Almdudler-Eigentümer Thomas Klein: „Und jeder gibt zu allem seinen Senf dazu“
Es gibt wohl nur ein Unternehmen, bei dem der Eigentümer und Aufsichtsratsvorsitzende bei einer Pressekonferenz im rosaroten Tutu vortanzt und dann mit den Worten „und jetzt zum langweiligen Teil“ an seinen Geschäftsführer übergibt: Almdudler.
2004 hat Thomas Klein dem Wiener Familienunternehmen eine neue Struktur verpasst, sich selbst in den Aufsichtsrat zurückgezogen und die operative Verantwortung einem „Externen“ übergeben – Gerhard Schilling.
KURIER: Herr Klein, Sie inszenieren sich nach außen hin gern als Hofnarr im eigenen Unternehmen – eine Rolle, die man sich erst einmal leisten können muss?
Thomas Klein: Das Augenzwinkernde ist ja verankert in der Philosophie des Unternehmens. Gerhard Schilling und ich wollen uns selbst nicht allzu ernst nehmen, stehen für Offenheit und Toleranz.
Ein Image, das nicht eben vom Himmel gefallen ist.
Klein: Nein, als ich das Unternehmen übernommen habe, hatten wir ein sehr traditionelles, braves Image, unter dem ich gelitten habe. Wir hatten Werbesprüche wie „nicht hudeln, Almdudeln“.
Den haben Sie ja abgedreht und durch „Wenn die kan Almdudler hab’n, geh i wieder ham“ ersetzt ...
Klein: Das hat damals keiner verstanden. Werbeexperten haben gesagt, dass so eine negative Formulierung gar nicht geht ...
Sie mussten nach dem frühen Tod des Vaters als 20-Jähriger übernehmen, wollten eigentlich Schauspieler werden ...
Klein: Ja, zum Glück hatte meine Mutter darauf bestanden, dass ich die Hotelfachschule mache. Ohne diese Ausbildung wäre ich aufgeschmissen gewesen. Meine Mutter empfand den Beruf des Schauspielers ja immer als brotlos, obwohl mein Vater gar nicht so unerfolgreich war auf diesem Gebiet. Ich hab mir grad kürzlich auf Youtube wieder Videos der Spitzbuam (Anm.: bekanntes Wiener Heurigenkabarett der 1970er-Jahre) angeschaut, für sie hat mein Vater ja die Texte geschrieben ...
... und?
Klein: Würde man diese Schmähs heute bringen, würden sie einen geteert und gefedert aus der Stadt jagen. Ich bin wirklich nicht empfindlich, aber mancher Schmäh ist aus heutiger Sicht tiefstes Niveau. Aber alle im Publikum lachen. Vielleicht, weil sie das Wienerisch gar nicht verstehen.
Schilling: Heute würden einige Pointen der Spitzbuam zu einem Shitstorm führen.
Haben Sie als Almdudler-Chef mit solchen Erfahrung?
Schilling: Natürlich. Auf Social Media wurde uns mit einer Abmahnung des Werberates gedroht. Grund dafür war ein Werbesujet, auf dem drei Männer auf einem Steg am See stehen – nackt, nur mit Schwimmreifen um den Bauch, von hinten aufgenommen. Da haben wir uns schon gewundert, dass drei nackte Hintern für Aufregung sorgen, während es am Theater Inszenierungen gibt, bei denen 70 Nackte auf der Bühne stehen. Man muss wirklich aufpassen, mit dieser politischen Korrektheit.
Klein: Ich sehe das jetzt auch bei den Büchern meiner Enkelkinder. Märchen werden umgeschrieben, Kinderlieder umgetextet, weil sie nicht politisch korrekt sind und jemanden verletzten können. Wenn der Struwwelpeter wegen Verdachts auf Bodyshaming auf die Schwarze Liste kommt, frag ich mich schon, ob wir noch die richtigen Dinge kanalisieren.
Eingespieltes Duo
Thomas Klein hat die Geschäftsführung 2004 an Gerhard Schilling (zuvor bei Schlumberger) übergeben und sich in den Aufsichtsrat des Familienunternehmens zurückgezogen. Klein: „Ich bin der kreative Teil, vom Sternzeichen Löwe. Wenn ich mit meinen Ideen komme, sagt Gerhard, übrigens eine Waage, oft, dass ich noch eine Nacht drüber schlafen soll.“
Sein und Schein
Thomas Klein (*1963) hat mit seiner Frau drei Kinder und ist mittlerweile zweifacher Großvater. Vor einigen Jahren hat er sich als homosexuell geoutet. Mit seiner Frau ist er nach wie vor eng befreundet, Scheidung gab es keine. Auch sonst setzt Klein auf Offenheit. Er hat unter anderem seinen Kampf gegen seine Depressionen publik gemacht und dazu auch ein Buch geschrieben. Sein Lebensmotto: „Man darf nie aufhören zu reden, weder in der Familie, unter Freunden, noch in der Firma“
Wo soll man sonst anfangen?
Klein: Gleichzeitig wird in den Abendnachrichten nachgestellt, wie ein Vater sein Baby schüttelt und damit schwer misshandelt. Die Szene wird zwar mit Filter gezeigt, aber ist das nicht viel brutaler als ein Märchen der Gebrüder Grimm? Mich hat das so aufgeregt, dass ich mich beim Sender beschwert habe. Ich glaube, dass die Bevölkerung, die aufgrund der demografischen Entwicklung immer älter wird, mit manchen Themen auch überrumpelt wird.
Inwiefern?
Klein: Die aktuelle Diskussion um Winnetou. Oder zum Beispiel soll jetzt überall gegendert werden, ein Sterndl angehängt werden. Und jeder gibt zu allem seinen Senf bzw. seine Befindlichkeit dazu. Und ist sofort beleidigt. So kommen wir als Gesellschaft nicht weiter, oder?
Sind Sie auf Social Media?
Klein: Nein, dafür hätte ich auch gar keine Zeit. Mir sind die Familie, die Firma und die Freunde wichtiger. Ich habe überhaupt erst seit zwei Jahren ein Smartphone. Davor hatte ich ein gelbes Nokia, das ausgesehen hat wie eine Banane und einen superkleines, unpraktisches Display hatte.
Warum hatten Sie so lange kein Smartphone?
Klein: Wahrscheinlich weil jeder gesagt hat, ich brauch eins. Da wollte ich erst recht keines.
Bereuen Sie es, nicht Schauspieler geworden zu sein?
Klein: Nein, warum? Die Wirtschaft ist meine Bühne. Das hab ich gleich bei der ersten Sitzung gemerkt.
Was ist passiert?
Klein: Als Kind hab ich gedacht, in der Wirtschaft sitzen Männer mit Krawatte um den Tisch und reden ganz gepflegt. Dann die erste Sitzung mit unseren Kunden, damals vor allem Heurigenwirte. Es wurde geschrien, geflucht, gedroht. Ein großes Theater eben. So wie jede Verhandlung, jedes Meeting, nahezu das gesamte Wirtschaftsleben.
Wie hat sich das Unternehmen verändert?
Klein: Mein Vater hatte noch ein dunkles, vertäfeltes Chefbüro, vor dem Büro ein Schild, auf dem „Bitte eintreten“ aufgeleuchtet ist, davor die klassische Vorzimmerdame sitzen – hat patriarchalisch gewirkt, aber so war er gar nicht.
Nach dem Suizid seines Vaters hat Thomas Klein 1982 das Zepter im Familienbetrieb übernommen. Ins gemachte Nest konnte sich der damals 19-Jährige nicht sitzen. Die Marke Aldudler war verstaubt, er selbst mit dem Image des Unternehmens unglücklich. Der US-Konzern Coca-Cola dachte damals, es würde ein Leichtes sein, das Unternehmen zu übernehmen. Doch die Familie dachte gar nicht an einen Verkauf, war in den Verhandlungen nur daran interessiert, den Marktwert des Unternehmens abzutasten.
Coca-Cola wurde zum Lizenznehmer der Kräuterlimonade, was für Kleins Vater noch ein absolutes No-Go gewesen wäre. Noch heute wird gern von seinem Wutanfall erzählt, den eine Cola-Dose auslöste, die er in seinem Kühlschrank gefunden hatte. So gesehen hätte er sich sicher gefreut, dass Almdudler 2018 die Zusammenarbeit mit Coca-Cola beendet hat. Heute füllt vor allem Vöslauer Almdudler ab. Die Exportquote des Familienunternehmens (Thomas Klein und seine Schwester Michaela halten die Anteile zu gleichen Teilen) liegt bei 35 Prozent, der Großteil geht nach Deutschland, weitere Märkte sind Ungarn, Tschechien und die Beneluxstaaten. Seit 2018 gehört auch die Marke Spezi zum Unternehmen.
Wie war er dann?
Klein: Als Kinder hatten wir mit ihm unseren Spaß. Ich könnte Anekdoten erzählen ...
Zum Beispiel?
Klein: Ein Essen im Hilton. Sehr fein alles. Nach dem Essen steht er auf, sagt, er muss sofort schlafen gehen und legt sich rücklings auf den Boden. Stellt sich schlafend. Mein Onkel, meine Schwester und ich haben ihn rausgetragen und er so getan, als würde er nichts mitbekommen. Wir fanden das sehr lustig, unser Mutter hat gesagt, sie geht nie mehr mit uns essen ... Es gibt viele solcher Geschichten, die ich erzählen könnte – aber sie wollten wissen wie sich das Unternehmen geändert hat?!
Hat es sich geändert?
Klein: Flache Hierarchien. Wenn am Empfang das Telefon läutet, nimmt bei uns im Unternehmen jeder ab, egal ob Eigentümer oder Geschäftsführer oder wer gerade vorbei kommt. Dass wir uns vor zwanzig Jahren über den Weg gelaufen sind, ist eine Fügung. Damals sind wir als Unternehmen angestanden. Ich kann nur alle Unternehmer ermutigen, in einer solchen Situation einen Externen zu holen. Wer nicht über seinen Schatten springt, muss damit rechnen, dass er nicht weiterkommt.
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