Branchenklima kühlt laut Bank Austria im Winter etwas ab

Einkaufsmanagerindex von Industrie und Dienstleistern im Dezember gefallen
Industrie, Bau und wirtschaftsnahe Dienstleistungen auf Wachstumskurs, aber Materialmangel bremst.

Die Bank Austria hat in ihrem heute veröffentlichten Branchenüberblick wieder die Sektoren der österreichischen Wirtschaft unter die Lupe genommen. Industrie, Bau und wirtschaftsnahe Dienstleistungen sorgen heuer für ein Wachstum über dem Niveau von 2019. Für viele Einzelhandelssparten und auch für den Autohandel bleibt 2021 ein schwieriges Geschäftsjahr, die Aussichten für 2022 sind jedoch besser. Dem Tourismus steht eine Restrukturierung bevor.

Österreichs Wirtschaft hat sich heuer trotz weiterer pandemiebedingter Einschränkungen rascher erholt als noch im Frühjahr angenommen. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung im Vorjahr von 4,6 Prozent nominell kann vollständig aufgeholt werden. Voraussichtlich wird das Niveau des Vorkrisenjahres 2019 nominell um wenigstens 2 Prozent übertroffen, erwarten die Ökonomen der Bank Austria. Dafür sorge die Entwicklung in der Industrie, am Bau und bei den wirtschaftsnahen Dienstleistungen.

Durchwachsene Lage im Tourismus

Das Branchenklima sei im November in den wichtigsten Sektoren und Branchen aufgeklart beziehungsweise sonnig geblieben. "Der aktuelle Branchenüberblick der UniCredit Bank Austria zeigt, dass seit dem dritten Quartal zwar der Vormaterialmangel und die zunehmenden Infektionszahlen den Aufholprozess bremsen. Im Vergleich zum November 2020, als der 3. Lockdown begann, zeichnen die aktuellen Klimaindikatoren vom November 2021 aber ein wesentlich optimistischeres Konjunkturbild", sagt UniCredit-Bank-Austria-Ökonom Günter Wolf am Montag in einer Aussendung. Für die Ermittlung des Branchenklima-Indikators werden die Entwicklung der Produktion und Umsätze bis Oktober den Konjunkturbefragungsergebnissen vom November gegenübergestellt.

Durchwachsen sieht die Lage in der Tourismusbranche aus. Die tourismusnahen Sparten konnten einen Teil ihrer massiven, pandemiebedingten Einbußen im zweiten und dritten Quartal 2021 wieder wettmachen. Nach dem Umsatzminus von 79 Prozent im ersten Quartal verbuchten die Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe in den zwei folgenden Quartalen ein Umsatzplus von durchschnittlich 19 Prozent. Gleichzeitig mit den seit August wieder stärker steigenden Infektionszahlen ist aber auch der Anteil pessimistischer Unternehmen in dem Bereich wieder gewachsen und kündigt weitere Umsatzeinbußen an.

Auch wenn Österreichs Tourismussektor nach dem Ende der Pandemie eine rasche Erholung erwarten kann, steht den Unternehmen aufgrund der hohen Einnahmenausfälle und der veränderten Reisegewohnheiten noch ein umfangreicher Restrukturierungsprozess bevor, erwarten die Ökonomen der Bank Austria.

Wachstumsimpulse bei Industrie und Elektro

Der Großteil der Industrie- und Bauunternehmen hatte im November eine steigende Auftragslage, sowohl Industrie und Bau klagten aber über Materialmangel als wesentliches Produktionshindernis. Das "sonnige Branchenklima" im Dienstleistungssektor im November war fast ausschließlich wirtschaftsnahen Sparten zu verdanken. Hingegen leiden die tourismusnahen und persönlichen Dienste wieder unter coronabedingten Nachfrageausfällen. Auch im Handel überwiegen bei den konsumnahen Sparten die pessimistischen Geschäftserwartungen. Hier kann mit einer weitgehenden Konjunkturerholung erst nach dem Ende der Lockdown-Maßnahmen gerechnet werden.

Im dritten Quartal 2021 kamen starke Wachstumsimpulse aus der Industrie vom Maschinenbau und der Elektronikindustrie. Der Bedarf an Informationstechnik wird 2022 weiter zunehmen, ebenso wie die Nachfrage nach Investitionsgütern, angeregt von der Investitionsprämie und öffentlichen Ausgaben. Die Metallwarenerzeugung, die Kunststoffverarbeiter und die Holzindustrie hatten im dritten Quartal Produktionszuwächse von deutlich über 10 Prozent. Allerdings ist das Produktionswachstum im dritten Quartal im Vergleich zum zweiten in den meisten größeren Industriebranchen deutlich abgekühlt.

Stark betroffene Kfz-Industrie

Die Auftragslage ist gut: Im Industriedurchschnitt berichten die Unternehmen im vierten Quartal einen Auftragsbestand, der eine Produktionsauslastung von 5,4 Monaten garantiert - das ist ein Wert, der zuletzt 2008 übertroffen wurde. Die Auslastung in den wachstumsstarken Jahren 2017 und 2018 lag bei durchschnittlich 5 Monaten.

Die Kfz-Industrie wird erst im Lauf von 2022 ihr Produktionsminus von 16 Prozent aus dem Vorjahr wieder aufholen, angetrieben vor allem von einer Welle neuer, angekündigter Fahrzeugmodelle. Die Branche ist im Industrievergleich vom Materialengpass am stärksten betroffen. Auch die Lebensmittel- und Getränkeproduktion wird erst 2022 das Vorkrisenniveau wieder erreichen. Dabei ist die Getränkeerzeugung wesentlich stärker als die Lebensmittelproduktion vom Lockdown betroffen.

Baukonjunktur verliert Schwung

Die Bauwirtschaft hat ihr Umsatzminus von 2,2 Prozent nominell 2020 längst wieder aufgeholt. Bis September 2021 sind die Umsätze im Hoch- und im Tiefbau jeweils um durchschnittlich 15 Prozent nominell gestiegen, doch auch hier macht sich Materialknappheit bemerkbar. Die Baukonjunktur wird 2022 an Schwung verlieren, heißt es im Branchenüberblick. Auch der Wohnbau wird 2022 nur wenig zulegen, da der Nachfrageüberhang großteils schon abgebaut wurde. Wachstumsimpulse kann die Bauwirtschaft im Bereich der Wohnbausanierung und vermutlich noch im Tiefbau erwarten.

Der starke Zuwachs der Baunachfrage 2021 und die zunehmende Baumaterialknappheit lösten einen Rekordanstieg der Baukosten aus. Im ersten Halbjahr konnten die Unternehmen im Wohnbau die gestiegenen Kosten auf die Preise überwälzen.

Im Kfz-Handel konnte das Umsatzminus 2020 von 11 Prozent nominell schon im ersten Halbjahr 2021 ausgeglichen werden. Seit Mitte 2021 sinken aber die Neuzulassungen. Die Sparte kann erst 2022 stärkere Absatzzuwächse erwarten, wenn sich die Lieferverzögerungen bei Neuwagen auflösen.

Negativrekord

Im Einzelhandel verhinderten im Vorjahr die Umsatzzuwächse des Lebensmittelhandels, der vom Ausfall der Gastronomie profitierte, stärkere Einbußen. Die Nicht-Lebensmittelsparten, die 2020 in Summe Umsatzeinbußen von 3,6 Prozent nominell verbuchten, konnten das Minus mit Ausnahme des Bekleidungs- und Schuhhandels bis September 2021 ausgleichen.

Die Geschäftserwartungen der Einzelhändler sind im November wieder ins Minus gerutscht und lassen zumindest im Nicht-Lebensmittelhandel für das vierte Quartal wieder Umsatzrückgänge erwarten. Voraussichtlich wird der Einzelhandel 2021 zwar leicht über dem Niveau 2019 abschließen, kann aber eine weitgehende Konjunkturerholung erst mit dem Ende der Lockdown-Maßnahmen erwarten.

2020 erreichte der Umsatzrückgang im Dienstleistungssektor mit 15,6 Prozent einen Negativrekord. Seit April 2021 ist das Branchenklima wieder sonnig und sollte das aufgrund der optimistischen Geschäftserwartungen im Bereich wirtschaftsnaher Dienste bis zum Jahresende auch bleiben. Im Verkehrsbereich profitieren der Gütertransport und die Sparte Lagerhaltung und Speditionen von der starken Industriekonjunktur.

Deutliche Unterschiede

Im Bereich sonstiger Wirtschaftsdienste melden fast alle Sparten seit dem zweiten Quartal Umsatzzuwächse. Allerdings zeigen die Befragungsergebnisse deutliche Unterschiede im Wachstumstempo: während die Anbieter von IT- und Telekomdiensten, Anwälte, Steuerberater, technische Büros, Arbeitskräftevermittler und die Werbung das Vorkrisenniveau noch 2021 erreichen sollten, dauert der Aufholprozess bei den persönlichen Dienstleistungen auf jeden Fall noch bis 2022.

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