad Pramböck, dessen Spezialgebiet, seit über 25 Jahren Gehaltsstudien sind. Einstiegsgehälter unter 35.000 Euro Jahresbrutto gibt es kaum noch, sagt er. Selbst bei Handwerksberufen wären 40.000 Euro mittlerweile beim Berufseinstieg möglich.
Auch der Rechnungshof geht bei den ganzjährig Vollzeitbeschäftigten von 51.500 Euro brutto (Mittelwert) aus. Jedoch stützt sich dieser auf Daten von 2022 und 2023. Seitdem gab es inflationsbedingte Erhöhungen um bis zu sieben Prozent erklärt Pramböck. „Rechne ich das auf 2024 hoch, komme ich ziemlich genau auf die 55.000 von Stepstone.“
Die neuen Topverdiener starten bei 63.000
Wer zu den Topverdienern zählen will, muss in die oberen ein bis 25 Prozent, erklärt Gehaltsprofi Martina Ernst. Laut Rechnungshof-Daten wäre das bereits ab 63.000 Euro Bruttojahreseinkommen unter Vollzeitbeschäftigten gegeben. Stepstone zieht die Grenze bei 71.000 Euro.
Wer das bei weitem übersteigt, sind Ärzte. Sie belegen mit 109.750 Euro Jahresbrutto in den einzelnen Berufsgruppen klar den ersten Platz im Gehaltsreport. Manager reihen sich mit 72.750 Euro weit abgeschlagen hinter sie.
Doch wie sieht es in den Branchen aus? Welche zahlen am meisten? Hier sind sich Rechnungshof und Stepstone uneins. Die Gehaltsexperten klären auf.
Die Klassiker unter den Bestverdienern: Banken, IT und Pharma
Dass, zumindest bei Stepstone, Banken, IT und Pharma im Branchenvergleich führend sind (siehe Grafik oben), ist keine Überraschung, sagt Conrad Pramböck. Selbst in Gehaltsstudien der 1970er-Jahre wäre das schon so gewesen, sagt er und wagt eine Prognose: „Zu unseren Lebzeiten wird sich das auch nicht ändern“. Wobei ihm eine Branche in den Top-3 fehlt, aber dazu später mehr.
Zwischen 71.750 und 68.500 Euro brutto pro Jahr verdienten Angestellte in Banken, IT und Pharma auf Vollzeitbasis im Median. Und haben trotz Top-Gage vermutlich keine Führungsfunktion inne, weiß Personalberaterin Charlotte Eblinger-Mitterlechner, die auf diese Sektoren spezialisiert ist.
In der Pharmaindustrie wären 70.000 Euro brutto für Jobs im Außendienst oder im Produktmanagement üblich. Meist handle es sich um Akademiker mit naturwissenschaftlichem oder Wirtschaftsstudium im Hintergrund. „Pharmazie ist möglich, aber haben die wenigsten.“ Stattdessen streben sie früh interne Karrieren an, ein Quereinstieg wäre „total schwierig“. „Je mehr Spezialisierung, desto mehr zahlt es sich aus“, sagt die Expertin.
Ein Grundsatz, der sich auf viele Berufe ummünzen ließe. Jedoch wäre auch der konkrete Bereich, in dem man arbeitet, ausschlaggebend für ein besseres Gehalt, erklärt Eblinger-Mitterlechner und gibt ein Beispiel. „In der Pharmaindustrie verdient man in der Diabetes beispielsweise weniger als in der Onkologie.“ Bei Banken wäre man finanziell im Privatkundenbereich besser aufgehoben. Doch die Plätze sind limitiert. „Die Konkurrenz ist groß, man muss sich durchsetzen“, weiß die Personalexpertin. Oder den Schritt in eine andere Branche wagen.
Etwa in die Energie: Der deutliche Einkommensgewinner des Rechnungshofberichts.
Der klare Branchensieger im Verdienst: Energieversorgung
Bei Stepstone sind die Energieversorger auf Platz sechs – dort gehören sie aber nicht hin, weiß Conrad Pramböck. Er sieht sie weit oben in der Liste, wenn nicht sogar auf Platz eins. Und das belegen auch die Daten von Statistik Austria. 76.208 Euro brutto im Jahr verdienten ganzjährig Vollzeitbeschäftigte im Energiesektor und lassen damit andere Branchen weit hinter sich.
Warum die Energie so gut zahlt?
Die Energieversorgung habe einen großen Vorteil, erklärt Pramböck: „Sie hat einen unfassbar hohen Kollektivvertrag. Er liegt im absoluten Top-Bereich.“ Im Energiesektor gäbe es ein striktes Gehaltssystem, fast „beamtisch“, verrät der Profi. Es gibt kaum Verhandlungsspielräume und daher wenig Bedarf, sich an externen Studien zu beteiligen. Was erklärt, warum die Datenlage des Jobportals in diesem Bereich etwas zu dünn ist.
Wo Jobs in der Energie konkret warten?
Beim Verbund oder den Landesenergieversorgern, sagt Pramböck. „Da gibt es vom Akademiker bis zum Schlosser alles.“ Jedoch ist auch im Energiesektor der Quereinstieg schwierig. „Die Versorgungssicherheit muss gewährleistet sein. Da muss ich auf höchste Verfügbarkeit achten und auf die beste Qualifikation“, erklärt Pramböck. „Das unterscheidet sie aus meiner Sicht auch von anderen Branchen“, sagt er. Wobei genau in der am schlechtesten bezahlten Branche voller Einsatz und Professionalität ebenfalls tonangebend sind.
Ganz unten auf den Gehaltslisten: Beherbergung und Gastronomie
Es ist wie das Amen im Gebet – aber den letzten Branchenplatz sichert sich die Gastronomie und Beherbergung. Und zwar in beiden Einkommensberichten. 43.000 Euro brutto sind es laut Stepstone, 32.244 Euro laut Statistik Austria, die ganzjährig Vollzeitbeschäftigte verdienen. Doch ist das für bare Münze zu nehmen?
Nicht unbedingt. Trinkgelder sind unversteuert, scheinen deshalb in Erhebungen kaum auf und können je nach Art und Lage des Lokals zwischen 100 und 1.000 Euro pro Monat ausmachen, sagt Martina Ernst. „Rechnet man das zum derzeitigen Median eines Gastro-Mitarbeiters dazu, nähert man sich dem Österreich-Median schon an“, sagt Ernst.
Die Wahl des Betriebs ist somit ausschlaggebend. Wo sind die Gäste spendabler und wo genügend Tische vorhanden, die sich regelmäßig füllen können? Die Unternehmensgröße ist schließlich für alle Branchen ein guter Indikator fürs Gehalt (je größer, desto besser) und könnte bei der Jobwahl eine wichtige Rolle spielen.
Was Gastro-Mitarbeitern jedoch häufig einen Strich durch die Rechnung macht, ist ihre Ausbildung, erkennt Martina Ernst. Ein hoher Anteil würde „nur“ einen Pflichtschulabschluss vorweisen. „Ein Faktor, der das Gehalt entscheidend bestimmt.“ Wie die folgende Grafik veranschaulicht.
Denn will man sein Einkommen, egal in welcher Branche, steigern und so in höhere Positionen gelangen oder gar eine Führungsrolle einnehmen (zum Beispiel F&B Manager in Hotels oder diplomierte Pflegekraft in Gesundheitseinrichtungen), kommt man um eine fundierte Ausbildung oder einen akademischen Abschluss kaum herum.
Dass es aber selbst bei Uni-Abschluss keine Garantie für Top-Gagen gibt, stellt eine Branche unter Beweis: Agentur, Werbung, Marketing und PR. Sie landete auf der Stepstone-Liste der Branchen mit dem niedrigsten Gehalt.
Studiert haben im Bereich Marketing und PR viele. Mit 52.000 Euro Jahresbrutto erreichen Vollzeitkräfte aber nicht einmal den Österreich-Median. „Es ist cool und sexy dort zu arbeiten, wird medial hochgehoben“, sagt Pramböck und bezieht sich dabei auf Serienhits wie „Emily in Paris“. „Aber viel Geld verdienen, kann man dort nicht. Höchstens als Eigentümer oder Geschäftsführer.“
Wo man wieder an dem Punkt wäre: Verantwortung übernehmen, ist immer eine gute Möglichkeit, dem Einkommen einen Schubs zu verpassen. Aber nicht die Einzige.
Vier große Hebel zur Gehaltssteigerung
Gehaltsverhandlungsprofi Martina Ernst fasst es zusammen: Branchenschnitte weisen ein zu erwartendes Gehalt aus. Lassen sich aber überbieten, wenn man neben fundierter Ausbildung (Hebel eins) und einem hohen Verantwortungsgrad (Hebel zwei) diese zwei weiteren Hebel betätigt:
Hebel drei: Dem Unternehmen einen Mehrwert bieten. Dieser kann vielseitig aussehen und reicht von sinnvollen Ideen (Innovationen) über deutlich höhere Umsätze als vorgegeben (ein Kellner könnte die Pro-Kopf-Konsumation steigern) bis hin zu verbesserten Prozessen.
Hebel vier: Angebot und Nachfrage im Blick haben. Schließlich lassen sich bei heiß begehrten Berufen Gehälter besser aushandeln. Ist der Marktwert des eigenen Jobs gestiegen und bekommen Neueinsteiger fast mehr bezahlt als man selbst, ist es vielleicht an der Zeit, in Verhandlung zu treten.
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