Auch Win2day-Chef Georg Wawer spricht von doppelt so vielen Wettkunden als in einem „normalen Monat“. Laut Florian Sauer, Geschäftsführer von Entain (Bwin), sei die EM als Wett-Ereignis oft sogar beliebter als die Weltmeisterschaft. Georg Weber, Geschäftsführer von Tipp3, spricht deshalb von einem „13. Monat“, das die EM den Wettanbietern wirtschaftlich bringe. Auf das Jahr gesehen erwartet Weber ein Umsatzplus von bis zu zehn Prozent.
Österreich als Faktor
Besonders vorteilhaft sei es für die Wettanbieter, dass Österreich an der diesjährigen EM teilnehme, denn die allermeisten Kunden tippen auf die Spiele der eigenen Nationalelf. Daneben sind die sportlichen Favoriten auch die Wettfavoriten – darunter Deutschland, Frankreich, England, Spanien und Portugal. 80 Prozent der Wetteinsätze fallen laut Irsigler auf die Favoriten der einzelnen Spiele.
Für die Wettanbieter sei es deswegen in der Regel schlecht, wenn diese Mannschaften auch gewinnen, weil sie dann Gewinne an Kunden ausbezahlen müssen. „Wettunternehmen leben von den Überraschungen“, sagt Irsigler.
Doch auch unvorhergesehene Ergebnisse bringen den Anbietern nicht immer Gewinne. Wenn etwa die heimische Nationalmannschaft unerwartet den Meistertitel holen sollte, brächte das der Branche ebenfalls Verluste. Das liege an den hohen Quoten, die die Anbieter im Erfolgsfall auszuzahlen hätten. „Grundsätzlich ist aus wirtschaftlicher Sicht zu sagen, dass jeder Österreich-Sieg für den heimischen Buchmacher relativ teuer ist“, sagt Weber dem KURIER. Dennoch würde er sich über einen EM-Titel freuen und sich „mit einer langfristigen positiven Perspektive trösten“.
Für Irsigler sei das „beste Szenario, dass Österreich ins Finale kommt“. Ein solcher Erfolg würde das Wettgeschäft stark beleben. Auch er meint, dass die Euphorie im Land und das damit verbundene größere Interesse an Sportwetten bei zukünftigen Ereignissen die hohen Auszahlungen wettmachen würden. Auch Sauer wünscht sich „aus dem patriotischen Blickwinkel und einer breiteren wirtschaftlichen Perspektive“, dass Österreich im Bewerb weit kommt, wie er dem KURIER sagt.
Fußball sei „mit großem Abstand die populärste Sportart, um zu wetten“, sagt Irsigler. Hier gibt es auch das größte Wettangebot in Europa, gefolgt von Tennis.
378 Millionen Euro
Das Geschäft hinter den Wetten wächst: Laut einer Studie der Linzer Kepler-Uni werden in Österreich jährlich mehr als zwei Milliarden Euro auf Sportereignisse gewettet, in einem EM-Jahr entsprechend mehr. Davon bleiben den Anbietern rund 378 Mio. Euro.
„Wetten sind kein Glücksspiel“
Experten warnen immer wieder vor der Suchtgefahr von Sportwetten. Erst kürzlich machte der Fall eines Salzburgers Schlagzeilen, der innerhalb von 13 Monaten rund 900.000 Euro durch Sportwetten verloren hatte, davon aber bereits eine halbe Million aufgrund von Spielsucht wieder erfolgreich zurück geklagt hat.
Österreich ist das einzige EU-Land, in dem Sportwetten nicht als Glücks-, sondern als Geschicklichkeitsspiel gelten und somit weniger streng reguliert werden. Roman Neßhold, Leiter des Institutes Glücksspiel und Abhängigkeit, findet die gesetzlichen Vorgaben rund um den Spielerschutz bei Wetten hierzulande trotzdem „gut aufgelegt“ und ausreichend.
SchutzmechanismenImmerhin gebe es gesetzliche Schutzmechanismen, wie etwa Höchsteinsätze, Aufzeichnungen des Spielerverhaltens, die Selbstsperre oder die Verpflichtung zur Fremdsperre durch den Anbieter, wenn Kunden das Wetten übertreiben.
Forderungen anderer Experten, Sportwetten rechtlich als Glücksspiel zu einzustufen, lehnt Neßhold ab.
Die Wetten, die jetzt unter die Länderzuständigkeit fallen, würden als Glücksspiel den Bundesbehörden obliegen. Das hält Neßhold für eine schlechte Idee. Auch an der Suchtgefahr würde ein Wechsel der Zuständigkeit nichts ändern. Abhängigkeit entstehe dem Experten zufolge durch missbräuchliche Nutzung des Wettangebots – unabhängig davon, wer dieses reguliert.
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