Chinas Konkurrenz zur Weltbank: „Sind eine recht normale Bank“

Chinas Konkurrenz zur Weltbank: „Sind eine recht normale Bank“
AIIB-Chefjurist Gerard Sanders hofft, dass Österreichs Banken sich an Projekten beteiligen.

Die Skepsis war groß, als China 2015 mit viel Pomp die Asiatische Infrastruktur-Investitions-Bank (AIIB) aus der Taufe hob. Peking wolle seine Machtinteressen über den Kontinent ausrollen und Abhängigkeiten schaffen, lauteten Vorwürfe. Auch daran, ob die Bank die üblichen Vergabe-, Umwelt- und Sozialstandards einhalten würde, gab es Zweifel.

Seither ist es ruhig geworden. „Ein Anzeichen, dass wir eine recht normale Entwicklungsbank geworden sind“, sagt Gerard Sanders in Wien zum KURIER – als oberster Rechtsberater ist der Neuseeländer die rechte Hand des AIIB-Präsidenten Jin Liqun.

Mittlerweile hat die AIIB 25 Projekte mit 4,4 Milliarden Dollar Volumen bewilligt. Einige Beispiele: In Zentralindien sollen 10.000 Kilometer Schotterstraßen befestigt werden (AIIB-Beitrag 140 Mio. Dollar). In der philippinischen Hauptstadt Manila werden der Hochwasserschutz und Pumpstationen erneuert (208 Mio. Dollar). In 154 indonesischen Slums soll die Wasserver- und Müllentsorgung (217 Mio. Dollar) modernisiert werden. In Ägypten werden Solarkraftwerke errichtet (bis zu 210 Mio. Dollar). Das einzige Projekt in China soll die Luftgüte in Peking verbessern.

Chinas 27 Prozent

Viele dieser Vorhaben werden gemeinsam mit anderen Entwicklungsbanken wie Weltbank und Asiatischer Entwicklungsbank (ADB) finanziert. Auch das sei ein „Vertrauensbeweis“, betont Sanders. Dazu muss man wissen: Japan und die USA sind die großen Abwesenden und waren die schärfsten AIIB-Kritiker, weil diese im Revier von Weltbank und der ADB wildert, die seit Jahrzehnten von den Amerikanern und Japanern dominiert werden.

Aber wie groß ist Chinas Einfluss auf die AIIB nun tatsächlich? Von dort ging die Initiative aus, der Sitz ist Peking, der Präsident ist Chinese und China hat den größten Stimmanteil von 26,6 Prozent. „Das ist bedeutsam, sollte aber nicht übertrieben werden“, sagt Sanders. Im Alltag entspreche der Einfluss ungefähr dem Stimmrechtsanteil. Dass viele Projekte sich mit der „Neuen Seidenstraße“ decken, liege in der Natur der Sache. Chinas Prestigeprojekt sei aber weder in der AIIB-Charta erwähnt, noch beeinflusse es Entscheidungen.

Breitspurige Pläne

Laut Charta könnte die AIIB Projekte außerhalb der Region finanzieren, wenn sie Asiens Interessen dienen. Theoretisch wäre also sogar eine Unterstützung der Breitspurbahn nach Österreich denkbar – wobei den asiatischen Teil zu bewilligen die leichtere Übung wäre.

Mit 0,68 Prozent sind Österreichs Stimmrechte eher bescheiden. Was bringt die Mitgliedschaft? Als Gründungsmitglied sitze man mit am Tisch, sagt Sanders. Und eine Entwicklungsbank sei ein langfristiges Investment, das sich nicht an schnellem Profit messen lasse. Wenn das Wachstum und die Produktivität in Asien steigen, profitierten auch Europa und andere Teile der Welt. Er hofft, dass Österreichs Geschäftsbanken sich an Projekten beteiligen: Aus seiner Zeit bei der Osteuropabank (EBRD) in London kenne er die wichtige Rolle, die die heimischen Institute als „Drehscheibe und Türöffner“ in Osteuropa gespielt hätten.

Chinas Konkurrenz zur Weltbank: „Sind eine recht normale Bank“

Zur  Entwicklungsbank

Die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank hat ihre Tätigkeit im Jänner 2016 aufgenommen und bisher 25 Projekte um 4,4 Milliarden Dollar bewilligt. 64  Länder sind Mitglieder, 22 haben ihr Interesse bekundet. Kurios: Laut UN-Definition gehört das Euroland Zypern zu Asien und gilt somit als Regionalmitglied der AIIB. Der mit Abstand größte Eigentümer ist China mit 26,65 Prozent der Stimmrechte, gefolgt von Indien (7,66 %), Russland (6,04 %) und Deutschland (4,22 %). Österreich kommt auf 0,68 Prozent. Die Bank mit Sitz in Peking zählt 159 Mitarbeiter aus 37 Nationen. Gerüchteweise könnte noch Ende Juni eine erste milliardenschwere Dollar-Anleihe aufgelegt werden. Die Voraussetzungen wären erfüllt: Die Bank hat ein Toprating (AAA) bei allen drei  Ratingagenturen.

KURIER: Um die AIIB ist es nach ihrer Gründung sehr ruhig geworden. Warum?

Gerard Sanders: Das ist ein Anzeichen, dass wir eine ziemlich normale multilaterale Entwicklungsbank geworden sind. Die Ängste, die viele hatten, etwa dass Umwelt- oder Sozialstandards vernachlässigt würden, haben sich nicht bewahrheitet. Inzwischen sind 86 Länder Mitglieder oder wollen es werden.

Was kann denn Österreich als Mitglied mit  einem Anteil von nur 0,68 Prozent ausrichten?

Österreich war eines der Gründungsmitglieder, deshalb steht dem Land sogar mehr Stimmgewicht zu als anderen. Generell geht es darum, Wachstum und Produktivität in Asien zu verbessern, wovon auch Europa und andere Teile der Welt profitieren.

Das heißt, man darf das eingesetzte Kapital nicht an einem direkten Ertrag messen?

Nicht in dem Sinn, dass jeder Dollar gleich einen Return liefert. So funktionieren Entwicklungsbanken nicht, das ist ein Investment mit langem Zeithorizont. Die Vorteile für Österreich daraus sind aber durchaus real.

Wie könnte sich Österreich einbringen?

Die Kreditvergabe funktioniert nicht viel anders als bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) oder der Internationalen Finanz-Corporation (IFC). Ein wichtiger Faktor ist die Zusammenarbeit mit Geschäftsbanken. Ich denke, das sollte gerade für Österreichs Geldinstitute interessant sein. Bei der EBRD habe ich selbst früh Wiens wichtige Rolle als Drehscheibe und Türöffner in Richtung Osteuropa kennen gelernt. Dort und auch auf dem Balkan könnten Investitionsprojekte entstehen.

Die AIIB wird oft in einem Atemzug mit Chinas „Ein Gürtel, eine Straße“, also der Neuen Seidenstraße, genannt. Zu Recht?

Es gibt den Konnex, dass einige Projekte in Ländern stattfinden, die Teil der Seidenstraße sind. Das ist aber der einzige Zusammenhang – weder nimmt die AIIB-Charta Bezug zur Seidenstraßen-Initiative, noch fließt es in unsere Entscheidungen ein.

Die meisten bisherigen Projekte fallen aber sehr wohl in die Seidenstraßen-Region.

Natürlich, der Hauptfokus der AIIB liegt auf Asien. Nach der UN-Definition reicht diese Region von Zypern bis Japan, diese wird bei uns aber auf ganz Russland und den Pazifikraum ausgeweitet, also faktisch von Auckland bis St. Petersburg. Wir könnten aber sogar in Mitgliedsländern außerhalb der Region investieren, wenn es asiatische Interessen betrifft.

Also wäre sogar Österreichs Breitspurbahn zu Russland ein mögliches Projekt?

Ein Teil davon würde klar in unsere Kernregion fallen, das wäre der einfachere Part. Das Projekt müsste darüber hinaus Kriterien wie geografische Nähe und Verbesserung der asiatischen Verbindungswege erfüllen sowie einen Beitrag gegen den Klimawandel leisten. Ansehen könnte man es sich.

Welche Meilensteine hat es bisher gegeben?

Bisher wurden 25 Projekte bewilligt. Drei der ersten vier waren gemeinsam mit anderen Entwicklungsbanken wie der Weltbank und Asiatischen Entwicklungsbank ADB. Wir sehen das als Vertrauensbeweis, dass andere froh und willens sind, kofinanzierte Projekte mit uns abzuwickeln. Bei Großprojekten kann so das Risiko besser geteilt werden.

Chinas Konkurrenz zur Weltbank: „Sind eine recht normale Bank“

Wo und was waren die Projekte?

Das meiste betrifft das Transportwesen und den Energiesektor, zum Beispiel in Indien oder in Myanmar. Eher unüblich ist, dass sich der Oman, ein sehr reiches Land, an uns gewendet hat. Offenbar gab es Interesse, auf unsere Vergabestandards aufzubauen.

Wie sehr nimmt China nun tatsächlich Einfluss?

Die AIIB war eine chinesische Initiative, hat den Sitz in Peking, einen chinesischen Präsidenten und besitzt den größten Anteil. Das ist sicher bedeutsam, sollte aber auch nicht übertrieben werden. China hat klargemacht, dass es im Moment selbst nicht vorhat, Kredite zu nehmen. Das einzige Projekt war eines zur Verbesserung der Luftgüte in Peking. Im Alltag entspricht der Einfluss in etwa dem Stimmrechtsanteil, würde ich sagen. Wobei so gut wie alle Entscheidungen bisher konsensual getroffen wurden.

Das Board kann seine Entscheidungsgewalt an den Präsidenten abtreten. Das hat für viel Skepsis gesorgt.

Diese Möglichkeit haben die Gründungsmitglieder, also auch Österreich, beschlossen. Alles, was die grundlegende Politik und Strategie betrifft oder wo mit Projekten Neuland betreten wird, wird aber weiterhin auf Beschlüssen des Boards gründen.

Was ist dann der Sinn?

Wenn die Dinge laufen, könnte der Präsident mehr eigenständig entscheiden. Das bringt einen Gewinn an Effizienz. Das Board könnte Beschlüsse aber weiterhin an sich ziehen  und hinterfragen. Man darf nicht vergessen, dass der Präsident dann auch in der Verantwortung steht.

Gibt es Pläne für Iran-Projekte? Wäre das bei den US-Sanktionen überhaupt möglich?

Der Iran ist ein Mitgliedsland, wir haben aber bisher keine Investments getätigt. Die AIIB ist unpolitisch, agiert aber in keinem Vakuum. Selbst wenn uns Sanktionen nicht direkt betreffen, könnten sie Auswirkungen haben, wenn wir Mittel aufstellen oder mit Banken kooperieren müssen.

Das heißt, es wäre schwierig?

Wenn es wirklich einfach wäre, hätten wir es schon getan. Das ist vielleicht die beste Antwort.

Die Europäer schaffen es selten, mit geeinter Stimme aufzutreten. Auch bei der AIIB-Gründung gab es unterschiedliche Standpunkte. Wäre es nicht  logischer, wenn die EU in ihrer Gesamtheit Mitglied beim IWF, der Weltbank, ADB und AIIB wäre – und nicht einzelne Staaten?

Interessante Frage. Rein formal wäre das vermutlich gar nicht möglich, bei der ADB oder Weltbank müssen die Mitglieder Einzelstaaten sein. Bei der AIIB sind auch Territorien zugelassen, so ist etwa Hongkong ein Mitglied. Es hält aber nichts die Europäer ab, sich zu koordinieren und als Block zu agieren. Zwei von 12 Direktoren sind übrigens aus der EU – ein Deutscher und ein Brite – die je einer Stimmrechtsgruppe mit Euro- und Nicht-Euroländern vorstehen. Die Europäer können also einen recht kräftigen Einfluss geltend machen.

Bisher hat die AIIB keine eigenen Anleihen begeben. Angeblich soll aber noch im Juni ein Dollarbonds aufgelegt werden?

Zum Zeitpunkt kann ich nichts sagen, das sind Spekulationen. Es stimmt, dass wir bisher keine Mittel am Kapitalmarkt aufgenommen haben, aber an den Grundlagen dafür arbeiten. Wir haben die bestmöglichen Ratings aller drei Agenturen erhalten, also ist das durchaus möglich.

Kommentare