Eine gute Umgebung für Wein muss nicht unter der Erde liegen. Welche Rolle doppelte Ziegelwände und
natürliche Beschattung bei der Errichtung ihres Weingebäudes spielen, erzählt Winzerin Dorli Muhr.
Der Spitzerberg liegt als sanfter Hügel ganz im Osten des Weinbaugebietes Carnuntum in Niederösterreich. Hier hat sich Winzerin Dorli Muhr ihren Wunsch von einem nachhaltigen Weinkeller verwirklicht.
Ziel war es, ganzjährig gleichbleibende Temperaturen und Luftfeuchtigkeit zu gewährleisten. Und das, obwohl das Gebäude oberirdisch errichtet wurde. „Der Wunsch kam während der Corona-Krise. Da ich im Notfall meinen Betrieb völlig alleine betreiben können möchte, sollte es kein klassischer Keller sein. Keine Treppen, kein Lift, alles auf einer Ebene“, erzählt die Winzerin. „Wenn keine Mitarbeiter kommen dürfen, kann ich alleine mit dem Stapler fahren“. Trotz allem sollte das Gebäude die gleichen idealen klimatischen Bedingungen erfüllen wie die unterirdischen Kellergewölbe aus den früheren Jahrhunderten.
Die Lösung dafür lieferten Porotherm-Ziegelwände von Wienerberger. Dank des ökologischen Baustoffs Ziegel, der in diesem Fall in doppelter Breite eingesetzt wurde, sorgt die große Masse für eine thermische Trägheit, die Temperaturänderungen im Innenraum um mehrere Monate verzögert. Zusätzliche Heiz- und Kühltechnik werden nicht gebraucht.
Winzerin Dorli Muhr hat die ersten Wein bereits im neuen Gebäude produziert.
Temperatur zum Wohlfühlen
Die Konzeption für das neue Kellergebäude in Prellenkirchen stammt von dem Architektenpaar Sabine und Stefan Laub, die sich vom innovativen 2226-Prinzip von Baumschlager Eberle Architekten aus Vorarlberg inspirieren ließen. Das innovative Prinzip realisiert ganzjährig eine Wohlfühltemperatur zwischen 22 und 26 Grad Celsius – und das ohne konventionelle Haustechnik.
Die rund 80 cm dicken Außenwände aus zwei fugenversetzten Scharen wurden ohne zusätzliche Dämmung erbaut und mit klassischem Kalk-Zementmörtel für eine bessere Feuchtigkeitsbalance verputzt. „Die offene Struktur verhindert Schimmel. Wie früher wird einmal im Jahr neu gekalkt“, so Muhr.
Das moderne Kellergebäude mit rund 730 Quadratmetern umfasst drei Räumlichkeiten: Auf einen 200 Quadratmeter großen Verkostungsraum mit einladenden Fensterfronten folgen der Fass- und Gärkeller. Ebenerdig und mit Flachdach errichtet, besticht das Gebäude vor allem durch sein minimalistisches und modernes Design. Für dieses Konzept hat man sich laut Stefan Laub bewusst entschieden, um im Sinne des puristisch klaren Ansatzes den Weinen von Dorli Muhr gerecht zu werden. Das Dach wurde aus massivem Spannbeton errichtet, um eine schwere Erdschicht mit Dachbegrünung zu ermöglichen, die aufgrund der Masse zu einer Temperaturträgheit führt.
Gegen Überhitzung
„Das Klima in unserer Region wird immer trockener, heißer, mit mehr Wind. Daher haben wir zusätzlich auf Pflanzen als natürliche Schattenspender gesetzt“, erklärt Dorli Muhr. Eine weitere Maßnahme, um das Gebäude und damit die Weinproduktion vor Überhitzung im Sommer zu schützen. Im Süden und Westen wurde mit rund 50 bis 100 Zentimetern Abstand vom Mauerwerk ein Rankgerüst mit Begrünung errichtet. Dadurch entsteht eine Selbstbeschattung des Bauwerks sowie eine Hinterlüftung, die die heiße Luft abtransportiert. Die Assimilation der Pflanzen sorgt für einen weiteren Kühleffekt.
Im Nordosten hat man sich für die Errichtung eines großen, ausladenden Vordachs entschieden, um einen weiteren Schutz vor der Sonne zu bieten. Alle Pflanzen wurden so ausgewählt, dass sie keine künstliche Bewässerung brauchen. Eine Photovoltaik-Anlage beschattet einen großen Teil des Daches und erzeugt Strom für den Eigenbetrieb. „Ich will völlig autark wirtschaften können. Ein Blackout kann mir nichts anhaben. Deshalb haben wir zum Beispiel auch auf computergesteuerte Technik verzichtet“, so die Unternehmerin.
Darüber hinaus sorgen ein begrünter Regenwassergraben und ein Teich für ein besonderes Mikroklima. Mit dem Aushub der Kellerei wurde ein Windschutz am Grundstück errichtet, der einen Unterschlupf für zahlreiche Tiere wie Rebhühner, Fasane und Hasen bietet. Mit diesem umfassenden nachhaltigen Konzept ist sich Winzerin Dorli Muhr sicher: „Unsere Produktion hat eine Vorbildwirkung. Wir leben vor, wie eine klar reduzierte und biologische Weinproduktion mit einer ressourcenschonenden Kellerei Hand in Hand geht, ohne dabei auf teure Technologien setzen zu müssen.“
Kommentare