Audi-Chef: "Es wird nur mit E-Antrieben funktionieren"

Wie stellt sich die aktuelle Lage von Audi dar?
Allgemein ist die Situation in der Autoindustrie und in der Weltwirtschaft durchaus herausfordernd. Wir haben vor zwei Jahren mit der Audi Agenda begonnen, Audi wieder nach vorne zu bringen. Dafür denken wir Audi grundlegend neu und nehmen eine strukturelle Neuaufstellung des Unternehmens vor. Dazu zählt die größte Modelloffensive in der Unternehmensgeschichte mit 20 Modellen, darunter den neuen Q3. Es ist eines unserer wichtigsten Modelle und wird uns noch viele Jahre in die Zukunft tragen. Für viele Kunden ist er der Einstieg in die Marke. Schon im ersten Quartal sind wir mit einem Zuwachs bei den Aufträgen in Westeuropa von 22 Prozent mit unseren Fahrzeugen bei den Kunden gut ankommen.
Abseits neuer Modelle – was wollen Sie konkret verändern?
Wir haben Tempo aufgenommen. In China etwa haben wir mit dem lokalen Partner FAW die Audi FAW NEV Company gegründet und bringen dort unsere rein elektrischen PPE-Fahrzeuge (Premium Platform Electric, Anm.) an den Start, konkret chinesische Versionen des A6 e-tron und Q6 e-tron in der Langversion mit Assistenzsystemen speziell für den chinesischen Markt. Damit werden wir Benchmark sein, was assistiertes Fahren angeht. Und mit unserem zweiten Partner SAIC werden wir mit der Schwestermarke AUDI (namensgleich, aber in Versalien geschrieben, Anm.) innerhalb von drei Jahren jeweils ein neues Modell für China bringen. In Deutschland werden wir auf der einen Seite in großem Umfang in unsere Standorte investieren, auf der anderen Seite uns bei den Fixkosten schlanker aufstellen und bis zu 7.500 Stellen im indirekten Bereich sozialverträglich abbauen.
Wieso hat Audi überhaupt an Fahrt verloren?
Als ich zu Audi gekommen bin, stand das Unternehmen kurz vor einer großen Modelloffensive. Gleichzeitig gab es einen Stau in der Abarbeitung der Anläufe, unter anderem aufgrund der Software und den gewählten Elektronikarchitekturen. Das hat uns ausgebremst. Mittlerweile sind wir hier wieder im Plan. Zum anderen sind wir mit dem Anspruch, in vielen Bereichen führend zu sein, zu sehr in den Mainstream gegangen anstatt konsequent und gezielt auf Vorsprung durch Technik zu setzen. Auch hier sind wir jetzt in der Spur.
Wo sehen sie die großen Marktchancen?
Wir sind als europäische Autoindustrie in der vorteilhaften Situation, global agieren und sowohl in China als auch in den USA Autos auf den Markt bringen zu können. Das sehe ich als großes Asset für uns. Bei der Gesamtkonzeption von Fahrzeugen setzt die europäische Autoindustrie weiterhin die Standards.
Wie sehr ist Audi aktuell vom Handelskrieg betroffen? Auch was ein mögliches Werk in den USA betrifft.
Das spüren wir schon, egal ob die Fahrzeuge aus Mexiko oder Europa kommen, sowohl bei unserem Absatz als auch beim Ergebnis. Im Moment muss man abwarten, wohin sich das entwickelt. Unabhängig davon setzen wir auf die USA als unser drittes Standbein und verfolgen als Teil der Audi Agenda seit eineinhalb Jahren Szenarien für eine lokale Produktion. Wir sehen hier für Audi große Chancen, die aber nur mit einem größeren US-Footprint gegeben sind. In der Wahrnehmung der US-Kunden ist eine lokale Produktion ein wichtiger Faktor. Wir prüfen unterschiedliche Szenarien, in VW-Werken zu produzieren, aber eben auch in einem eigenen. Die Entscheidung fällt dieses Jahr, die Vorbereitung läuft auf Hochtouren.

KURIER-Ressortleiter Robert Kleedorfer im Gespräch mit Audi-Chef Gernot Döllner.
Wollen Sie Audi generell breiter aufstellen?
Wir verorten uns ganz klar im Premiumsegment. Wir sehen großes Potenzial, bei Umsatz und Ergebnis je Fahrzeug zu wachsen. Dabei streben wir weniger nach Volumenwachstum, sondern wollen eher profitables Wachstum. Dabei hilft uns, dass wir vom Einstiegssegment aufwärts über alle Segmente hinweg glaubwürdige Angebote liefern können – wie etwa ein neues Elektrofahrzeug im A-Segment, das ab nächstem Jahr in Ingolstadt gebaut wird.
Wie sieht bei Audi die Roadmap hin zum reinen E-Autobauer aus?
Wir bespielen die Übergangsphase hin zur E-Mobilität mit einem Dreiklang aus Verbrennern, Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos. Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir mit unserer Modelloffensive für die Transformation bestens aufgestellt sind. Europa ist, was den Umstieg auf E-Mobilität angeht, sehr unterschiedlich unterwegs. Märkte wie Norwegen, UK oder die Niederlande sind weit fortgeschritten. In den USA geht der Wandel zur E-Mobilität deutlich langsamer voran als prognostiziert. Insgesamt verläuft die Entwicklung in Wellen, daher ist diese Flexibilität wichtig. Wir machen Elektromobilität aber nicht zum Selbstzweck. Dahinter steckt die Dekarbonisierung des Verkehrs. Wir haben uns dazu als Weltgemeinschaft Ziele gegeben. Unabhängig von einer Jahreszahl, es wird auf der Verkehrsseite nur mit E-Antrieben beim Pkw funktionieren.
Gernot Döllner
Der 55-jährige deutsche Manager begann nach seinem Maschinenbau-Studium 1993 bei der Audi-Mutter Volkswagen. 1998 wechselte er zu Porsche, ehe er 2021 zu VW zurückkehrte. Seit September 2023 leitet er die Tochtermarke Audi. Er löste den erfolglosen Markus Duesmann frühzeitig ab. Ziel war es, Audi wieder erfolgreich zu machen. Duesmann wollte ab 2026 keine neuen Verbrennermodelle herausbringen. Nun gibt es kein konkretes Zieldatum mehr.
Kritik
Laut Manager Magazin gibt es zunehmend Kritik an Döllners Führungsstil. Er halte sich für den Schlauesten und zeige dies auch allen. Vor allem mit Vertriebsvorstand Marco Schubert gebe es Konflikte.
630 Millionen Euro
verdiente Audi im ersten Quartal des Jahres, um 14,4 Prozent weniger als im ohnehin schwachen Vorjahreszeitraum. Der Umsatz stieg von 13,7 Mrd. auf 15,4 Mrd. Euro.
Jetzt müssen Sie nur noch die Konsumenten davon breitflächig überzeugen.
Wir werden sie dann überzeugen, wenn zweifelsfrei der Elektroantrieb dem Verbrenner überlegen ist. Das ist er in vielen Eigenschaften schon, auch was die Kosten betrifft. In China etwa haben sie nur einen Bruchteil der Energiekosten eines Verbrenners. Das ist für mich der eigentliche Treiber.
Braucht es also in Europa noch mehr Förderungen?
Ich bin kein Freund von Förderungen. Eine richtig intelligente Förderung würde den Strompreis im Auge haben, weil dieser nicht nur für den Erstkäufer, sondern über den gesamten Lebenszyklus eines Autos wirkt. Dann sieht es auch mit den Restwerten ganz anders aus. Wenn die für den Kunden relevanten Rahmenbedingungen stimmen, greift er zu. Aber unabhängig von Förderungen: Der Trend zur E-Mobilität ist weltweit eindeutig.
Audi steigt nächstes Jahr in die Formel-1 ein, was ja noch von Ihrem Vorgänger beschlossen wurde. Ist das mit Ihrem nachhaltigen Ansatz nicht unvereinbar?
Das sehe ich anders. Wir haben künftig ein stärker auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Reglement in der Formel 1. Die große Aufgabe ist es, die gesamte Logistik auch zu dekarbonisieren. Das, was auf der Strecke passiert, ist ja nur ein sehr kleiner Teil. Hier wird es ein Effizienzreglement mit nachhaltigen Kraftstoffen und einem deutlich höheren Anteil elektrischer Leistung geben. Die Formel 1 ist ein fantastisches Zukunftslabor.
Der neue Q3 ist ein Kompakt-SUV. Die SUVs werden zunehmend angefeindet von einem Teil der Bevölkerung. Was sagen sie diesen Menschen?
Dass wir auch SUVs mit effizienten Antrieben entwickeln und dass die Nachfrage ein eindeutiger Markttrend ist. 2030 werden in den USA 85 Prozent der neuen Fahrzeuge SUVs oder Trucks sein. Aber auch in Europa und China ist der Trend ungebrochen. Deshalb wollen wir unseren Kunden hier attraktive Angebote machen. Wir werden aber auch weiterhin Flachboden-Modelle anbieten. Die Wahlfreiheit für unsere Kunden ist da.
Es gibt aber auch Städte wie Paris, die SUVs den Kampf ansagen.
Einige Kommunen sind eher bestrebt, Autos aus der Stadt herauszubringen, statt Ladeinfrastruktur und so die Grundlage für emissionsfreie Mobilität zu schaffen. Das bremst den Trend zur Elektrifizierung aus. Denn wenn Menschen in Städten nicht ordentlich laden können, greifen sie doch eher zum Verbrenner, weil die Tankstelle schon da ist.
Deutschland hat nun eine neue Bundesregierung. Was sind Ihre Erwartungen, auch hinsichtlich des Konjunkturpakets?
Ich wünsche mir für Deutschland, dass insgesamt ein Gefühl des Aufbruchs entsteht und auch wieder Zuversicht in unser Können und unsere Fähigkeiten. Es kann unglaubliche Kraft entfalten, wenn wir uns wieder auf unsere Stärken besinnen und Leistungsbereitschaft entwickeln. Die Verantwortung für die nächste Generation wird Einsatz erfordern. Wir erkennen gerade die großen welt- und wirtschaftspolitischen Verwerfungen. Diese Erkenntnis bietet auch Chancen. Dies wird aber ein gemeinsamer Kraftakt von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sein.
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