Immer mehr Menschen in Österreich machen sich Gedanken über ihre Mobilitätsgewohnheiten und sind bereit, diese zu ändern. Vier von zehn Österreichern können sich vorstellen, häufiger auf Mobilitätsangebote wie öffentliche Verkehrsmittel sowie Car- und Bike-Sharing umzusteigen, wenn diese besser ausgebaut wären.
Kein selbstloser Einsatz
Im Falle einer Verbesserung dieser Angebote wären immerhin 15 Prozent bereit, ihr Auto vollständig aufzugeben. Zwei Drittel würden bei einer Reisezeit von unter fünf Stunden vom Flugzeug auf den Zug ausweichen. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG).
Dem Sinneswandel liegt allerdings nicht ein selbstloser Einsatz für den Umweltschutz zugrunde, er hat rein praktische Gründe. Als allererstes wird an das eigene Geldbörsel gedacht. Der Preis, den das jeweilige Verkehrsmittel kostet, ist der wichtigste Entscheidungsfaktor. Danach folgen Unabhängigkeit – also sich jederzeit möglichst überall hinbewegen zu können – und an dritter Stelle der Komfort.
Experten beobachten diesen Wandel trotz allem wohlwollend, kritisieren jedoch die immer noch zu zahlreichen Hindernisse für die Nutzung nachhaltigerer Verkehrsmittel. Herwig Schuster, Mobilitätsexperte bei Greenpeace, sieht vor allem die Politik gefordert: „Es spricht immer noch zu viel für das Fliegen.“ Es gebe nach wie vor keine Kerosinsteuer und damit keine Kostengleichheit.
Nicht wirtschaftlich
Außerdem könne man bei längeren Strecken ein Flugticket viel leichter buchen als ein Zugticket. Ersteres gelinge in 15 Minuten, wer aber z.B. nach Bibione wolle, der könne nur Wien–Udine buchen und dort dann am Schalter ein Ticket für den Regionalzug kaufen. „Die Bahngesellschaften in Europa kooperieren noch viel zu wenig“, sagt Schuster.
Nachholbedarf sieht er auch bei den Radwegen. In Wien würden diese oft von Anrainern bekämpft, da sie Parkplätze kosten würden. Die Politik stehe meist auf der Seite der Autofahrer. Schuster wünscht sich auch eine bessere kombinierbare Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrädern. Dass man Letztere in den Stoßzeiten nicht in der U-Bahn mitnehmen könne, sei kontraproduktiv.
Auf den Geschmack gekommen
Bernhard Wiesinger, Leiter des Bereichs Interessensvertretung beim ÖAMTC, betrachtet die Car-Sharing-Angebote zwiespältig. Die meisten Menschen würden sie maximal zweimal pro Monat nutzen. Das sei zu selten und damit für die Anbieter, die oft im Eigentum großer Autohersteller stehen, nicht wirtschaftlich. Für diese sei Car-Sharing eher ein Marketinginstrument. Laut Studien sollen sich junge Leute, die ein paar Mal das Angebot angenommen haben, danach selber ein Auto gekauft haben – weil sie auf den Geschmack gekommen sind.
„Car-Sharing sollte ursprünglich den privaten Autobesitz in den Städten reduzieren“, sagt Wiesinger. Tatsächlich fühlten sich dadurch aber Leute, die vorher öffentliche Verkehrsmittel verwendeten, öfter angesprochen als Autofahrer. Die Freude der Kommunen, Car-Sharing zu fördern, sei daher zurückgegangen.
Auch E-Scooter-Angebote sollen laut Wiesinger nicht kostendeckend sein. Diese würden bisher eher wegen der steigenden Börsenkurse der Anbieter leben.
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