Dynatrace-Mitgründerin: "Bei Zweisprachigkeit noch Luft nach oben"

Sok-Kheng Taing von Dynatrace im schwarzen Pullover lächelt im Gespräch.
Der global agierende IT-Konzern hat seine größte Niederlassung in Linz. Mitgründerin Sok-Kheng Taing wünscht sich mehr Internationalität.

Dieser Um- und Zubau ist ein Großprojekt und ein Hingucker im Linzer Stadtbild. Vor 20 Jahren gründete Sok-Kheng Taing mit Studienkollegen das IT–Unternehmen Dynatrace, 2019 kam der Börsengang.

Obwohl es mittlerweile zahlreiche Niederlassungen weltweit gibt und die Zentrale in den Vereinigten Staaten liegt, ist jene in Linz die größte und das Herz der internationalen Softwareentwicklung. Auch nach 20 Jahren in der Region setzt sich die 50-Jährige nach wie vor für den Standort in Oberösterreich ein.

Wie geht es mit dem Umbau voran? Verläuft alles nach Plan?

Sok-Kheng Taing: Ja, wir werden sicher im nächsten Jahr einziehen. Was spannend ist: Es entsteht das erste Mal ein Betriebskindergarten. Es wird im Vollbetrieb Platz für 90 Kinder geben. Das Angebot wird bilingual, also Deutsch und Englisch sein. Und wir wollen ’MINT’ spielerisch vermitteln.

Der Kindergarten wurde bei der Planung des neuen Campus’ also mitgedacht.

Natürlich, wir werden mit dem Familienbund als Trägerverein zusammenarbeiten, derzeit suchen wir eine Leitung, die unsere Werte vertritt und das pädagogisch didaktische Konzept weiterentwickelt.

Welche Werte sind das?

Offenheit gegenüber anderen Kulturen, Wertschätzung füreinander, Kommunikation auf Augenhöhe.

Im Endausbau des Standorts werden 1.500 Menschen Platz im Gebäude finden. Gibt es denn in OÖ überhaupt so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Obwohl wir weltweit die größte Niederlassung sind, gibt es die noch nicht. Wir sind stark auf der Suche nach Experten aus dem Ausland. Der Anteil der Internationals liegt derzeit bei 35 % und wir haben die Ambition, diesen künftig zu steigern.

Warum ist das so?

Der Bedarf an Fachkräften, den wir haben, kann durch Einheimische nicht abgedeckt werden. Ein Beispiel: Alleine im Research and Development Department wurden zuletzt jährlich 300 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt.

Welche Ansprüche haben junge, gut ausbildete Fachkräfte an Unternehmen? Ist es die “Lifestyle-Teilzeit“, die Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer kürzlich erwähnt hat?

Teilzeit kann in bestimmten Lebenssituationen die beste Variante sein. Und wir ermöglichen das natürlich. Ich denke, es ist ein Geben und Nehmen. Das heißt, wir kommen den Menschen bestmöglich entgegen und genauso sie uns.

Der Ausbau in dieser Dimension ist ein Bekenntnis zum Standort Oberösterreich und Linz. Was war und ist ausschlaggebend, das Herzstück des Unternehmens hier zu festigen?

Das Know-how ist hier. Das heißt, hier findet die Produktentwicklung statt, hier werden die Innovationen global vorangetrieben. Wir haben auch ein dediziertes Forschungsteam, auf der Uni und vor Ort. Die Kollaborationen mit den Bildungsinstituten sind ein wichtiger Bestandteil für uns. Aber wir müssen mehr tun, denn wir brauchen mehr Fachkräfte um dieses Wachstum, diese hohe Nachfrage nach unseren Produkten ermöglichen zu können.

Zwei Frauen in einer Interview-Situation

Dynatrace-Gründerin Sok-Kheng Taing (li.) im Gespräch mit KURIER-Redakteurin Claudia Stelzel-Pröll.

Wie gestalten sich die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen am Standort?

Es gibt natürlich Spannungsfelder. Was schon gut funktioniert, ist die Rot-Weiß-Rotkarte. Und das Business Immigration Office in Linz. Bei der Zweisprachigkeit ist noch viel Luft nach oben. Es ist wirklich nötig, dass internationale Fachkräfte bei öffentlichen Anlaufstellen mit Englisch durchkommen. Das heißt auch, dass alle Informationen, Formulare und Webseiten auf Englisch verfügbar sein müssen. Das muss bereits bei den Einreisedokumenten beginnen. Da geht es auch um die Signalwirkung. Bei Neueinstellungen in offiziellen Stellen könnte ein Augenmerk darauf gelegt werden, dass Englischkenntnisse vorhanden sind. Im Tourismus sind wir das gewohnt, da erwarten wir nicht, dass jeder Deutsch spricht. Aber von internationalen Fachkräften wird sogar erwartet, dass sie Dialekt sprechen.

Sind das die Erfahrungen der Internationals?

Ja, das wird mir teils rückgespiegelt. Dazu eine Anekdote: Ich war kürzlich in einem Coffeeshop in Linz. Dort hat ein junger Mann gearbeitet, er hat gerade sein FH-Studium im Bereich Electrical Engineering beendet und sich bei Industriebetrieben in OÖ beworben. Ich dachte, er wird sehr gefragt sein. Er verneint das. Ich frage, woran das liegt. Er sagt: An den mangelnden Deutschkenntnissen. Ich sage: ’Ich verstehe das nicht, wir sprechen ja Deutsch miteinander.’ Seine Antwort war, dass aber sehr gute Deutschkenntnisse verlangt würden. Genau aus diesem Grund halte ich oft Plädoyers für mehr Offenheit.

Welche Hürden gibt es sonst am Standort?

Unsere internationalen Fachkräfte kommen meist nicht alleine nach Oberösterreich, sondern mit ihren Familien. Das ist eine einschneidende Entscheidung. Wir müssen es ihnen so einfach wie möglich machen – beim Ankommen, bei den Formalitäten, bei der Suche nach einem Job für die Partnerin oder den Partner.

Wir befinden uns im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe. In anderen Ländern ist Mehrsprachigkeit ja auch möglich. Ich war kürzlich in Japan. Wenn man dort mit den Öffis unterwegs ist, kommen die Durchsagen auf Japanisch, Chinesisch und Englisch.

Frau im schwarzen Pullover gestikuliert mit ihren Händen

Fordert mehr Entgegenkommen für internationale Fachkräfte: Sok-Kheng Taing

Das soll in Österreich auch so werden?

Das würde Sinn machen. Wenn wir die besten Köpfe dann in Oberösterreich haben, geht es darum, sie bei der Integration zu unterstützen, etwa mit Deutschkursen.

Das Thema betrifft ja nicht nur uns, sondern viele Unternehmen, sie alle brauchen internationale Fachkräfte. Wir sind bekannt für den Tourismus, aber nicht als attraktiver Job-Markt. Das Ziel muss sein, hier zu den Top-Destinationen zu gehören.

Wie sehr stehen sich da Unternehmen in Oberösterreich gegenseitig im Weg?

Konkurrenz ist nicht unser Ansatz. Wir haben alle Bedarf an internationalen Fachkräften, also erweitern wir gemeinsam den Talentepool. Das höre ich auch von anderen Unternehmen, die international präsent sind. Das hat eine Sogwirkung. Wir wollen gemeinsam, dass dieser Standort der Dreh- und Angelpunkt für IT- Fachkräfte wird.

Viele Unternehmen jammern über die hohen Energiekosten. In Amerika, wo die Dynatrace-Zentrale ist, sind die Energiekosten wesentlich niedriger.

Das ist richtig, aber wir haben keine Anlagen. Durch den vermehrten Einsatz von KI in der IT steigt generell der Energiebedarf. Wir haben ein Produkt entwickelt, mit dem unsere Kunden diesen Bedarf optimieren und so Verbrauch und Kosten minimieren können. Diese Lösung setzen wir natürlich auch für uns selbst ein.

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