Buwog-Causa: Warum Grasser noch länger nicht in Haft muss

Die erstinstanzlichen Urteile gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Co. in der Buwog-Causa sind im Wesentlichen in Ordnung – so lautet zumindest die Einschätzung der Generalprokuratur, die als „höchste Staatsanwaltschaft“ der Republik den Obersten Gerichtshof (OGH) berät.
Sie empfiehlt, den Kern der vor dreieinhalb Jahren ergangenen Schuldsprüche zu bestätigen. Der OGH ist daran zwar nicht gebunden, in der Regel folgt er aber den Empfehlungen der Generalprokuratur.
Damit wäre eine wichtige Etappe in dem Verfahren, das die Justiz seit nunmehr 20 Jahren beschäftigt, abgehakt. Ein Ende ist aber noch lange nicht in Sicht.
Makel in Nebensträngen
Rückblick: Im Dezember 2020 wurden Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Ex-FPÖ-Politiker Walter Meischberger, Ex-Lobbyist Peter Hochegger, Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics und vier weitere (weniger prominente) Personen nach 169 Verhandlungstagen u. a. wegen Untreue, Beweismittelfälschung und Geschenkannahme in der Buwog-Affäre zu Haftstrafen verurteilt.
Das schriftliche Urteil der damaligen Richterin Marion Hohenecker im Schöffenprozess umfasst 1.280 Seiten. Alle acht Verurteilten haben Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Schuldsprüche eingebracht und gegen die Strafhöhe berufen. Die Nichtigkeit wird vom OGH geprüft, und die Generalprokuratur hat nun eben in ihrem rund 160-seitigen Croquis (so nennt man derlei Stellungnahmen) die Schuldsprüche im Wesentlichen bestätigt. Im Wesentlichen – denn bei einigen Nebenaspekten wurden Makel beanstandet.
Nur bei zwei Verurteilungen wurden keine Makel entdeckt. Die Generalprokuratur empfiehlt hier, die Schuldsprüche zur Gänze zu bestätigen. Bei einer weiteren Verurteilung empfiehlt sie, den Schuldspruch zur Gänze aufzuheben.
Zurück an den Start
Zurück zu den Mängeln: Folgt der OGH der Empfehlung der Generalprokuratur, dann müssten die betroffenen Nebenaspekte von der ersten Instanz neu verhandelt werden. Und damit fallen auch die damals verhängten Strafen weg.
Bei Grasser lautet dieser Nebenaspekt Beteiligung an der Fälschung eines Beweismittels. Die Generalprokuratur ist der Ansicht, dass bei dem Urteil ein konkreter Sachverhaltsbezug fehlt.
Wird das Urteil aufgehoben, landet dieser Teil noch einmal beim Straflandesgericht Wien, und der/die jeweilige Richter/in ist dann auch am Zug, Grassers Gesamtstrafe neu zu bemessen. Für Grasser, der ursprünglich zu acht Jahren Haft verurteilt wurde, wird es also noch einmal spannend.
Ähnliches gilt für den Ex-FPÖ-Politiker Meischberger (der zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde), Ex-Lobbyist Hochegger (sechs Jahre) und Ex-Immofinanz-Chef Petrikovics (zwei Jahre): Auch in ihren Urteilen hat die Generalprokuratur einzelne Mängel entdeckt, wodurch der gesamte Strafausspruch gekippt werden könnte.
Angenommen, Grasser, Meischberger, Hochegger und Petrikovics werden von den Nebenaspekten freigesprochen und bekommen jeweils neue, niedrigere Gesamtstrafen: Auch damit ist es nicht erledigt. Denn auch gegen die neuen Strafen können sich die Betroffenen wehren. Zuständig für Strafberufungen ist das Oberlandesgericht.
Kurzum: Bis einer der im Dezember 2020 erstinstanzlich Verurteilten wirklich hinter Gitter muss, kann noch gut und gerne ein Jahr vergehen – tendenziell mehr.
4. Februar 2000
Karl-Heinz Grasser wird Finanzminister der ÖVP-FPÖ-Regierung
15. Juni 2004
Die Republik verkauft 62.000 Bundeswohnungen (BUWOG) an ein Austro-Konsortium um 961 Millionen Euro. Die unterlegene CA Immo hatte 960 Millionen Euro geboten
März 2007
Der Rechnungshof kritisiert die Privatisierung – der Verkaufspreis sei zu niedrig gewesen
Oktober 2009
Die grüne Abgeordnete Gabriela Moser zeigt Grasser, Peter Hochegger, Walter Meischberger und Ernst Karl Plech wegen Korruptionsverdachts an
Juli 2016
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Grasser, Meischberger, Hochegger, Plech und zwölf weitere wegen Korruptionsverdachts bei der Buwog-Privatisierung und beim Linzer Terminal Tower
12. Dezember 2017
Der Prozess gegen Ex‐Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Meischberger, Hochegger, Plech und elf weitere Angeklagte beginnt unter
großem Medieninteresse im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Richterin Marion Hohenecker ist Vorsitzende des Schöffensenats
4. Dezember 2020
Der Schöffensenat verurteilt in erster Instanz Grasser zu 8 Jahren Freiheitsstrafe, Meischberger zu 7 Jahren Haft, Hochegger zu 6 Jahren. Alle Verurteilten gehen in Berufung
Öffentlich, oder nicht?
Zunächst einmal aber muss der OGH eine Entscheidung fällen – und auch das wird noch dauern. Die Verteidiger haben zwei Monate Zeit, um Stellungnahmen abzugeben. Dann bleibt abzuwarten, ob der OGH die Entscheidung in einer nicht-öffentlichen Verhandlung trifft (auch das empfiehlt die Generalprokuratur), oder ob sie einen Gerichtstag ausschreibt.
Grassers Verteidiger Manfred Ainedter geht eher von Letzterem aus, da es aus seiner Sicht noch einige offene Fragen gebe, die es in einer öffentlichen Verhandlung zu klären gelte.
Das Croquis der Generalprokuratur sei „sehr oberflächlich in der Argumentation“, sagt Ainedter zum KURIER und betont, dass es sich dabei ja nur um eine „unverbindliche Empfehlung“ handle. Der OGH entscheide völlig unabhängig davon.
Der OGH könnte übrigens auch die Frage der Strafhöhe gleich selbst in die Hand nehmen und zumindest jene Teile fixieren, die von der ersten Instanz nicht neu aufgerollt werden müssen. Das ist 2010 bei der Bawag-Causa gegen Helmut Elsner – ebenfalls ein Mega-Prozess – schon vorgekommen. Was dazu beitrug, dass der Weg zumindest ein wenig abgekürzt wurde.
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