"Wir wollten, dass es echt ist..."

Am 25. April 1983 präsentierte "Stern" mit den "Hitler-Tagebüchern" eine vermeintliche "Weltsensation" - zwei Wochen später war der Spuk vorbei.

Am 25. April 1983 ist in Hamburg der Teufel los. Die Chefredaktion des "Stern" präsentiert in einer internationalen Pressekonferenz vor 250 Journalisten die Sensation des Jahrzehnts: Hitlers geheime Tagebücher, aufgespürt von "Stern"-Reporter Gerd Heidemann. Die Geschichte des "Dritten Reiches" müsse in großen Teilen neu geschrieben werden, heißt es großspurig im Editorial des Magazins. Zwei Wochen später ist der Spuk vorbei. Die angeblichen Tagebücher des Diktators sind als Fälschung entlarvt und der "Stern" hat sich weltweit zum Gespött gemacht.

Es dauert Jahre, bis er sich von der Ansehens- und Auflagenkrise erholt. "Das ist ein Schandfleck unserer Geschichte", sagt "Stern"-Chefredakteur Thomas Osterkorn. Die Geschichte selbst ist oft erzählt und von Helmut Dietl in der Erfolgskomödie "Schtonk" verfilmt worden. Wie der renommierte Reporter Heidemann erst einen Nazi-Tick entwickelte und dann auf den sowohl gerissenen wie auch jovialen Fälscher Konrad Kujau hereinfiel.

Unfassbar

Wie der ihm mehr als 60 Notizbücher als Original-Tagebücher unterjubelte, angeblich aus einem Fund in der DDR. Wie Verlag und Chefredaktion in der Euphorie alle Warnsignale übersahen und 9,3 Millionen Mark in bar für die vermeintliche Sensation hergaben. Und wie am Ende Heidemann und Kujau ins Gefängnis mussten, das Geld aber größtenteils verschwunden blieb. Bis heute.

Je länger der Skandal zurückliegt, desto unfassbarer wird er in der Rückschau. Und weil die Geschichte so gut ist, wird sie - wie vor fünf Jahren - gern noch einmal medial groß thematisiert. ARD und ZDF sendeten ausführliche Dokumentationen zum Jubiläum. "Die Zeit" hob Hitler samt Tagebuch auf ihre Titelseite und widmete ihm ein mehrseitiges Dossier. Felix Schmidt, 1983 einer von drei "Stern"-Chefredakteuren, veröffentlichte darin seine Notizen von damals.

Plump

Und Gerd Heidemann, inzwischen 81 Jahre alt, durfte in langen Interviews noch einmal seine Sicht der Dinge darlegen. Für ihn sind die falschen Tagebücher das Lebensthema geworden; in seiner Wohnung in Hamburg-Altona bewahrt er tausende von Erinnerungen an den Skandal. Etliche der Beteiligten sind schon gestorben, darunter der Fälscher Konrad Kujau, der 2000 einem Krebsleiden erlag.

Auch nach 30 Jahren fragen sich die Akteure von damals, wie das eigentlich alles passieren konnte. Wie ein renommiertes, auflagenstarkes Magazin wie der "Stern" auf relativ plumpe Fälschungen eines gewieften Schlitzohrs hereinfallen konnte, die ein Reporter aus ungenannten Quellen anlieferte.

"Auf diese Frage gibt es keine befriedigende Antwort, nur Erklärungen", schreibt Schmidt. "Zuvörderst die, dass durch die Kungelei zwischen Vorstand und zwei Redakteuren, durch die Verwischung der Zuständigkeiten über alle hierarchischen Instanzen hinweg ein Klima geschaffen worden war, in dem sich keiner mehr so richtig verantwortlich fühlte. Jeder glaubte, der andere habe die Verantwortung übernommen." Kürzer sagt es der damalige Ressortleiter Thomas Walde: "Wir wollten, dass es echt ist."

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