Lebensmittel in Österreich binnen 3 Jahren fast 30 Prozent teurer

Man reading a label while grocery shopping in a supermarket aisle
Im Vorfeld der Regierungsklausur wird intensiv über die hohen Preise im Lebensmittelhandel diskutiert. Was gegen die Teuerung kommen sollte, ist unter Experten strittig.

In einer Woche trifft sich die Bundesregierung zu einer Klausur und der Kampf gegen die Inflation steht ganz oben auf der Agenda.

Im Juli betrug die Teuerung in Österreich 3,6 Prozent und war damit meilenweit von den zwei Prozent im Durchschnitt der Eurozone entfernt. Obwohl es vor allem die hohen Energiekosten sind, die hier durchschlagen, konzentriert sich die Diskussion auf die Lebensmittelpreise im Handel. Denn sie bestimmen den Alltag der Konsumenten, sie prägen den Unmut im Wahlvolk.

Beobachter fühlen sich an den Mai 2023 erinnert, als der damalige Sozialminister Johannes Rauch von den Grünen zu einem Preisgipfel lud. Er blieb trotz vieler guter Vorsätze – bis hin zu einer Transparenzdatenbank – ergebnislos. „Sie können die Papiere von damals heraussuchen. Da hat sich gar nicht geändert. Es ist wie bei Täglich grüßt das Murmeltier“, sagt WIFO-Experte Michael Böheim.

Neben der Klage des SPÖ-geführten Sozialministeriums gegen die angeblich irreführenden Rabattaktionen des Handels steht vor allem der „Österreich-Preisaufschlag“ erneut im Fokus. Schon im Vorfeld des Preisgipfels 2023 sorgte eine Nationalbank-Studie für Aufsehen, wonach die Preise im Handel durchschnittlich um 14 Prozent höher sind als in Deutschland.

„Pricing to the market“

Laut OeNB-Studienautor Fabio Rumler sind „zum Großteil“ die höheren Einkaufspreise für Österreichs Händler bei der internationalen Markenartikelindustrie schuld an der Situation. Die Markenartikler nutzen dazu sogenannte territoriale Lieferbeschränkungen, um in jedem Land den höchsten Preis für identische Produkte zu verlangen, der in der jeweiligen Wettbewerbssituation gerade noch zu erzielen ist. Das widerspricht der Idee des Binnenmarktes, Brüssel müsste das lösen. Rumler sagt: „Die EU-Kommission ist schon länger dahinter, die territorialen Lieferbeschränkungen zu verbieten, aber nicht sehr erfolgreich. Die internationalen Markenartikelkonzerne sehen das natürlich anders.“

Inflation im Vergleich

Durchaus interessant ist in diesem Kontext, dass zwar das Preisniveau in Österreich traditionell höher ist als in Deutschland, aber die Preissteigerungen bei den Lebensmitteln zuletzt in Deutschland höher waren, wie WIFO-Inflationsexperte Josef Baumgartner weiß. Die Daten von Jänner 2022 bis Juli 2025 zeigen: In Österreich war die allgemeine Teuerung mit 21,9 Prozent um vier Prozentpunkte höher als in Deutschland. Der Anstieg der Nahrungsmittelpreise war in diesem Zeitraum wiederum in Deutschland mit 28,4 Prozent höher als in Österreich mit 27,8 Prozent.

Baumgartner würde im Kampf gegen die Lebensmittelpreise nicht im Handel, sondern bei den Energiepreisen und den Löhnen ansetzen. „Es bräuchte wohl einen Deal mit der Gewerkschaft, sich bei den Lohnsteigerungen zurück zu halten. Dazu müsste die öffentliche Hand aber z. B. bei den Pensionen in Vorleistung treten.“

Es kursieren aber auch andere Ideen. Etwa eine Mehrwertsteuersenkung für Grundnahrungsmittel oder eine Anti-Teuerungskommission, wie sie ÖGB-Chef Wolfgang Katzian gerne hätte.

Anders als SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer argumentiert WIFO-Mann Böheim. Er sieht „keinen Bedarf“ bei den Lebensmittelpreisen einzugreifen. Eine Mehrwertsteuersenkung wäre sehr teuer und würde auch Besserverdienern helfen, die Hilfe gar nicht nötig hätten.

Böheim: „Die effektivste Maßnahme, um bedürftige Gruppen zu unterstützen, wäre, dass die Regierung Lebensmittel zu Großhandelspreisen kauft und sie an Sozialmärkte verschenkt.“

„Shrinkflation“

Der Experte plädiert zudem an den mündigen Konsumenten, Preise genau zu vergleichen, dort einzukaufen, wo es am Günstigsten ist, nicht zu viel weg zu schmeißen etc...

Soll heißen: Wer die Lieblingsschoko weiter einkauft, obwohl der Preis steigt und der Packungsinhalt schrumpft, was in Summe eine Preissteigerung von fast 50 Prozent ausmacht, ist irgendwo selber schuld.

Selbst der Österreich-Aufschlag habe seine gute Seite. Er sichere zum Teil die österreichische Produktion und Arbeitsplätze ab, sagt Böheim. Und bringt ein Beispiel: „Bei den Eigenmarken werden heimische Produkte verdrängt. Der Zucker kommt dann zum Beispiel aus Tschechien, das freut die Agrana weniger.“

Kommentare