Industrie will Reformen sehen: Was Österreich von Dänemark lernen könnte

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Vom Pensionssystem bis zur Kinderbetreuung gilt der Industrie Dänemark als Vorbild. Sie fordert von der Regierung: Nicht nur Sparen.

Kopenhagen hat Wien ja als lebenswerteste Stadt der Welt abgelöst. Aber auch Dänemark insgesamt wird immer wieder als besonders modernes Vorbildland und „best-practice“-Modell für Österreich genannt.

Speziell die Industriellenvereinigung (IV) sieht Dänemark – nicht zum ersten Mal – als Vorbild in wirtschaftspolitischer Hinsicht. Dieses Mal, um der Bundesregierung aufzuzeigen, welche strukturellen Reformen sich Österreich, über die nötige Budgetkonsolidierung hinaus, abschauen könnte.

Standortwettbewerb

IV-Präsident Georg Knill sagt: „Österreich steht in einem intensiven globalen Standortwettbewerb. Gute Absichten reichen nicht – ausschlaggebend sind Reformfähigkeit und Umsetzungskraft.“ Eines seiner Argumente lautet: Während Österreich im viel beachteten IMD-Wettbewerbsfähigkeitsranking auf Rang 26 liegt, befindet sich Dänemark seit Jahren unter den führenden Ländern. Dabei biete Dänemark kein Idealbild, gibt auch die IV zu, dennoch könne sich Österreich vom dänischen Pensionssystem, über die schlankere staatliche Bürokratie bis hin zur stärker ausgebauten Kinderbetreuung vieles überlegen bis übernehmen.

Im Pensionsbereich kritisiert die IV seit langem, das Umlage-finanzierte Pensionssystem in Österreich als wenig nachhaltig und bereits sehr teuer. Die private und betriebliche Säule seien zu schwach entwickelt. Das Antrittsalter nicht an die steigende Lebenserwartung gekoppelt. Das dänische System ist aber grundsätzlich anders, ein 1:1-Vergleich daher nur schwer möglich.

Lebenserwartung

So hat Kopenhagen schon vor Jahren eine kleine steuerfinanzierte Grundrente eingeführt und hat zur Deckung der Pensionen zusätzlich stark auf den Kapitalmarkt gesetzt. Soll heißen: Erträge an den Börsen finanzieren die Pensionen mit. Das wurde in Österreich bisher politisch mehrheitlich als zu riskant abgelehnt.

Die IV sagt jetzt aber: „Wir brauchen eine ehrliche Debatte über unser Pensionssystem. Derzeit gibt Österreich 13,3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Pensionen aus – in Dänemark sind es nur rund 9,3 Prozent. Warum? Weil man dort rechtzeitig auf ein mehrsäuliges System umgestellt und das gesetzliche Antrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt hat.“

In diesem Zusammenhang lobt die Industrie die von der österreichischen Bundesregierung beschlossenen Verschärfungen bei der Korridorpension und die geplante Einführung der Teilpension im kommenden Jahr als Schritte in die richtige Richtung. Wirklich „strukturelle Reformschritte“ müssten aber folgen, fordert IV-Generalsekretär Christoph Neumayer auch hierzulande einen echten „Nachhaltigkeitsmechanismus“.

Ein Dorn im Auge ist der Industrie auch die stagnierende Gesamtarbeitszeit in Österreich, obwohl die Beschäftigung steigt. Grund ist der starke Teilzeittrend beziehungsweise die oft fehlende Kinderbetreuung, was Frauen sehr oft zu Teilzeit zwingt.

Weniger Teilzeit

Die Zahlen dazu: In Dänemark beträgt die Betreuungsquote von Kindern unter drei Jahren 67 Prozent, in Österreich 27 Prozent. Die Teilzeitquote von Müttern mit Kleinkindern beträgt in Österreich 71 Prozent, in Dänemark lediglich 23 Prozent. „Wer das Fachkräftepotenzial wirklich ausschöpfen will, muss Kinderbetreuung strukturell und flächendeckend ausbauen, fordert die Industrie.

Als dritten Schwerpunkt in ihrem Forderungskatalog sieht die IV die schlankere Bürokratie in Dänemark als Vorbild. Auch die Digitalisierung hat in der dänischen Verwaltung einen hohen Stellenwert.

Laut IV hat Dänemark schon im Jahr 2007 seine Verwaltung neu gegliedert und seither die Staatsausgabenquote deutlich gesenkt – von über 58 Prozent auf 46,8 Prozent des BIP. Österreich liegt weiterhin bei über 52 Prozent.

Als Ursache nennt die IV die komplexen Zuständigkeiten und Mehrfachstrukturen in Österreich: „Während Dänemark mit fünf Regionen und 98 Kommunen operiert, verwaltet Österreich mehr als 2.000 Gemeinden, 94 Bezirke und neun Länder – vielfach mit überlappenden Zuständigkeiten und hohem Mitteleinsatz. Bundesländer abschaffen will Neumayer aber nicht: „Es geht nicht darum, bestehende Strukturen infrage zu stellen, sondern um eine konsequente Effizienzprüfung und Digitalisierungsoffensive.“

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