Ex-OMV-Chef Seele vor Hauptversammlung unter Beschuss
Bei der OMV-Hauptversammlung am Freitag dürfte der frühere CEO Rainer Seele heftig unter Beschuss kommen. Nachdem der Interessenverband für Anleger (IVA) bereits angekündigt hat, dem Ex-CEO die Entlastung zu verweigern, erhebt nun das Magazin "Dossier", das mit Seele immer wieder im Clinch lag, neue Vorwürfe gegen den Ex-Manager. Zwei Universitätsprofessoren, die an Seeles Arbeit 2021 noch nichts auszusetzen fanden, würden ein solches Gutachten heute nicht mehr abgeben.
Unter anderem wird Seele kritisiert, weil er Anfang August 2020 in einem Sideletter und an den anderen Vorstandsmitgliedern sowie am Aufsichtsrat vorbei dem damaligen Bereichsleiter für Internal Audit & Compliance einen Kündigungsverzicht bis September 2023 garantiert bzw. danach bei Kündigung durch die OMV eine hohe Überbrückungszahlung gewährt haben soll. Im Dezember 2021 habe der Compliance-Chef deswegen gehen müssen. ÖBAG-Vorstandsdirektorin Edith Hlawati, die nach der Hauptversammlung im OMV-Aufsichtsrat sitzen wird, wollte gegenüber "Dossier" auf die Vorwürfe inhaltlich nicht eingehen. "Ich habe Vertrauen in die bisherige Arbeit des Aufsichtsrates, der eine Prüfung eingeleitet hat", wird Hlawati vom Magazin zitiert. Diese Prüfung laufe noch. Die OMV selbst wollte dazu vorerst nicht Stellung nehmen.
Die Unternehmensrechtlerin Susanne Kalss, die in einem Rechtsgutachten vom 8. Juli 2021 an Seeles Arbeit nichts auszusetzen hatte, sagte nun zu "Dossier": Das Gutachten würde ich sofort zurückziehen, wenn die OMV AG mich fragen würde." Auch der Arbeitsrechtler Franz Marhold würde Seele nicht mehr Rückendeckung geben: "Bei den gesellschaftsrechtlichen Folgerungen und der weiteren Vorgangsweise schließe ich mich Frau Professor Kalss an", sagte er zu "Dossier".
Kalss wurde noch direkter: "Im Nachhinein fühle ich mich instrumentalisiert und missbraucht", so die WU-Professorin zu "Dossier". Sie habe darauf vertraut, dass ihr sämtliche für die Beurteilung der Rechtsfrage maßgeblichen Informationen übermittelt werden. "Ich fühle mich getäuscht." Sonst wäre sie nach eigenen Angaben in ihrem Gutachten zu einem anderen Ergebnis gekommen. "Mit dem heutigen Wissen und Kenntnisstand würde ich sagen, dass der damalige Vorstandsvorsitzende seine Sorgfaltspflichten verletzt hat. Da sind die Grenzen des Aktienrechts überschritten worden."
Kritiker machen Seele auch für die später notwendig gewordenen Abschreibungen für das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 sowie für ein russisches Gasfeld verantwortlich. Zudem will der IVA, dass die "jahrzehntelangen Gaslieferverträge mit Russland ohne Ausstiegsklausel" sowie ein Sponsoring für den russischen Fußballklub Zenit St. Petersburg in der Höhe von insgesamt 25 Millionen Euro geprüft werden.
Die Aktionärsversammlung findet am Freitag in virtueller Form statt. Auf der Agenda stehen auch Wahlen in den Aufsichtsrat.
Kommentare