Bezahlsysteme: Österreicher trennen sich kaum vom Bargeld
Die Österreicher verzichten nur schleppend auf ihr Bargeld. Die Anzahl der bargeldlosen Zahlungen hat zuletzt jährlich nur um 1,4 Prozent zugenommen, in Deutschland um 3,4 Prozent - in China um ein Drittel (35 Prozent), zeigt der jährliche Global Payments Report 2018 der Boston Consulting Group (BCG).
Im Schnitt hat jeder Österreicher im Vorjahr 203 Mal bargeldlos gezahlt. Die Norweger griffen über 500 Mal zur elektronischen Zahlung, die Bürger von Hongkong 1.800 Mal. Die nordischen Länder und Irland sind in Europa aus Sicht von BCG bereits am Weg zur bargeldlosen Gesellschaft. Österreich gehört hingegen zu den "bargeldtreuen" Staaten.
Dennoch werden wie überall in der Welt auch in Österreich zunehmend kleinere Beträge elektronisch bezahlt, sagt Holger Sachse, BCG-Partner und Leiter Retail Banking in Deutschland und Österreich. Weltweit dürfte sich der durchschnittliche Betrag pro Kartenzahlung bis 2027 praktisch halbieren (von 97 Dollar im Vorjahr auf dann 54 Dollar).
Riesengeschäft
Die Abwicklung der bargeldlosen Transaktionen sind für die Finanzinstitute ein Riesengeschäft. 2017 machten sie damit weltweit 1,27 Billionen Dollar (1,12 Billionen Euro) Umsatz, dieser wird sich nach BCG-Prognose auf 2,42 Billionen Dollar praktisch verdoppeln. Der Zahlungsverkehr ist damit für die Banken ein wichtiger Geschäftszweig, in dem sie allerdings auch mit Nicht-Banken um Kunden buhlen müssen.
"In Österreich konnten Banken seit 2010 die Einnahmen aus dem Zahlungsverkehr nur um rund 1 Prozent jährlich steigern. Bis 2027 erwarten wir jedoch einen Zuwachs von ca. 6 Prozent pro Jahr", so BCG-Partner Michael Strauß. Damit die Banken ihr Stück an diesem Kuchen holen können, müssen sie einfache und kunden- sowie einzelhändlerfreundliche Lösungen finden.
Denn die klassischen Banken haben zwar ihr Geschäft mit bargeldlosen Zahlungen stabil halten können, das große Wachstum ging aber an innovative neue Finanzinstitute (Fintechs), wie Tencent und Ant Financial in China, die ein eigenes Zahlungs-Ökosystem aufgebaut haben, das insbesondere Menschen anspricht, die von den Banken nicht betreut werden.
Ähnlich hat Paytm in Indien kleine Geschäfte angesprochen und mit einfachen Zahlungslösungen wie QR-Codes geholfen, Kundenvertrauen zu gewinnen. In Lateinamerika sind es Firmen wie PaySeguro und Stone, die mit innovativen Angeboten den alten Banken das Geschäft abgegraben haben.
In Europa geht BCG einerseits davon aus, dass es zu Zusammenschlüssen großer Spieler kommen wird. Andererseits bilden sich europaweite Zahlungsdienstleister wie die französische Worldline oder die dänische Nets heraus, die in den kommenden Jahren grenzüberschreitende Bedeutung anstreben. Worldline hat vor kurzem das Zahlungssystem der Schweizer SIX gekauft.
Sehr wichtig wird die Entwicklung von "Real-Time-Zahlungen", also Zahlungen ohne Zeitverzögerung. Wenn im November wie angekündigt das Echtzeit-Zahlungssystem der Europäischen Zentralbank (EZB) kommt, das Target Instant Payment Settlement Service (TIPS), dann sollten bis Ende 2018 80 Prozent der europäischen Banken in der Lage sein, europaweite Zahlungen in Echtzeit zu verarbeiten, erwartet BCG.
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