Deutsche Inflationsrate stieg auf 10 Prozent - der höchste Wert seit 1951
Die deutschen Verbraucherpreise sind im September wegen teurer Energie so stark gestiegen wie seit Anfang der 1950er-Jahre nicht mehr. Nach dem Wegfall von 9-Euro-Ticket und Tankrabatt kosteten Waren und Dienstleistungen durchschnittlich 10,0 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag eine frühere Schätzung bestätigte. Im August hatte die Inflationsrate noch 7,9 Prozent betragen.
"Hauptursachen für die hohe Inflation sind nach wie vor enorme Preiserhöhungen bei den Energieprodukten", sagte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Georg Thiel. "Aber wir beobachten zunehmend auch Preisanstiege bei vielen anderen Gütern, besonders bei den Nahrungsmitteln."
Hohe Energiepreise
Energie kostete im September 43,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Dabei haben sich die Preise für leichtes Heizöl binnen Jahresfrist mit plus 108,4 Prozent mehr als verdoppelt, die Teuerung für Erdgas betrug 95,1 Prozent. Für Strom wurden 21,0 Prozent mehr verlangt, für Kraftstoffe 30,5 Prozent mehr.
Nahrungsmittel verteuerten sich um 18,7 Prozent. "Insgesamt hat sich der Preisauftrieb hierfür seit Jahresbeginn sukzessive verstärkt", so die Statistiker. Erheblich teurer wurden Speisefette und Speiseöle (+49,0 Prozent) sowie Molkereiprodukte und Eier (+29,1). Auch für Fleisch und Fleischwaren (+19,5 Prozent) sowie für Brot und Getreideerzeugnisse (+18,5) erhöhten sich die Preise für Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar.
Kein Ende in Sicht
Das Ende der Fahnenstange ist damit noch nicht erreicht. "Die Inflationsrate dürfte in den kommenden Monaten auf jeden Fall auf elf Prozent steigen", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser kürzlich. Auch als Folge der stark gestiegenen Energiepreise wollen viele Unternehmen die höheren Kosten an ihre Kunden weiterreichen, wie das Münchner Ifo-Institut bei seiner Umfrage herausfand. Demnach planen etwa alle Lebensmittelhändler mit Preiserhöhungen. "Das birgt natürlich sozialen Sprengstoff, denn die Haushaltseinkommen steigen weit weniger", sagte Wollmershäuser. Ab 2023 dürfte dann die von der deutschen Regierung angekündigte Gas- und Strompreisbremse wirken.
Die deutsche Regierung prognostiziert für das laufende Jahr eine durchschnittliche Teuerungsrate von 8,0 Prozent, die 2023 auf 7,0 Prozent fallen soll. Ohne die geplanten Preisbremsen bei Strom und Gas wären es nächstes Jahr noch deutlich mehr, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Für 2024 kalkuliert die Regierung mit einer Inflation von 2,4 Prozent. Habeck verwies bei der Vorlage der Regierungsprognose am Mittwoch auf die steigenden Leitzinsen in Europa. "Das wird sicherlich wirken." Außerdem dürften die Energiepreise - der Haupttreiber der Inflation - 2024 nachlassen durch staatliche Maßnahmen sowie ein ausgeweitetes Angebot.
Hohes Rezessionsrisiko
Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in Deutschland hat sich einer Studie zufolge außerdem deutlich erhöht. Für das laufende vierte Quartal von Oktober bis Dezember sei das Risiko auf 80,8 Prozent gestiegen, wie aus dem Reuters am Donnerstag vorliegenden Indikator des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hervorgeht. Anfang September betrug die Wahrscheinlichkeit für die folgenden drei Monate noch 64,1 Prozent.
Das nach dem Ampelsystem arbeitende Frühwarninstrument steht wie in den Vormonaten auf "rot", was auf eine akute Rezessionsgefahr hinweist.
"Wir steuern auf eine vom rückläufigen Konsum getriebene Rezession zu, weil viele Menschen bei anderen Ausgaben sparen, um Energie- und Lebensmittelpreise noch bezahlen zu können", sagte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. "Deshalb ist es wichtig, dass die Kaufkraft der Bevölkerung gestützt wird." Die absehbare Entlastung durch eine Gaspreisbremse sei ein wichtiger Beitrag dazu. Würde der Vorschlag der Gaspreiskommission eins zu eins umgesetzt, brächte das den privaten Haushalten bis zum Frühjahr 2024 eine Entlastung von rund 35 Mrd. Euro. Das federe den befürchteten Konsumrückgang ab und könnte das Wirtschaftswachstum um rund einen Prozentpunkt steigern, während die Inflation merklich niedriger ausfallen dürfte als ohne Gaspreisbremse, sagte Dullien. Ein weiterer Baustein zur Stabilisierung von Kaufkraft und Konjunktur seien angemessene Lohnerhöhungen.
Kommentare