Spiegelbildlich dazu liegt die EU-Befürwortung der Österreicher einer Umfrage zufolge mit 60 Prozent auf dem zweitniedrigsten Wert seit 1995. Am 12. Juni 1994 haben sich noch 66,64 Prozent der Bevölkerung für den EU-Beitritt ausgesprochen.
Bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Botschaften von Schweden und Finnland mit der Wirtschaftskammer Österreich wurde die Erfolgsstory EU-Mitgliedschaft einmal mehr erzählt und gefeiert. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sagt, Österreich habe von den drei Ländern aufgrund seiner geografischen Lage in der Mitte Europas am meisten von der EU profitiert. Zum KURIER sagt er: „Wir würden umgekehrt ohne EU auch viel stärker verlieren. Der Binnenmarkt und das Schengen-Abkommen sind für uns viel entscheidender als für Länder wie Finnland an der Peripherie der EU.“
Die Stärken der beiden skandinavischen Länder, die insbesondere in der Innovationsführerschaft sowie in der blühenden Start-up-Szene zu finden sind, hätten weniger mit der EU-Mitgliedschaft zu tun, als mit dem geglückten Strukturwandel nach den schweren Wirtschaftskrisen in den 1990er-Jahren rund um den Zusammenbruch der Sowjetunion. Dazu komme in Skandinavien der Erfolgsmix aus einer weltoffenen Unternehmenskultur, dem weniger Banken-basierten Kapitalmarkt bis hin zu erfolgreichen Arbeitsmarktreformen.
Felbermayr: „Wir in Österreich hatten noch nie so eine existenziell bedrohliche Situation, in der wir uns fragen mussten, wie bekommen wir ein wirtschaftliches Ökosystem hin, in dem z. B. Start-ups gegründet werden und schnell wachsen können.“
Der schwedische Ökonom Fredrik Erixon verweist außerdem auf das enorme Wachstum der internationalen Handelsbeziehungen seines Landes seit dem EU-Beitritt. Mittlerweile mache der Handelsbilanzüberschuss Schwedens rund sieben Prozent des BIP aus und sei höher als in Exportnationen wie Deutschland oder China. Auch die relativ schwächere schwedische Krone habe das Exportwachstum gestützt. Trotz der Globalisierung sei aber Norwegen der wichtigste Handelspartner Schwedens. Bemerkenswert seien freilich auch andere Faktoren, wie etwa die kräftig gestiegene Wettbewerbsfähigkeit im Digital-Bereich.
Hintergrund ist: Schweden wird vielfach (neben Dänemark) als Vorbild-Land betrachtet. Mit knapp 33 Prozent hat es eine der geringsten Schuldenquoten in der EU (Österreich: rund 80 Prozent), hat mit einem Defizit von lediglich 0,7 Prozent genügend Spielraum für Offensiv-Schritte (z. B. Inflationsbekämpfung) und punktet beim Bildungsniveau, gemessen an den Pisa-Ergebnissen. Freilich ist auch nicht alles Gold, was in Schweden glänzt. So hat das Land beispielsweise nach Spanien mit zuletzt 23,9 Prozent die zweithöchste Jugendarbeitslosigkeit (Österreich: 10,3 Prozent) in der EU.
Etliche Gemeinsamkeiten
Bei den vielen Unterschieden haben die drei Länder Schweden, Finnland und Österreich aber auch etliche Gemeinsamkeiten. So zählen Österreich, Schweden und Finnland etwa zu jenen EU-Volkswirtschaften mit einem starken industriellen Kern und hohen Investitionen in F&E. Und: Alle drei Länder sind auch EU-Nettozahler.
Pro Kopf liegt der EU-Nettobeitrag zwischen 100 (Finnland), 124 (Österreich) und 160 Euro (Schweden) pro Jahr. Felbermayr sagt, damit rede man von rund 50 Cent pro Tag und Einwohner. „In der öffentlichen Debatte herrscht hier oft eine völlig verzerrte Wahrnehmung.“
Dafür werden die Kosten eines EU-Austritts unterschätzt: Das Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum in der EU zwischen 2016 bis 2028 gibt der Internationale Währungsfonds mit 21 Prozent an, bei Großbritannien kommen die Experten nur auf acht Prozent. Auf Basis dieses Vergleichs warnt der WIFO-Chef: „Spielen Sie nicht mit dem Gedanken eines Öxits, Schwexits oder Fixits. Die EU und der Binnenmarkt sind unsere beste Versicherung gegen globale Risiken und Schocks.“
Das sieht auch der finnische Politologe Juha Jahoka so. Während in Schweden und Österreich seiner Meinung nach vor allem die wirtschaftlichen Gründe für den EU-Beitritt gesprochen haben, waren es in Finnland vor allem die Sicherheitsüberlegungen – gegeben der 1.300 Kilometer langen Grenze mit Russland. Das Sicherheitsargument war Jahokas Meinung auch beim späteren Beitritt Finnlands zur Eurozone entscheidend - und wohl auch beim NATO-Beitritt 2023.
Jahoka: „So wurde Finnland fest im Westen verankert und mit einer Währung gemeinsam mit großen Ländern wie Deutschland oder Frankreich auch nicht mehr allein gelassen.“
4 Prozent Forschungsquote
Über die Zukunft sagt der Generaldirektor für EU-Angelegenheiten im Amt des finnischen Ministerpräsidenten Jari Luoto: „Die Wettbewerbsfähigkeit wird gestärkt, indem die Unternehmen die Integration digitaler Technologien gut beherrschen und die öffentlichen Dienste weitgehend digitalisiert sind. Da Forschung und Entwicklung der Schlüssel für den künftigen Erfolg sind, erhöht Finnland die staatlichen Mittel für Forschung und Entwicklung jährlich in erheblichem Umfang.“ Finnland will bis 2030 eine Forschungsquote von vier Prozent erreichen.
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