Chiphersteller Nvidia gibt den Takt an den Börsen vor
Bis Mitte der Vorwoche war die Welt an den Finanzmärkten noch in Ordnung. Die Indizes erreichten etwa in den USA oder Deutschland im Herbst laufend Rekordstände und auch in Wien war der Leitindex ATX drauf und dran, die 5.000-Punkte-Marke zu übertreffen und damit auch sein Allzeithoch aus dem Jahr 2007. Doch zu früh gefreut. Das Ende des längsten Shutdowns der US-Geschichte markierte auch das Ende einer unbändigen Aufwärtsbewegung.
Die drei wesentlichen Gründe dafür:
Nvidia-Bilanz
Das mit einem Wert von knapp 4,6 Billionen Dollar weltgrößte börsenotierte Unternehmen legt am Mittwoch nach Handelsschluss Quartalszahlen vor. Auf diese wartet nicht nur die Techbranche, sondern alle Marktteilnehmer gespannt. Denn in jüngster Zeit nahmen die Sorgen zu, dass sich eine Techblase gebildet hat, deren größte Ausprägung die Künstliche Intelligenz darstellt.
„Bei KI ist viel Fantasie eingepreist, aber noch wird relativ wenig Geld verdient“, sagt Christoph Obererlacher, CEO des Finanzberaters Swiss Life Select Austria. Dennoch seien im Nasdaq-Index von 3.000 Titeln nur 15 bis 30 Werte direkt vom KI-Geschäft abhängig, gibt er zu bedenken. Und viele Aktien seien gar nicht überhitzt. „Der Anstieg der Börsen war gerechtfertigt.“
Laut Vincent Mortier, Chief Investment Officer bei Amundi, stellt sich die Frage, wie sich KI zu Geld machen lasse, da vielen Nutzern die Basisversion genüge. Zudem gebe es immer mehr Wettbewerb, darunter auch Open Source-Anbieter.
Einige Investoren haben bei Nvidia bereits vorsorglich Kassa gemacht und sind mit hohen Gewinnen ausgestiegen. Darunter auch der Hedgefonds des Tech-Milliardärs Peter Thiel. Dieser verkaufte im dritten Quartal seine gesamte Beteiligung an Nvidia. Die Aktie selbst verlor im November 8 Prozent an Wert.
Ungeachtet der Befürchtungen einer Blase bleibt die Nachfrage nach Nvidia-Chips stark, da Cloud-Giganten wie Microsoft Milliarden in KI-Rechenzentren investieren. Jensen Huang, CEO von Nvidia, sagte jüngst, dass der Konzern bis 2026 Aufträge im Wert von 500 Mrd. Dollar hat.
US-Zinspolitik
Neben Nvidia hat die US-Zinspolitik aktuell großen Einfluss auf das Börsengeschehen. Denn die Mehrzahl der Marktteilnehmer hatte ursprünglich eine weitere Zinssenkung der US-Notenbank Fed für Dezember eingepreist. Niedrigere Zinsen beflügeln in der Regel die Kurse, da sich Unternehmen günstiger Fremdkapital beschaffen können. Doch die Senkung steht inzwischen auf der Kippe, da die Inflation mit rund drei Prozent zu hoch ist. Tiefere Zinsen würden diese weiter anheizen.
Bei der letzten Zinssitzung Ende Oktober gab es große Uneinigkeit über den weiteren Kurs der Notenbank. Die Währungshüter zeigten sich demnach mit Blick auf die nächste Sitzung im Dezember in drei Lager gespalten. Einige Teilnehmer gingen davon aus, dass eine weitere Senkung im Dezember angemessen wäre. Andere sahen niedrigere Zinsen zwar als letztlich angemessen an, aber nicht unbedingt schon im Dezember. Viele Teilnehmer schlossen eine Zinssenkung im Dezember jedoch bereits aus.
„Eine Zinssenkung wäre eine positive Überraschung“, sagt Obererlacher im KURIER-Gespräch. US-Notenbankchef Jerome Powell lasse sich von Präsident Donald Trump keinen Druck machen. Erst nächstes Jahr werde die Inflation weitere Senkungen zulassen. Bei Amundi hingegen geht man weiterhin von einem Zinsschritt heuer und zwei weiteren nächstes Jahr aus.
Arbeitsmarkt
Am Donnerstag hätten erstmals nach dem Shutdown wieder Arbeitsmarktdaten veröffentlicht werden sollen. Diese liefern Erkenntnisse über den Zustand der US-Wirtschaft. Fallen sie schlecht aus, wäre das laut Obererlacher aus Sicht der Unternehmen nicht zwingend negativ. Denn dann wäre Personal günstiger zu bekommen. Die Fed achtet bei ihren Zinsentscheidungen auch auf den Arbeitsmarkt. Sind die Zahlen schwach, könnte dies für eine Senkung sprechen.
Doch die Fed wird bei ihrer Sitzung am 10. Dezember über diese Daten nicht verfügen. Die Veröffentlichung wurde am Mittwoch überraschend auf 16. Dezember verschoben.
Jahresendrallye
Obererlacher gibt zu bedenken, dass statistisch betrachtet das vierte Quartal im S&P-Index zu 90 Prozent positiv ausfalle, wenn auch das dritte schon gut verlief. Das sei auch heuer der Fall gewesen. Und generell seien drei Viertel aller Börsenjahre positiv, was für langfristige Investments spreche. Ein zwischenzeitlicher Rückgang von 5 bis 15 Prozent sei etwas ganz Normales. „Ich glaube nicht an einen ganz großen Rücksetzer.“
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