AMS-Chef Kopf: "Betriebe schicken uns Personal trotz Aufträgen"

AMS-Chef Kopf: "Betriebe schicken uns Personal trotz Aufträgen"
Johannes Kopf fordert Maßnahmen gegen Kurzzeit-Arbeitslosigkeit und verrät, welche Reformen am Arbeitsmarkt es jetzt braucht.

Die Lage am Arbeitsmarkt  bleibt  über den Winter  angespannt. Im KURIER-Interview erklärt AMS-Vorstand Johannes Kopf, was  ab Jänner auf Arbeitslose zukommt und  welche Reformen es bräuchte –  von Wohnsitzauflagen bis zur Bekämpfung der Kurzzeit-Arbeitslosigkeit.

KURIER: Die Arbeitslosigkeit steigt schon seit 2023 kontinuierlich. Steht uns ein frostiger Winter am Arbeitsmarkt bevor?
 
Johannes Kopf: Es gibt Anzeichen der Besserung, allerdings auf einem bescheidenen Niveau. Über die Wintermonate dürfte die Arbeitslosigkeit eher noch weiter leicht steigen. Die Prognosen für 2026 sagen nur ein Wachstum von rund 1 Prozent voraus, das ist sehr wenig. Wifo und IHS glauben, dass die Arbeitslosigkeit im Laufe des Jahres leicht sinken wird. Wir glauben, sie wird eher gleich bleiben, aber einzelne Monate könnten schon sinken.

Wie schaut es in den einzelnen Branchen aus?
 
Der Bau stabilisiert sich, der Tourismus läuft ohnehin gut und der Konsum dürfte wieder etwas anspringen, was gut für den Handel ist. In der Industrie werden wir abgesehen von einzelnen Sparten noch keine Erholung sehen.  Allerdings ist alles mit Unsicherheit wie Ukraine-Krieg und Trumps Zöllen behaftet.

Johannes Kopf

Johannes Kopf mit Kurier-Wirtschaftsredakteurin Anita Staudacher

Der frühe Schnee ist gut für den Tourismus?

Ja, durch den Schnee im November startet die Wintersaison früher und auch Ostern liegt 2026 Anfang April und daher sehr gut. Daher mache ich jetzt eine gewagte Prognose und sage: Ende März sinkt die Arbeitslosigkeit. Ab Jänner dürfen Arbeitslose mit wenigen Ausnahmen nicht mehr geringfügig dazuverdienen.

Wie viele trifft die Neuregelung?
 
Schätzungsweise 10.000 bis 12.000 werden ihren Zuverdienst aufgeben müssen. Wir haben ungefähr 25.000 Arbeitslose, die geringfügig beschäftigt sind, von denen ist ein Viertel über 50 Jahre alt. Ein kleiner Anteil ist schon länger als ein Jahr arbeitslos und darf auch weiter dazuverdienen.

Ziel ist, Arbeitslose rascher in eine vollversicherte Beschäftigung zu bringen. Ist das realistisch?
 
Das glaube ich schon. Laut einer WIFO-Evaluierung hat bei Menschen, die kurz arbeitslos waren, die Kombination aus Arbeitslosengeld und Zuverdienst im Durchschnitt zu einer verspäteten Arbeitsaufnahme geführt. Außerdem erwarte ich mir einen einmaligen Legalisierungseffekt, also dass ein Teil der geringfügig Beschäftigten Anfang des Jahres  voll angestellt werden. Denn besonders in der Gastronomie arbeiten manche  Menschen in Wirklichkeit mehr als geringfügig, da wird die geringfügige Beschäftigung  quasi zum Deckmantel für darüber hinausgehende Schwarzarbeit benutzt.

Die geringfügig Beschäftigten sind eine heterogene Gruppe, viele benötigen das Geld zur Überbrückung.

von Johannes Kopf

Die Regelung musste nachgebessert werden und es gibt heftige Kritik daran. So fühlen sich Kulturschaffende, die den Zuverdienst zur Überbrückung zwischen zwei Engagements benötigen, weil sie wenig verdienen, ungerecht behandelt. Ist die Streichung nicht treffsicher genug? 

Es gibt viele Beschwerden, aus der Kulturszene oder von Projekten mit Haftentlassenen, Startup-Gründern oder auch von Schneeräumern, die durchgängig im Winter geringfügig angemeldet sind. Die geringfügig Beschäftigten sind eine heterogene Gruppe, viele benötigen das Geld zur Überbrückung.  Aber es gibt eben auch negative Effekte. Generell sollten wir über geringfügige Beschäftigung näher nachdenken. So gibt es in Österreich quasi keine Jobs mit 600 oder 700 Euro Gehalt, weil sie dann voll sozialversicherungspflichtig sind. Das sind negative Effekte.

Wie wird das Zuverdienst-Aus kontrolliert? 

Über Sozialversicherungsanmeldungen. Zusätzlich gibt es schon heute viele Kontrollen über unseren Erhebungsdienst, der gemeinsam mit Finanzpolizei und ÖGK Kontrollen durchführt. In vielen Fällen kam es zu einer Sperre des Arbeitslosengeldes, weil die wirklichen Beschäftigungszeiten nicht gemeldet wurden, es gab Strafen und die Firmen stellten dann die Betroffenen doch voll an.

Johannes Kopf

Es kommen viele neue Aufgaben auf das AMS zu. Gibt es dafür ausreichend Budget? 

Wir haben heuer 1,360 Mrd. Euro Budget und 2026 dann 1,510 Mrd. Euro, allerdings sind hier 150 Mio. Euro für die neue Weiterbildungsbeihilfe dabei, das Budget bleibt also in etwa gleich. Allerdings droht für 2027 ein Sparbudget. Wichtig wäre, dass es 2026 schon relativ früh eine politische Einigung gibt, weil wir lange Vorverträge haben. Je später wir bremsen, desto heftiger wird es.

Viel Geld floss im Vorjahr in die Jugendcolleges, um junge Geflüchtete in 30 Stunden Woche fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Wie sieht die erste Zwischenbilanz aus?
 
Da gab es ein Sonderbudget. Wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Von den 5.000 im Vorjahr geschulten jungen Menschen sind 25 Prozent in Beschäftigung und 45 Prozent in einer weiteren oft überbetrieblichen Ausbildung. Für 70 Prozent war das College erfolgreich, das sind sehr gute Zahlen und wir haben jetzt schon mit dem neuen Jahrgang gestartet.  

Johannes Kopf

Im EU-Vergleich ist Österreich bei der Arbeitslosigkeit weit zurückgefallen. Was sind die Gründe?
 
Jahrelang wenig Wachstum und starke Zuwanderung. Und diese Menschen sind gehäuft in Wien, wo es nicht ausreichend Jobs für diese Migrantengruppen gibt. Wenn es uns gelänge, die Flüchtlinge besser zu verteilen, etwa mit einer Wohnsitzauflage, die ja einmal im Gespräch war, hätten wir weniger Arbeitslose.

Eine bessere Verteilung der Flüchtlinge war eine der nicht umgesetzten Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre. Was müsste noch nachgeholt werden, um Arbeitslosigkeit besser zu bekämpfen?
 
Da fällt mir einiges ein. Die Wohnsitzauflage wäre wichtig, damit die Flüchtlinge dort bleiben, wo die Jobs sind und nicht nach Wien fahren, wo wir inzwischen mehr als 30.000 arbeitslose Asylberechtigte haben. Es müssten auch eine Reihe von Inaktivitätsfallen beseitigt werden. Bespiel Sozialhilfe. Diese sollte auch 14 mal ausgezahlt werden, dann wäre sie optisch im Monatsvergleich mit Nettolöhnen geringer. Für Kinder könnte es auch mehr Sachleistungen statt Geldleistungen geben. Und man könnte auch die Kurzzeitarbeitslosigkeit stärker bekämpfen.

Wenn es uns gelänge, die Flüchtlinge besser zu verteilen, etwa mit einer Wohnsitzauflage, die ja einmal im Gespräch war, hätten wir weniger Arbeitslose. 

von Johannes Kopf

Sie meinen das umstrittene Zwischenparken von Personal beim AMS mit Wiedereinstellzusage… 

Ja, Betriebe schicken uns ihr Personal für wenige Wochen und stellen sie dann wieder ein. Das passiert im besten Einvernehmen zwischen Arbeitnehmer und Betrieb. Da sagen manche ganz offen, im Dezember übernehmen wir keine Aufträge, weil wir keine Leute haben. Ich habe sogar einmal erlebt, dass Baufirmen im Februar bei uns angerufen haben, weil sie ihre Bauarbeiter zurückhaben wollten, diese aber erst im März kommen wollten. Wir hätten sie sanktionieren sollen. Schon absurd, oder?

Was wäre zu tun?

Man müsste bei den Arbeitszeitmodellen ansetzen. In Tourismus gibt es beispielsweise keine Jahresdurchrechnung der Arbeitszeit. Man könnte in der Arbeitslosenversicherung Anreize setzen, etwa mit höheren Beiträgen oder dass die ersten zwei Wochen kein Arbeitslosengeld ausbezahlt wird. Dann würde sich Kurzzeitarbeitslosigkeit nicht mehr rechnen. Auch die Saisonverlängerung müsste diskutiert werden. Der Bau versucht es zumindest, im Tourismus könnte noch mehr gehen.

Die Regierung finalisiert gerade die Details zur Flat-Tax für Pensionisten. Welchen Effekt wird sie am Arbeitsmarkt haben?

Ich kenne die Details noch nicht, es gibt auch noch keine politische Einigung. Es geht bei der Flat-Tax aber um den höheren Angestellten und nicht um den klassischen Hackler. Profitieren werden von der Steuermaßnahme vor allem gutverdienende Männer, während viele Frauen gar nicht so viel verdienen, um davon zu profitieren. Da erschiene mir ein reduzierter Steuersatz gleichstellungsgerechter als eine Flat-Tax. Dadurch, dass dann weniger ihre Pension aufschieben werden, weil es sich nicht rechnet, könnte das Pensionssystem sogar noch mehr belastet werden. Und es wird Mitnahmeeffekte geben. Alles nicht einfach.

Profitieren werden von der Flat-Tax vor allem gut verdienende Männer, während viele Frauen gar nicht so viel verdienen, um davon zu profitieren. 

von Johannes Kopf

Die Langzeitarbeitslosigkeit steigt gerade bei den Älteren überdurchschnittlich. Was tut das AMS für diese Gruppe? 

Ab Jänner starten wir unsere Aktion 55plus mit einem Budget von 50 Millionen Euro, das ist eine Mischung aus Eingliederungsbeihilfen und Beschäftigung bei Sozialökonomischen Betrieben. Wir wissen, dass durch die Anhebung des Frauenpensionsalters in den nächsten Jahren auch die Altersarbeitslosigkeit steigen wird. 87 Prozent der zusätzlichen Frauen über 60 sind erfreulicherweise in Beschäftigung, aber 13 Prozent arbeitslos.

Wer stellt Frauen über 60 an? Bei der Beschäftigung Älterer gibt es kaum Fortschritte… 

Wir haben gerade Rezession, es tut sich schon etwas, aber eben noch lange nicht genug. Ich sage immer, wer keine Älteren einstellt, hat offenbar keinen Arbeitskräftemangel. Da müssen wir beim Bewusstsein der Firmen sicher noch weiterarbeiten.

Kommentare