Tabak-Manager: "Es werden noch immer Zigaretten gewuzelt"

Er ist ein politischer Kopf: Lothert nimmt sich auch im KURIER kein Blatt vor den Mund.
KURIER: Wie oft müssen Sie erklären, was JTI ist?
Ralf-Wolfgang Lothert: Leider noch immer viel zu oft. Viele glauben, wir gehören zu einem Autounternehmen, weil sich JTI wie GTI anhört. Dabei sind wir eines der größten Tabakunternehmen der Welt mit 46.000 Mitarbeitern. Darin ging neben der Austria Tabak zum Beispiel auch TOB auf, der größte Tabakwarengroßhandel. Es gibt 500 Mitarbeiter in Österreich, wir sind das größte Tabak- und das größte japanische Unternehmen in Österreich.
Welche alten Marken der Austria Tabak existieren noch?
Milde Sorte, Smart und auch noch Landtabak, wobei – zugegeben – den größten Anteil internationale Marken wie Camel, Winston, Benson & Hedges und Sobranie haben.
Was sind die Lieblingszigaretten der Österreicher?
Marlboro von Philipp Morris. Unsere meistverkaufte Marke in Österreich ist Winston.
Tabakgenuss war Teil der europäischen Kultur, jetzt wird er hauptsächlich unter dem Aspekt der Gesundheitsgefahr gesehen. Wie geht ein Tabakkonzern damit um?
Die Gesellschaft hat sich gewandelt – Fitness und Gesundheit sind wichtiger geworden. Wir wollen als verantwortlicher Hersteller über mögliche Risiken aufklären. Und es ist uns wichtig, dass die Produkte nicht in die Hände von Minderjährigen gelangen. Daher sind wir froh über das Trafiksystem in Österreich.

Haben Sie selbst geraucht?
Nein nie.
Darf man als Nichtraucher denn in einem Tabakkonzern arbeiten?
Das werde ich oft gefragt. Ja, aber man muss eine offene Einstellung zum Rauchen haben.
Der Umgang der Politik mit einem Tabakkonzern ist gespalten: Einerseits schätzt man die Steuereinnahmen, andererseits will man das Rauchen einschränken.
Auf eine Packung Zigaretten fallen in Österreich 75 Prozent Steuern an. Der Staat hat damit letztes Jahr 2,7 Milliarden Euro eingenommen – Tendenz: weiter wachsend. Aber wenn man die Kuh nicht schlachten will, die man melkt, muss man damit schon vorsichtig umgehen.
Die EU-Kommission will das Rauchen aber weiter verteuern, damit könnte ein Packerl Zigaretten in Österreich bald 10 Euro statt 6,50 kosten. Sie warnen davor, dass der Schmuggel steigen würde. Wie misst man den überhaupt?
Wir sammeln für die Statistik weggeworfene Zigarettenschachteln und errechnen daraus die Quote der nicht in Österreich versteuerten Ware. Das sind derzeit rund 13 Prozent. Sollte der Preis extrem nach oben gehen, werden wieder mehr Zigaretten im Ausland gekauft.
Zum ausführlichen KURIER TV-Gespräch mit Ralf-Wolfgang Lothert
Wie hoch ist der Anteil neuer Produkte, also E-Zigaretten und Nikotinbeutel am Verkauf?
Die Zigarette hat noch immer 85 bis 86 Prozent Marktanteil.
Werden noch Zigaretten gewuzelt?
Oh ja! Das ist ein stabiler Markt in Österreich. Es ist günstiger, außerdem gibt es Maschinen, um sich die eigenen Zigaretten zu kreieren. Wir sind in diesem Segment sogar Marktführer.
Würde JTI ins Geschäft mit Haschzigaretten einsteigen, würde Cannabis legalisiert?
Nein. Das ist in Japan verboten.
Wie geht man im Konzern über die Kontinente miteinander um?
Die Japaner lieben Tradition, das passt gut zur österreichischen Kultur. Sie halten aber auch viel von Fortschritt, Innovation und langfristigem Denken. Es geht in Japan sicher etwas förmlicher zu als bei uns.
Die Höflichkeit ist angenehm!
Absolut. Wenn mein Pass am Flughafen in Tokyo – mit weißen Handschuhen! – kontrolliert wird, entschuldigt man sich nahezu dafür.
JTI war Sponsor der Salzburger Festspiele, was wegen des Tabakwerbeverbots nie offen kommuniziert werden durfte. Ein Problem?
Wir haben deswegen das Sponsoring aufgehört, obwohl wir noch Mitglied des Fördervereins sind. JTI ist weiterhin einer der größten Unterstützer sozialer und kultureller Vereine, aber nach dem Motto: „Tue Gutes und sprich nicht darüber.“
Die wertvollen Exponate des ehemaligen Wiener Tabakmuseums lagern in der alten Tabakfabrik in Hainburg. Was passiert damit? Wir verleihen Exponate für Ausstellungen. Aber natürlich muss man sich überlegen, was langfristig mit einer Sammlung mit mehr als 15.000 Ausstellungsstücken geschieht. Momentan können wir uns den Luxus leisten, sie zu verwahren.
Sie sind Schwabe. Verwenden Sie eigentlich Wiener Ausdrücke?
„Sackerl“ habe ich mir sofort angewöhnt, sonst wäre ich mit „Tüte“ gleich als Deutscher erkannt worden. Zu meinen Lieblingsausdrücken gehört „Leiberl“. Außerdem „Mistplatz“. Als ich nach Wien kam, war ich zunächst verblüfft, dass so viele Plätze hier so heißen, bis ich draufkam, dass das ein Hinweis auf den Müllentsorgungsplatz ist.
Was lieben Sie an Wien, was geht Ihnen auf die Nerven?
Wien ist die schönste große kleine Stadt und sehr charmant. Angesichts der vielen Krisen merke ich aber, dass sich die Österreicher vor Problemen eher wegducken und durchlavieren. Das führt im Ausland zum Eindruck des Trittbrettfahrens. Das Land klarer Worte und des offenen Diskurses ist Österreich nicht.
Sie haben auch in der Schweiz gelebt, was mögen Sie daran?
Also erstens das Steuersystem. Ich mag aber auch die Selbstverantwortung, die da heißt: Du kannst alles erreichen, bist aber für dich selbst verantwortlich.
Schreibt man das Wort Selbstverantwortung in Österreich zu klein?
Ich würde leicht überspitzt sagen: Es ist gar nicht existent. Es gibt ja das Sprichwort: „Von der Wiege bis zur Bahre: Der Staat bewahre.“ Das ist in Österreich so. Siehe das Pensionssystem: Selbstvorsorge ist gar nicht gewünscht. Daher herrscht totale Überregulierung. Das schnürt der Wirtschaft die Luft ab. Die Parteien glauben, den Bürgern etwas Gutes zu tun, diese gehen aber dennoch ins linke und rechte Extrem. Die Politik ist auch in Deutschland in der Mitte zu konturlos geworden. Mehr Mut wäre besser.
Sie machen sich in Österreich wenig Freunde mit Ihrer Forderung nach Ende der Neutralität.
Es ist einfach eine Mär, dass Neutralität schützt. Man sollte zumindest offen darüber diskutieren.
Verstehen Sie den Trend, wieder Kommunisten zu wählen?
Das ist für mich nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar. Kommunismus ist politisch und wirtschaftlich krachend gescheitert und hat auch noch Millionen von Menschenleben gekostet.
Sie treten mit Ihren politischen Meinungen in Talkshows und in Gastkommentaren auf. Ist das nicht irgendwie „unjapanisch“?
Nein, wir sind ein sehr aktives Unternehmen, das den gesellschaftspolitischen Diskurs anregen möchte.
Zur Person
Ralf-Wolfgang Lothert ist ausgebildeter Rechtsanwalt, Finanzwissenschaftler und Soldat, langjähriges CDU-Mitglied und spricht seit 2013 als Director Corporate Affairs und Mitglied der Geschäftsleitung von JTI Austria für das Unternehmen. Davor arbeitete er u. a. in der Schweiz in der EU-Rechtsberatung. Er tritt in Talkshows auf und schreibt Gastkommentare.
Das Unternehmen
Seit 2007 ist der ehemalige Staatsmonopolbetrieb Austria Tabak Teil von Japan Tobacco International, weltweit drittgrößtes Tabakunternehmen mit Sitz in Genf und Mitarbeitern in 72 Ländern. JTI Austria wurde neun Mal als Nummer eins-Top-Employer ausgezeichnet.
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