Klein: Ja, zum Glück hatte meine Mutter darauf bestanden, dass ich die Hotelfachschule mache. Ohne diese Ausbildung wäre ich aufgeschmissen gewesen. Meine Mutter empfand den Beruf des Schauspielers ja immer als brotlos, obwohl mein Vater gar nicht so unerfolgreich war auf diesem Gebiet. Ich hab mir grad kürzlich auf Youtube wieder Videos der Spitzbuam (Anm.: bekanntes Wiener Heurigenkabarett der 1970er-Jahre) angeschaut, für sie hat mein Vater ja die Texte geschrieben ...
... und?
Klein: Würde man diese Schmähs heute bringen, würden sie einen geteert und gefedert aus der Stadt jagen. Ich bin wirklich nicht empfindlich, aber mancher Schmäh ist aus heutiger Sicht tiefstes Niveau. Aber alle im Publikum lachen. Vielleicht, weil sie das Wienerisch gar nicht verstehen.
Schilling: Heute würden einige Pointen der Spitzbuam zu einem Shitstorm führen.
Haben Sie als Almdudler-Chef mit solchen Erfahrung?
Schilling: Natürlich. Auf Social Media wurde uns mit einer Abmahnung des Werberates gedroht. Grund dafür war ein Werbesujet, auf dem drei Männer auf einem Steg am See stehen – nackt, nur mit Schwimmreifen um den Bauch, von hinten aufgenommen. Da haben wir uns schon gewundert, dass drei nackte Hintern für Aufregung sorgen, während es am Theater Inszenierungen gibt, bei denen 70 Nackte auf der Bühne stehen. Man muss wirklich aufpassen, mit dieser politischen Korrektheit.
Klein: Ich sehe das jetzt auch bei den Büchern meiner Enkelkinder. Märchen werden umgeschrieben, Kinderlieder umgetextet, weil sie nicht politisch korrekt sind und jemanden verletzten können. Wenn der Struwwelpeter wegen Verdachts auf Bodyshaming auf die Schwarze Liste kommt, frag ich mich schon, ob wir noch die richtigen Dinge kanalisieren.
Wo soll man sonst anfangen?
Klein: Gleichzeitig wird in den Abendnachrichten nachgestellt, wie ein Vater sein Baby schüttelt und damit schwer misshandelt. Die Szene wird zwar mit Filter gezeigt, aber ist das nicht viel brutaler als ein Märchen der Gebrüder Grimm? Mich hat das so aufgeregt, dass ich mich beim Sender beschwert habe. Ich glaube, dass die Bevölkerung, die aufgrund der demografischen Entwicklung immer älter wird, mit manchen Themen auch überrumpelt wird.
Inwiefern?
Klein: Die aktuelle Diskussion um Winnetou. Oder zum Beispiel soll jetzt überall gegendert werden, ein Sterndl angehängt werden. Und jeder gibt zu allem seinen Senf bzw. seine Befindlichkeit dazu. Und ist sofort beleidigt. So kommen wir als Gesellschaft nicht weiter, oder?
Sind Sie auf Social Media?
Klein: Nein, dafür hätte ich auch gar keine Zeit. Mir sind die Familie, die Firma und die Freunde wichtiger. Ich habe überhaupt erst seit zwei Jahren ein Smartphone. Davor hatte ich ein gelbes Nokia, das ausgesehen hat wie eine Banane und einen superkleines, unpraktisches Display hatte.
Warum hatten Sie so lange kein Smartphone?
Klein: Wahrscheinlich weil jeder gesagt hat, ich brauch eins. Da wollte ich erst recht keines.
Bereuen Sie es, nicht Schauspieler geworden zu sein?
Klein: Nein, warum? Die Wirtschaft ist meine Bühne. Das hab ich gleich bei der ersten Sitzung gemerkt.
Was ist passiert?
Klein: Als Kind hab ich gedacht, in der Wirtschaft sitzen Männer mit Krawatte um den Tisch und reden ganz gepflegt. Dann die erste Sitzung mit unseren Kunden, damals vor allem Heurigenwirte. Es wurde geschrien, geflucht, gedroht. Ein großes Theater eben. So wie jede Verhandlung, jedes Meeting, nahezu das gesamte Wirtschaftsleben.
Wie hat sich das Unternehmen verändert?
Klein: Mein Vater hatte noch ein dunkles, vertäfeltes Chefbüro, vor dem Büro ein Schild, auf dem „Bitte eintreten“ aufgeleuchtet ist, davor die klassische Vorzimmerdame sitzen – hat patriarchalisch gewirkt, aber so war er gar nicht.
Wie war er dann?
Klein: Als Kinder hatten wir mit ihm unseren Spaß. Ich könnte Anekdoten erzählen ...
Zum Beispiel?
Klein: Ein Essen im Hilton. Sehr fein alles. Nach dem Essen steht er auf, sagt, er muss sofort schlafen gehen und legt sich rücklings auf den Boden. Stellt sich schlafend. Mein Onkel, meine Schwester und ich haben ihn rausgetragen und er so getan, als würde er nichts mitbekommen. Wir fanden das sehr lustig, unser Mutter hat gesagt, sie geht nie mehr mit uns essen ... Es gibt viele solcher Geschichten, die ich erzählen könnte – aber sie wollten wissen wie sich das Unternehmen geändert hat?!
Hat es sich geändert?
Klein: Flache Hierarchien. Wenn am Empfang das Telefon läutet, nimmt bei uns im Unternehmen jeder ab, egal ob Eigentümer oder Geschäftsführer oder wer gerade vorbei kommt. Dass wir uns vor zwanzig Jahren über den Weg gelaufen sind, ist eine Fügung. Damals sind wir als Unternehmen angestanden. Ich kann nur alle Unternehmer ermutigen, in einer solchen Situation einen Externen zu holen. Wer nicht über seinen Schatten springt, muss damit rechnen, dass er nicht weiterkommt.
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