Zehntausende Boeing-Mitarbeiter legen ihre Arbeit nieder
Beim US-Flugzeugbauer Boeing wird zum ersten Mal seit 16 Jahren gestreikt. Die Produktion des meistverkauften Jets 737 MAX und anderer Flugzeuge in den Werken rund um Seattle und Portland im Nordwesten der USA kam zum Erliegen. Von den rund 30.000 Mitarbeitern der Gewerkschaft IAM dort hätten 96 Prozent für eine Arbeitsniederlegung gestimmt und ein vorheriges Angebot von Boeing abgelehnt.
"Es geht um Respekt, es geht darum, die Vergangenheit anzuerkennen und es geht darum, für unsere Zukunft zu kämpfen", sagte Gewerkschaftsvertreter Jon Holden. Die versammelten Mitglieder skandierten: "Streik! Streik! Streik!"
Am Sonntag hatte der Konzern angesichts eines drohenden Streiks ein Gehaltsplus von 25 Prozent versprochen. Die Lohnerhöhung sowie weitere Verbesserungen wie eine zwölfwöchige Elternzeit sollten vier Jahre lang gelten. Die IAM hatte ihren Mitgliedern empfohlen, das Angebot anzunehmen.
Doch viele Beschäftigte reagierten verärgert und forderten die ursprünglich verlangte Lohnerhöhung von 40 Prozent. Der Streik begann am Freitag um Mitternacht (Ortszeit; 09.00 Uhr MESZ). Nach Daten des Analysehauses Melius Research stieg die durchschnittliche Vergütung in der Luft- und Raumfahrt und der Verteidigungsindustrie zwischen 2018 und 2023 um zwölf Prozent, während sie bei Boeing um sechs Prozent sank.
Boeing zeigte sich nun gesprächsbereit: "Wir sind weiter entschlossen, unsere Beziehung zu unseren Mitarbeitern und der Gewerkschaft neu zu gestalten - und wir sind bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um eine neue Vereinbarung zu erreichen." Finanzchef Brian West sagte, der Streik werde die Produktion und die Auslieferungen des Flugzeugbauers und Airbus-Rivalen beeinträchtigen.
Die Gewerkschaft wolle so schnell wie möglich wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren, sagte Holden. Wie lange der Streik dauern werde oder wann die Gespräche fortgesetzt werden sollten, sagte er aber nicht. "Das ist etwas, das wir von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, angehen."
Verschärfung von Schwierigkeiten
Mit dem Streik verschärft sich die angespannte Lage beim Airbus-Konkurrenten. Anfang des Jahres hatte sich in einer Boeing 737 MAX-9 von Alaska Airlines mit 171 Passagieren mitten im Flug ein Teil der Kabinenwand gelöst. Auch das Rüstungsgeschäft steckt in Schwierigkeiten, die Sparte verlor in den vergangenen beiden Jahren Milliarden.
Der Flugzeugbauer kämpft zudem mit einem hohen Schuldenberg und chronischen Lieferverzögerungen, die sich nun verschärfen könnten. Ein anhaltender Streik würde sich auf die Fluggesellschaften auswirken, die auf die Jets von Boeing angewiesen sind. Betroffen wären auch Zulieferer, die Teile für die Flugzeuge herstellen.
Für den kriselnden Konzern könnte es durch den Streik seiner Arbeiter teurer werden, sich frisches Geld zu beschaffen. Die Rating-Firma Moody's prüft eine Abstufung der Kreditwürdigkeit. Dabei werde man unter anderem die Dauer des Ausstands und die finanziellen Folgen für den Flugzeugbauer beobachten, teilte Moody's mit. Boeings Rating bei Moody's ist nur noch eine Stufe über dem sogenannten Ramsch-Niveau.
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