Agrana-Chef: "Man bräuchte mehr Wettbewerb, dann hätte man niedrigere Preise"
Der „Wiener Zucker“, das wahrscheinlich bekannteste Produkt der Agrana, kommt aus Tulln und das soll nach Möglichkeit auch so bleiben.
Agrana-Chef Stephan Büttner wettert zwar massiv gegen die schwierigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – insbesondere die teuren bürokratischen Belastungen. Den Traditionsstandort Tulln (gegründet 1937) will er aber mit aller Kraft erhalten. „Und ich gehe davon aus, dass uns das auch gelingt“, sagte Büttner am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten.
Nach dem Aus für Leopoldsdorf ist Tulln das letzte verbliebene Zuckerwerk in Österreich. Er könne zwar eine Garantie für das Werk abgeben, so Büttner, er habe aber dafür keine Sicherheit anzubieten. Insofern sei die Garantie de facto wertlos. Soll heißen: Wenn die Bauern aufgrund des massiven Preisverfalls keine Zuckerrüben mehr liefern würden, wäre das auch das Ende der Produktion in Tulln.
Überhaupt befindet sich die gesamte Agrana aufgrund der überaus schwierigen Marktbedingungen in den Segmenten Zucker und Stärke in einem schmerzhaften Wandel. Das relativ neue Geschäftsfeld „Food & Beverage Solutions“ – von Fruchtzubereitungen für Joghurts bis hin zu Aromen – laufe hingegen sehr gut.
Schmerzhafte Schritte
Das ändere nichts am Bedarf des auf drei Geschäftsjahre bis 2027/28 angelegten Programms „Next Level“ zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung. „Wir sind mitten in einer Transformation. Es müssen sehr schmerzhafte Entscheidungen getroffen werden“, sagt Büttner.
Das bereits präsentierte Programm beinhaltet den Abbau von 400 bis 500 Beschäftigten von in Summe rund 9.000 – den Großteil in Österreich. Sowie das Ziel, ab 2027/28 jährlich über 100 Millionen Euro einzusparen.
Negativ für Standort
Aber auch insgesamt stehe es um die Lebensmittelindustrie nicht besonders rosig, befindet Büttner, seit dem Sommer auch Obmann der Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Denn die Wirtschaftslage in Österreich mit dem – grob vereinfacht – „geringsten Wachstum und der höchsten Inflation“ sei „ein Drama“ für die zu zwei Dritteln im Export tätige Branche. „Wenn wir weiter an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wirkt sich das natürlich negativ auf den Standort aus“, so Büttner.
Der Agrana-Chef ist naturgemäß kein Freund der Debatte über eine Zuckersteuer, wettert aber ganz generell gegen EU-Bürokratie-Monster vom Lieferkettengesetz bis zur Entwaldungsverordnung. Er sieht dabei die Gefahr einer De-Industrialisierung in Europa.
Irgendwer muss Lebensstandard zahlen
Man müsse sich in Österreich bei Lebensmitteln immer fragen, was ist uns das wert? Denn man könne nicht auf Dauer Löhne, Produktion und letztlich den Wohlstand hochhalten, aber immer das billigste Produkt wollen. „Da muss man dazu sagen, irgendwer muss das zahlen“, sagt Büttner zur Debatte über Preise im Handel, die „Shrinkflation“ oder den Österreich-Aufschlag.
Büttners Rezept lautet ganz einfach: „Man bräuchte mehr Wettbewerb, dann hätte man niedrigere Preise.“
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