Börsianer trotzen Trumps Politik

Schon bevor Donald Trump Mitte Jänner des Jahres zum zweiten Mal das Amt des US-Präsidenten übernahm, war die Befürchtung groß, dass seine Wirtschaftspolitik für Unruhe an den Finanzmärkten sorgen wird. Tatsächlich war dem auch so. Androhungen und konkrete Ankündigungen von Strafzöllen und Handelsbarrieren sorgten an den Aktienbörsen für Verwerfungen. Höhepunkt (oder aus Sicht der Anleger Tiefpunkt) dieser Entwicklung war schließlich Anfang April, als Trump den Liberation Day ausrief und haushohe Zölle gegen dutzende Staaten verkündete. Die Aktienkurse stürzten weltweit ab. Doch schon einige Tage später hatte der Spuk ein Ende.
Denn Trump hatte die Rechnung ohne den Finanzmarkt gemacht. Denn nach seiner Ankündigung machten Investoren einen großen Bogen um US-Staatsanleihen, was dazu führte, dass die USA dauerhaft deutlich mehr für Zinszahlungen ausgeben hätten müssen. „Diese Entwicklung alarmierte die US-Administration, da steigende Zinsen das ohnehin schon enorme US-Haushaltsdefizit noch stärker ausweiten würden“, sagt Thomas Kössler, Asset Manager bei der Schoellerbank.
Und weiter: „Steigende Anleiherenditen, fallende Aktienmärkte und eine hypernervöse Wall Street: ein Cocktail, der Donald Trump zum Rückzug bewog.“ Letzten Endes hätten die Finanzmärkte das erreicht, was keiner politischen Gegenstimme gelungen ist: Dass der US-Präsident schlussendlich einlenkt. „Diese Erkenntnis sollte Investoren Zuversicht geben, denn die Börsen sind eine enorm wichtige Instanz geworden, um politische Verwerfungen einzugrenzen.“
In der Tat legten die Indizes weltweit wieder zu und konnten bis zuletzt neue Rekordstände erklimmen, sowohl in Europa als auch in den USA. Seit Jahresbeginn gerechnet liegt etwa der Dow Jones 5 Prozent im Plus und die Techbörse Nasdaq 9 Prozent. In Paris waren es 6 Prozent, in London 9, Mailand glänzt mit 17 Prozent und Madrid und Frankfurt mit je 21 Prozent. In Wien sind es sogar 22 Prozent. Der MSCI World kommt auf knapp 10 Prozent. Da allerdings der Dollar zum Euro abgewertet hat, müssen Euroanleger in den USA Währungsverluste einrechnen.
Stärkste Erholung
„Die Erholung nach dem Liberation Day war die stärkste in den letzten 75 Jahren“, sagt Gerold Permoser, Anlagechef der Erste Asset Management. Profitiert haben vor allem Bitcoin (plus 26 Prozent), die Magnificient 7 (plus 17 Prozent) und Bankenwerte (Plus 16 Prozent). Apropos Magnificient 7: Dabei handelt es sich um die sieben größten US-Techwerte, die bis 2024 jahrelang ziemlich im Gleichschritt nach oben marschierten. Doch das war einmal. Meta liegt seit Jahresbeginn 23 Prozent im Plus, Microsoft 17 und Nvidia 14 Prozent, Amazon bei plus/minus Null, Google und Alphabet sind je sieben Prozent im Minus, Apple sogar 17 Prozent.
Doch was erwarten die Analysten für die nächsten Monate? Vor dem Hintergrund einer auch heuer und nächstes Jahr deutlich wachsenden Wirtschaft sollte man weiterhin in Aktien investiert sein, so Permoser. Dennoch gebe es Risiken, die gegen ein starkes Übergewicht risikobehafteter Anlageklassen sprechen. Allen voran Trumps Zollpolitik. Diese hat sich auch in den vergangenen Tagen erneut leicht negativ auf Aktien ausgewirkt. Die Erste Asset Management bleibt daher (und wegen der Dollarschwäche) bei Aktien in den USA untergewichtet zugunsten europäischer Titel.
„Dennoch muss der alte Kontinent nun aber beweisen, dass die Vorschusslorbeeren gerechtfertigt sind und die strategische Neuausrichtung in Verteidigung, Energie und einer verbesserten Industriepolitik gelingt“, sagt Kössler. „Große Fiskalpakete allein werden nicht ausreichen, um die Wachstumslücke zu den USA und anderen Regionen zu schließen.“ Bei der Schoellerbank bleiben die USA die höchstgewichtete Region bezüglich Aktien. „Wir warnen vor zu viel Pessimismus. Viele US-Unternehmen sind innovative Marktführer.“
Vincenzo Vedda, Global Chief Investment Officer bei DWS, rät in jedem Fall zur breiten Diversifikation. „Die Risikofaktoren sind ja nicht plötzlich alle vom Tisch.“ Das positive Markt-Momentum könne noch eine Zeitlang anhalten, falls es zu keinen weiteren negativen Überraschungen komme. Ebenso sei aber auch kurzfristig eine deutliche Marktkorrektur möglich. „Die verabschiedeten Steuersenkungen werden das Haushaltsdefizit enorm in die Höhe treiben, die langfristigen Zinsen wohl steigen. Die Zölle werden zumindest nicht ganz vom Tisch sein, was wiederum entweder die Inflation treiben oder aber auch senken könnte – letzteres, falls ein gedämpftes Wirtschaftswachstum die Folge sei." Dazu kämen die erheblichen geopolitischen Risiken. Angesichts dieser unsicheren und reichlich unübersichtlichen Gemengelage seien die Risikoprämien für Aktien aber auch für Unternehmensanleihen schon erstaunlich niedrig. „Schon geringe Enttäuschungen könnten ausreichen, damit der Markt in eine erneute Korrekturphase eintritt“, so Vedda.
Falls die Berichtssaison der Unternehmen besser laufe als erwartet, oder der Markt frühere oder stärkere Zinssenkungen durch die US-Notenbank einpreise, könnte die aber auch ausbleiben. Allerdings erwartet Vedda, dass die Unternehmensgewinne für das zweite Quartal weiter nach unten korrigiert werden könnten, mit Ausnahme der Tech- und Finanzunternehmen. „In diesem Umfeld setzen wir weiter auf ein breit diversifiziertes Portfolio“, so Vedda.
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