Ohne Nexperia stehen Bänder still: Die 8 wichtigsten Fragen zum Chip-Chaos

Stehen bald alle Bänder still? Seit Tagen geistert in der europäischen Autoindustrie das Gespenst von Produktionsstopps herum. Der Grund sind wichtige Bauteile, ohne die ein Automotor nicht läuft und die derzeit am Markt nicht mehr zu haben sind. Der weltgrößte Anbieter Nexperia liefert nicht mehr. Wie konnte es überhaupt dazu kommen, wie geht es jetzt weiter und was hat Philips damit zu tun?
Der KURIER fasst die wichtigsten Fragen zur aktuellen "Chip-Krise" zusammen:
Was genau ist das Problem?
Der niederländische Chiphersteller Nexperia, seit 2017 im Eigentum der chinesischen Wingtech, ist der weltgrößte Anbieter einfacher Halbleiter wie Dioden oder Transistoren. Diese werden zwar auch in Europa produziert, zur Verpackung und Weiterverarbeitung werden sie jedoch nach China verschickt. Die Regierung in Peking hat aber ein Exportverbot verhängt. Am 10. Oktober informierte Nexperia daher seine Kunden, dass Lieferengpässe bei den Chips drohen könnten. Betroffen von den Chip-Engpässen sind Autohersteller ebenso wiee Maschinenbauer in Europa und den USA.
Wie kam es dazu?
Hintergrund der Misere ist der Handelsstreit zwischen China und den USA. Wingtech steht auf einer US-Sanktionsliste. Aus Sorge, wichtige Technologie könnte aus den Niederlanden nach China transferiert werden, übernahm die niederländische Regierung daher unlängst die Kontrolle über Nexperia. Daraufhin verhängte Peking einen Exportstopp auf Nexperia-Produkte.
Gibt es bereits Produktionsstopps?
Bisher nicht. Der VW-Konzern schließt Produktionsstopps in seinen Werken aufgrund des Chip-Mangels nicht aus, will diesen aber mit einem neuen Zulieferer abwenden. Laut Bild könnte das VW-Werk in Zwickau schon kommende Woche auf Kurzarbeit umstellen. Die Produktionsdrosselung am Freitag in Wolfsburg seien Inventurmaßnahmen. Mercedes rechnet zumindest kurzfristig nicht mit Engpässen.
Wie ist die aktuelle Lage?
Die chinesische Tochter darf Insidern zufolge ihre Lieferungen an Kunden aus China wieder aufnehmen. Die Geschäfte sollen künftig jedoch ausschließlich in Yuan statt wie bisher in US-Dollar abgewickelt werden. Damit soll der China-Ableger offenbar unabhängiger vom niederländischen Mutterkonzern gemacht werden.
Wie geht es nun weiter?
Nexperia sucht laut einem Sprecher nach alternativen Standorten für das Verpacken und Testen seiner außerhalb von China produzierten Halbleiter. Die deutsche Regierung kündigte intensive Gespräche zur Lösung des Problems an, konkretere Angaben gab es bis dato nicht. Laut Handelsexperte Harald Oberhofer vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo sei es wichtig, den Konflikt nicht weiter hochschaukeln zu lassen. "Automobile sind in Europa für die Industrie essenziell, und da hängen sehr viele Arbeitsplätze und Wertschöpfung dran. Wir müssen schauen, das irgendwie konstruktiv zu lösen, weil sonst möglicherweise der Schaden, den wir haben, zu groß wird", sagt der Experte im Ö1-Morgenjournal.

Headquarter von Nexperia in Nijmegen
Wie entstand Nexperia und warum ist das Unternehmen so wichtig?
Das Unternehmen ging aus dem niederländischen Halbleiter- und Elektronikpionier Philips hervor. 2006 gliederte Philips die Halbleitersparte als NXP Semiconductors aus. 2017 übernahm der chinesische Investor Wingtech Technology die Standard-Produktlinie von NXP, die den Namen Nexperia erhielt. Das Unternehmen beschäftigt 15.000 Mitarbeiter und produziert jährlich mehr als 100 Milliarden Bauelemente. Es ist damit klarer Marktführer im Bereich der Standardhalbleiter.
Hauptstandort ist Nijmegen (Niederlande), wo auch die Entwicklung angesiedelt ist. Dioden und Transistoren werden auch in Hamburg gefertigt, Wafer in Manchester. Die Weiterverarbeitung und Endfertigung vieler Chips erfolgt an den chinesischen Standorten u.a. in Shanghai und Dongguan.

Produktlinie von Nexperia in Hamburg
Wo werden die Chips von Nexperia eingesetzt?
Nexperia stellt so genannte Standardhalbleiter her, vor allem Dioden und Transistoren. Nexperia-Bauelemente sind Basis-Komponenten in nahezu jeder elektronischen Schaltung. Die Einsatzgebiete reichen von der Autoindustrie (Motorensteuerung, Airbags oder LED-Beleuchtung) über die Industrieelektronik (Stromgeneratoren, Robotik, Sensorik) bis zur Consumerelektronik (Smartphones, Laptops, Ladegeräte).
Können die Chips nicht einfach durch andere ersetzt werden?
Das ist nicht so einfach. Einzelne Bauteile folgen zwar Industriestandards und können daher von anderen Herstellern ebenso produziert werden, doch bestimmte Spezifika wie Gehäuseformen sind herstellerabhängig. Auch wenn die Fertigung technisch möglich ist, dauert es in der Autoindustrie oft Monate bis Jahre, bis ein neuer Lieferant alle Auflagen erfüllt und die Freigabe erhält. Kurzfristiger Ersatz ist also nur eingeschränkt möglich.
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