„Die Älteren nehmen niemandem den Job weg“

„Die Älteren nehmen niemandem den Job weg“
Um dem Fachkräftemangel zu lindern, sollte die Kinderbetreuung ausgebaut werden. Die Steuerbefreiung für Überstunden könnte Anreiz dafür sein, mehr zu arbeiten.

Die Stimmung in Österreichs Unternehmen ist nicht schlecht, aber jeder zweite Betrieb ist von der Coronakrise, den Preissteigerungen und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine stark betroffen. Das ergibt eine aktuelle Market-Umfrage für die Wirtschaftskammer Österreich (WKO).

„Die Unternehmen müssen Rohstoffe und Vorprodukte teuer einkaufen, dazu kommen die gestiegenen Energiekosten und die steigenden Arbeitskosten“, sagt WKO-Präsident Harald Mahrer. „Drei Viertel der Unternehmer wollen aber ihr Personal halten. Das spricht für die Stabilität unserer Volkswirtschaft in einer angespannten Situation.“

Eines der Hauptthemen, wo der Schuh drückt, ist der Facharbeitermangel. Für 82 Prozent der 1.000 befragten Unternehmer und 2.000 privaten Personen sind der Ausbau der Kinderbetreuung und die besseren Kinderbetreuungszeiten der zentrale Schlüssel zur Reduktion des Fachkräftemangels. Fast drei Viertel halten auch die Steuerbefreiung von Überstunden ebenfalls sinnvoll im Kampf gegen den Fachkräftemangel.

„Die Älteren nehmen niemandem den Job weg“

Beruf und Familie

Um aber Beruf und Familie vereinbaren zu können, bedarf es laut Mahrer einer „echten Wahlfreiheit“ für die Bürger. „Die Menschen sollen selber entscheiden“, sagt der WKO-Chef. „Was ich dafür brauche, ist ein Angebot an Unterstützungsleistungen zum Beispiel im System der Kinderbetreuung. Wenn jemand sagt, er möchte mehr arbeiten, dann muss es sich anreizorientiert für die Person auszahlen.“ Dafür bedürfe es eines gemeinsamen Schulterschlusses von Bund, Länder und Gemeinden. Eine generelle Gratis-Kinderbetreuung sei nicht finanzierbar, aber die öffentliche Hand müsse dafür schon mehr Geld in die Hand nehmen.

„Was sind wir denn für ein modernes Land, wenn wir nicht die Ambition haben, eine Systematik auf die Beine zu stellen, in der sich die Mehrarbeit auszahlt und nicht aufgefressen wird, durch die Notwendigkeit eine Kinderbetreuung finanzieren zu müssen“, sagt Mahrer. „Geld allein ist aber nicht das Allheilmittel. Die Menschen schauen sehr genau darauf, wie gut die Betreuungsqualität ist.“ Nachsatz: „Ich wünsche mir endlich eine ehrliche Debatte, wenn wir diese verschlafen, werden wir einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil haben.“

Steuerbefreiung

Auch die Steuerbefreiung von Überstunden wäre laut Umfrage für jeden zweiten Befragten Motivation, mehr zu arbeiten. „Man muss auch mit dem Märchen aufräumen, dass die Jungen nicht leistungsbereit sind“, sagt Mahrer. Denn die Umfrage ergibt, dass 70 Prozent der 16- bis 29-Jährigen bereit sind, mehr zu arbeiten, „wenn sie mehr Netto vom Brutto erhalten“.

Ein Märchen sei es auch, dass ältere Arbeitnehmer, die teurer sind, den jüngeren Günstigen den Job wegnehmen. Es gelte Anreize zu schaffen, wenn jemand länger arbeiten will. „Die Älteren nehmen niemandem den Job weg“, sagt der WKO-Chef. Im Gegenteil: Es fehlen 220.000 Arbeitskräfte.

Apropos ältere Arbeitnehmer: 83 Prozent der über 60-Jährigen können sich vorstellen, nach dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter etwas dazu zu verdienen, wenn auf das Zusatzeinkommen keine Abgaben entrichtet werden müssen. Etwa die Hälfte der Befragten würde fünf bis zehn Stunden pro Woche arbeiten.

„Unser Land hat in den letzten Jahren den Kompass aus der Hand gelegt und ist ein bisschen vom Kurs abgekommen“, sagt Mahrer. „Wir sind alle gefordert, mehr hinzuschauen und sich nicht bei den brennenden Fragen wegzuducken, es gilt aufzuwachen, anstatt besondere Entwicklungen zu verschlafen.“

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