Klimadebatte: Emotionen an der Wurzel packen

Wut, Angst, aber auch Hoffnung: Der Klimawandel geht mit vielen Emotionen einher.
CIDAPE: Durch ein Forschungsprojekt der EU soll eine neue Gesprächsebene für die Klimadebatte entstehen.

Tschechische Bauern blockieren mit ihren Traktoren Straßen, um gegen den Green Deal der EU zu protestieren. Aktivist*innen der „Letzten Generation“ üben sich in Österreich und Deutschland im zivilen Ungehorsam, um auf die globale Erderwärmung aufmerksam zu machen. Und in Italien werden Protestierende als „Öko-Vandalen“ tituliert. Der Klimawandel lässt niemanden kalt. Die teils überkochenden Emotionen lassen eine sachliche Debatte aber oft nicht mehr zu.

Innovativer Ansatz

Hier setzt das Horizon-Europe Projekt „CIDAPE – Climate Inequality and Democratic Action: The Force of Political Emotions“ an. Das internationale Forschungsprojekt, das von Anna Durnova, Professorin für Politische Soziologie an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Wien, koordiniert wird, untersucht, wie sich die Gefühlsebene, aber auch Ungleichheit in der Bevölkerung auf die Klimapolitik auswirken. „Der Zusammenhang von Emotionen und Klimadiskurs ist schon viel diskutiert worden“, sagt dazu Anna Durnova. „Unser Anspruch ist – und das ist ein neuer Ansatz –, einerseits Klima und Ungleichheit zusammen zu denken, andererseits beides auf einer viel breiteren holistischen Ebene zu analysieren – mit dem Ziel, neue Citizen-Engagement-Formate entwerfen zu können, wie an das Problem der Klimatransformation demokratischer und depolarisierender herangegangen werden kann.“

Um dieses Ziel zu erreichen, ist CIDAPE als transdisziplinäres Forschungsprojekt angelegt und läuft auf verschiedenen Ebenen ab. „Der erste Schritt ist, die Gefühlslage zu identifizieren“, so die Projektleiterin. „Neben quantitativen Verfahren – etwa der Analyse der EU-Policy-Dokumentation zu Klima und Ungleichheit in allen Staaten sowie der Diskussionen in sozialen Netzwerken – gehen wir in den Alltag der Bürger*innen.“ So begleiten etwa CIDAPE-Mitarbeiter*innen Landwirt*innen bei ihrer Arbeit, um deren Emotionen zu verstehen. „Der Agrarsektor ist vom Klimawandel und Maßnahmen wie dem Green Deal besonders betroffen“, so Durnova. „Durch diese tiefen ethnografischen Verfahren erhoffen wir, Ambivalenzen und Widersprüche zu identifizieren, die wir mit einer Fragebogenmethode nicht feststellen könnten.“ Diese Vorgangsweise wird auch bei anderen Bürger*innen angewandt. Dabei kommt die Ungleichheit ins Spiel. „Die Verteilung von Ressourcen ist in der Gesellschaft nicht ident“, sagt die Sozialwissenschafterin. „Die Klimamaßnahmen treffen daher Bevölkerungsgruppen unterschiedlich und durch diese Feldversuche erhalten wir ein plastischeres Bild.“ Die beiden Datensätze werden dann analysiert und zusammengeführt.

Klimadebatte: Emotionen an der Wurzel packen

Univ.Prof. Anna Durnova, Universität Wien 

Das Wissen vieler

Eine weitere Neuerung bei dem Projekt ist die Zusammensetzung des Teams. „Wir arbeiten nicht nur interdisziplinär, sondern transdisziplinär“, erzählt Anna Durnova. „Bei CIDAPE sind neben elf Universitäten auch NGOs, Filme- und Theatermacher*innen involviert.“ Was auf den ersten Blick skurril wirken mag, hat einen tieferen Sinn. Denn die Presseaussendungen oder anderen Papiere von NGOs lösen Emotionen aus. Bei der Klimadebatte werden Gefühle also durchaus bewusst benutzt. „Nehmen wir als Beispiel die Reden bei Klimademonstrationen: Diese werden geschrieben und dann richtiggehend inszeniert“, betont Durnova. „Dahinter steckt eine ausgeklügelte Dramaturgie, die uns Mitglieder von politischen Theaterbühnen gut erklären können.“ Die beteiligten Filmemacher*innen dokumentieren darüber hinaus das Projekt, um im Anschluss Anschauungsmaterial anbieten zu können. „Vom transdisziplinären Ansatz erhoffe ich mir persönlich viel“, so die Projektleiterin. „Bei dem Thema wurde schon so viel ausprobiert und dennoch ist es nach wie vor spaltend und polarisierend. Wenn wir die Vorgangsweise anders aufziehen, finden wir möglicherweise einen Konsens.“

Sind die Emotionen identifiziert und analysiert, wie diese genutzt werden, steht noch der letzte Schritt im auf drei Jahre angesetzten Projekt auf dem Programm. „Dann geht es darum, wie man das erworbene Wissen nutzen kann, um partizipative Formate für mehr Demokratie und depolarisierende Entscheidungen zu entwickeln“, sagt Anna Durnova. „Eine Veränderung der bisherigen Konversation über die Klimatransformation ist nötig.“

cidape.eu