Auf Lockerungskurs: EZB senkt Zinsen um 0,25 Prozentpunkte

Der Euro
Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt angesichts der sinkenden Inflation und der schwachen Konjunktur im Euroraum ihren Zinssenkungskurs fort.

Der EZB-Rat um Notenbankchefin Christine Lagarde setzte am Donnerstag den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz, den Leitzins im Euroraum, um einen Viertelpunkt auf 2,0 Prozent nach unten. Der Zins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, wurde ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte auf 2,15 Prozent gesenkt.

Seit die Währungshüter Mitte 2024 auf einen Lockerungskurs umgeschwenkt waren, ist dies bereits die achte Zinssenkung. Zu ihrem weiteren Vorgehen hielt sich die EZB weitgehend bedeckt: "Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest", erklärte die Euro-Notenbank in ihrer Mitteilung zum Zinsbeschluss.

Mit der Inflation, die unter anderem wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs nach oben geschossen war, sind die Währungshüter inzwischen auf der Ziellinie angelangt. Die Teuerungsrate im Euroraum lag im Mai noch bei 1,9 Prozent nach 2,2 Prozent im April. 

Das EZB-Ziel von 2,0 Prozent wurde damit sogar untertroffen.

EZB stützt Konjunktur: 8. Zinssenkung seit Juni 2024

Mit der abermaligen Zinssenkung wird es für Firmen tendenziell billiger, sich für Investitionen Geld zu leihen - das kann die Konjunktur ankurbeln. Sparerinnen und Sparer jedoch müssen mit niedrigeren Tages- und Festgeldzinsen rechnen.

Zudem setzen die Euro-Währungshüter den Zins weiter herunter, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können: Statt 2,4 Prozent werden nun 2,15 Prozent fällig. Zum weiteren Kurs gab es zunächst keine konkreten Hinweise der Notenbank: Die Lage sei weiterhin von "außergewöhnlich hoher Unsicherheit" geprägt.

Zollstreit Gift für Konjunktur

Volkswirte hatten mit dem Schritt gerechnet, da die Inflation im Euroraum deutlich zurückgegangen ist. Zugleich belastet der Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump die Konjunktur. Allein die Unsicherheit ist Gift, wie EZB-Vizepräsident Luis de Guindos in einem Interview betonte: Der Handelskonflikt beeinträchtige Investitionen, schwäche das Vertrauen der Haushalte und verringere die Wachstumsaussichten der europäischen Wirtschaft.

"Die Handelsverhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, aber letztlich werden die Zölle wahrscheinlich höher ausfallen als vor dem Antritt der neuen US-Regierung", sagte de Guindos. Sollte zudem China wegen US-Handelsschranken Exporte nach Europa umleiten, werde das weitere "erhebliche Auswirkungen" haben.

Starker Euro als Chance im Welthandel

EZB-Präsidentin Christine Lagarde sieht durch die Erschütterung der seit Jahrzehnten bestehenden Weltordnung ebenfalls erhebliche Risiken für die Wirtschaft, wie sie jüngst in Berlin sagte. "An die Stelle der multilateralen Zusammenarbeit sind Nullsummendenken und bilaterale Machtspiele getreten", kritisierte Lagarde, ohne Trump wörtlich zu nennen. Zugleich eröffneten sich neue Chancen: "Angesichts des derzeitigen Wandels scheint die Zeit reif zu sein für eine größere internationale Rolle des Euro."

Inflation auf dem Rückzug

Hauptziel der EZB sind stabile Preise und damit ein stabiler Euro. Erreicht sieht sie das mittelfristig bei einer Inflationsrate von 2,0 Prozent im Währungsraum der 20 Staaten. Im Mai unterschritt die Teuerungsrate einer ersten Schätzung des Statistikamts Eurostat zufolge das EZB-Ziel sogar und fiel auf 1,9 Prozent.

Je höher die Inflation, umso geringer die Kaufkraft der Menschen, weil sie sich dann für einen Euro weniger leisten können. Aber auch dauerhaft sinkende Preise wollen Zentralbanken möglichst vermeiden: Denn in diesem Fall könnten Firmen und Verbraucher Investitionen in der Hoffnung auf bald noch günstigere Preise aufschieben - das würde die Konjunktur bremsen.

Vorerst letzte Zinssenkung?

Manches deutet darauf hin, dass die nun beschlossene Zinssenkung vorerst die letzte im Euroraum war. Selbst Befürworter einer lockeren Geldpolitik wie Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras erwarten nach der Juni-Zinssenkung eine Pause, wie er kürzlich sagte.

Auch EZB-Direktorin Isabel Schnabel trat jüngst auf die Bremse und plädierte für eine Zinspolitik der "ruhigen Hand". Und Bundesbank-Präsident Joachim Nagel mahnte im EZB-Rat, angesichts hoher Unsicherheiten in der Geldpolitik "vorsichtig" zu bleiben.

EZB erwartet für Eurozone schwaches Wachstum

Die EZB traut der Wirtschaft im Euroraum heuer nur wenig Wachstum zu. Trotz des anhaltenden Zollstreits mit den USA bleiben die Euro-Währungshüter jedoch bei ihrer Prognose von 0,9 Prozent aus dem März, wie die Notenbank mitteilte.

Für 2026 erwartet die EZB nun einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Euroraum um 1,1 Prozent. Im März war die Prognose mit 1,2 Prozent noch etwas optimistischer. Für mehr Wachstum dürften die geplanten Verteidigungsausgaben in Europa in Milliardenhöhe sorgen. Für 2027 sagt die Notenbank unverändert 1,3 Prozent Wachstum voraus.

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