Zweisamkeit gestalten: Warum Raumgestaltung entscheidend für Paarwohnungen ist
Junges Paar malt die Wände der neuen Wohnung grün aus.
Wohnräume sind nie neutral. Sie spiegeln nicht nur Geschmack, Status oder den Zufall einer Wahl, sondern prägen unser Denken, Fühlen und Handeln. Gerade in Paarbeziehungen wirkt Architektur wie ein stiller Dritter: Sie kann Harmonie fördern – oder unterschwellig Konflikte nähren.
„Architektur spielt eine große Rolle im zwischenmenschlichen Bereich und kann ein positives Raumgefühl fördern oder das Gegenteil bewirken“, sagt Martina Püringer, Expertin für Wohn- und Architekturpsychologie. „Im Zuhause soll man sich geborgen fühlen, das ist Voraussetzung für Nähe.“ Die Forschung gibt ihr Recht. So konnte eine im Journal of Family Issues 2025 veröffentlichte Untersuchung zeigen, dass ungünstige physische Wohnbedingungen – etwa Enge, mangelhafte Ausstattung oder Lärm – die Qualität von Paarbeziehungen deutlich mindern. Umgekehrt stabilisieren gute Architektur und – am besten gemeinsam – durchdachte Gestaltung das Miteinander und stärken die emotionale Basis.
Martina Püringer, Expertin für Wohn- und Architekturpsychologie. https://raumevolution.at
Doch wie sieht ein „guter“ Raum für Paare aus? Püringer, die auch Vorstandsmitglied am Institut für Wohn- und Architekturpsychologie (IWAP) ist, betont: „Ein Pärchen, das zusammenzieht, sollte Platz für Entwicklung lassen. Nicht alles muss bis ins Detail schon vorher fixiert sein. ,Reserveflächen’ sind wichtig, sowie eine genaue Bedürfniserhebung beider Personen. Das kann man sich vorstellen wie ein Kleid oder einen Anzug, der maßgeschneidert wird. Mit Raumgestaltung verhält es sich ähnlich.“
Dabei gibt es keine universell richtige Aufteilung, sondern nur jene, die zu den jeweiligen Persönlichkeiten passt. „Was für den einen gut ist, kann für den anderen schlecht sein, weil dessen räumliche Bedürfnisse anders sind“, erklärt die Expertin. „Planung ist nur dann klug, wenn sie beide Stimmen berücksichtigt, selbst dann, wenn einer der Partner dominanter ist.“
Dass Architektur gelingendes Zusammenleben unterstützen kann, haben auch Forschende der renommierten CHI-Konferenz, die sich mit der Interaktion zwischen Mensch und Technik beschäftigt und heuer in Japan stattfand, gezeigt. Die Conclusio: Wohnkonzepte, die gemeinsame Tätigkeiten erleichtern und zugleich Rückzugsbereiche ermöglichen, fördern die Zusammenarbeit im Alltag und reduzieren Konflikte spürbar.
Gerade in Zeiten von Homeoffice und multifunktionalen Wohnungen zeigt sich, wie wertvoll flexible Konzepte sind. „Während der Pandemie haben viele Paare zeitlich gestaffelt gearbeitet, um ungestört zu sein – das halte ich immer noch für eine gute Idee“, sagt Püringer. Auch die zweckentfremdete Nutzung von Räumen sei erlaubt: „Warum nicht tagsüber im Schlafzimmer arbeiten? Aber bitte mit Paravent oder Ähnlichem, damit das Bett abends wieder als Ort der Erholung wahrgenommen wird.“
Auch das Wohnumfeld zählt. Wer nahe Grünflächen oder gemeinschaftliche Räume hat, fühlt sich stärker gebunden und zufriedener – auch das belegen psychologische Studien, etwa eine in „Frontiers in Psychology“ veröffentlichte Arbeit. Elemente wie Naturmaterialien, Pflanzen und Licht tragen wesentlich dazu bei, dass Räume beruhigend wirken. „Natürliche Stoffe, Brauntöne sowie Blau- und Grüntöne fördern Harmonie“, ergänzt Püringer. „Dagegen lassen Farben wie Rot Puls und Herzschlag steigen – und können langfristig Stress verursachen.“
Doch Architekturpsychologie reicht weiter als Farb- oder Möbeltipps. Sie hilft Paaren, Nähe und Autonomie zu balancieren. „Bei aller Liebe: Privatsphäre ist zentral. Wenn diese problemlos aufrechterhalten bleibt, ist die Bereitschaft zur Gemeinsamkeit höher. So schön ein Loft auch wirkt, wenn Rückzug räumlich nicht vorgesehen ist, entsteht Stress.“ Dass ein Zuhause auch durch Personalisierung die Beziehungsqualität stärkt, zeigt – kulturübergreifend – nicht zuletzt eine Untersuchung der Architekturforscherin Dalia Al-Tarazi: Wer Möbel, Farben oder Strukturen selbst anpassen kann, erlebt mehr Sicherheit und emotionale Bindung.
Gemeinsame Entscheidungen über Einrichtung oder Umbau vertiefen nicht nur das „Zuhause-Gefühl“, sondern auch die Paarbindung. Die Praxis bestätigt das. Püringer erinnert sich an ein Paar aus völlig unterschiedlichen Kulturen: „Sie war auf einem großen Anwesen mit Personal aufgewachsen, er in einem kleinen Haus mit der ganzen Familie und Nachbarn Wand an Wand. Der Wohnsalon ihrer Kindheit war so groß wie sein ganzes Zuhause. Konträrer hätten die Vorstellungen der beiden nicht sein können. Die gemeinsame Analyse half, Verständnis füreinander zu entwickeln und Räume so zu gestalten, dass beide sich wiederfinden.“
Architektur kann Paare also zusammenführen – oder trennen. Sie wirkt leise, aber konsequent. Und sie wird künftig auch technologisch begleitet: KI-gestützte Layout-Algorithmen wie „RelTriple“ entwerfen schon heute realistische Möblierungen, die soziale Interaktion fördern und Intimität ermöglichen. Dabei handelt es sich um kein direktes Planungstool für Wohnbau oder Innenarchitektur, sondern um einen Teil der Forschung im Bereich KI-generierte Raumplanung, mit Anwendungen in Virtual Reality, Smart Home, Augmented Reality oder Architektursimulation.
Am Ende aber bleibt es nicht bei Daten und Konzepten. „Man sollte sich gern haben“, fasst Püringer augenzwinkernd zusammen. „Dann helfen Räume, diese Beziehung zu stützen. Das richtige Wohnumfeld, private Außenräume, genügend Stauraum und die Möglichkeit zur individuellen Gestaltung sowie zum Rückzug sind die Zutaten für ein Zuhause, in dem Zweisamkeit gelingt.“ - Susanna Sklenar
Gemeinsam planen und einrichten
So wohnt die Liebe besser
Hilfreiche Alltagstipps für Paare aus der Wohnpsychologie.
- Wohnideen teilen: (Um-)Gestaltungsideen gemeinsam entwickeln und Entscheidungen nicht einseitig treffen. Das stärkt die Bindung und verhindert unterschwellige Konflikte.
- Klare Zonen schaffen: Ein Bereich für Rückzug, ein Bereich für Gemeinschaft – beides ist wichtig, um Nähe und Autonomie in der Beziehung auszubalancieren.
- Ordnung vereinbaren: Unterschiedliche Ordnungsvorstellungen offen ansprechen und kleine gemeinsame Routinen entwickeln, statt sich im Alltag zu reiben.
- Licht bewusst nutzen: Warmes, dimmbares Licht fördert Entspannung, helles Licht steigert die Konzentration in Arbeitszonen. Nicht jeder Partner fühlt sich bei gleichen Lichtverhältnissen wohl – Steuerungsoptionen schaffen.
- Farben mit Gefühl wählen: Ruhige Naturtöne wirken ausgleichend, kräftige Akzente beleben – die bewusste Mischung kann eine erwünschte Dynamik ins gemeinsame Wohnen bringen.
- Möbel flexibel halten: Verstellbare Tische, modulare Sofas und mobile Raumteiler erleichtern Anpassungen, wenn sich Lebenssituationen ändern.
- Rituale verankern: Ein gemeinsamer Frühstücksplatz, eine Leseecke oder die gemütlichen Lieblingssessel nebeneinander schaffen verbindende Alltagsmomente.
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