EU fehlt strategische Industriepolitik

EU fehlt strategische Industriepolitik
Um gegen unfairen Wettbewerb Chinas zu bestehen, muss sich Europa laut Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun wehren.

Die Geschäfte der österreichischen Elektro- und Elektronikindustrie (300 Unternehmen, 68.000 Mitarbeiter) brummen. Im Vorjahr konnte die Produktion um mehr als acht Prozent auf 18,83 Milliarden Euro gesteigert werden. Heuer beträgt die Produktionssteigerung rund 2,5 Prozent. Mehr als vier Fünftel der Produkte werden exportiert, mehr als 13 Prozent gehen nach China.

Doch die Zukäufe Pekings auf dem Technologiesektor in Europa und die subventionierten Exporte aus China machen auch hierzulande der Industrie Kopfzerbrechen. Dazu kommt, dass die chinesischen Staatskapitalisten fast 50 Wirtschaftsbereiche für ausländische Investoren de facto gesperrt haben.

„Wir können uns so einem Wettbewerb ohne Gegenwehr nicht aussetzen“, sagt Wolfgang Hesoun, Siemens-Österreich-Chef und neuer Präsident des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI). Er beklagt, dass Europa „keine funktionierende Industriepolitik hat“. Seiner Vorgängerin Brigitte Ederer fügt dazu: „Der Luftfahrtkonzern Airbus ist der einzige europäische Konzern, wir wünschen uns mehr Konzerne wie Airbus.“ Sie kritisiert auch, dass es bisher keine gemeinsame europäische Zugindustrie gibt, um gegen China bestehen zu können.

Fusion verhindert

Kein Wunder, hat doch die EU-Wettbewerbskommissarin die Fusion des französischen Bahnbauers Alstom mit der Bahnsparte von Siemens im Februar 2019 untersagt. Mit der Fusion hätte man dem chinesischen Staatsbahnkonzern CRRC, der massiv nach Europa drängt, Paroli bieten wollen. CRRC versucht mittlerweile über einen Deal mit der österreichischen Westbahn eine europäische Zulassung zu ergattern. Das Fehlen einer strategischen EU-Industriepolitik sei außerdem der Grund, dass es in Europa bisher weder Batteriefabriken für E-Autos noch einen Cloud-Anbieter, sprich IT-Speicheranbieter, gibt.

Die Europäer könnten laut Ederer bloß zwischen US-Cloudanbietern und solchen aus China wählen. Das österreichische Außenwirtschaftsgesetz, das Direktinvestitionen in österreichische Unternehmen aus Drittstaaten verhindert, falls diese Investitionen Sicherheit und öffentliche Ordnung bedrohen, hält Hesoun „für einen Schritt in die richtige Richtung“.

Schwerpunkt IT "zu wenig ausgeprägt"

Indes ist Österreichs Elektronikindustrie bei der Digitalisierung weiter als andere EU-Länder. Stichwort Klimawandel. „Bei der Effizienzsteigerung in der Energiewirtschaft sind wir Vorreiter“, sagt Hesoun. „Wir fordern Rahmenbedingungen, die uns in die Lage versetzen, diese Technologien vorwärts zu bringen.“

Der Siemens-Österreich-Chef geht davon aus, dass die grünen Technologien (E-Autos, Wasserstoff-Busse) in den nächsten Jahren nebeneinander existieren werden. Ob die Klimaziele der EU realistisch sind, werden erst die nächsten Jahre zeigen. Auch Bildung und Ausbildung stehen für Hesoun ganz oben auf die Prioritätenliste. „An den Unis findet gute Ausbildung statt. Wir benötigen aber viele Mitarbeiter mit Schwerpunkt IT“, sagt Hesoun. „Das war in den vergangenen Jahren zu wenig ausgeprägt.“

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