Fast 200 Kinder gezeugt: Spermaspender gibt seltenes Krebs-Gen weiter
Ein Fall der Europäischen Samenbank sorgt für Aufsehen: Ein Spender gab ein seltenes Krebs-Gen weiter - zehn Kinder erkrankten. (Symbolbild)
Insgesamt seien mindestens 197 mit dem Sperma des Mannes gezeugte Kinder zur Welt gekommen, bevor die Samenbank die gefährliche Genmutation festgestellt habe, berichtete der dänische Fernsehsender DR am Mittwoch.
Den von DR gemeinsam mit 13 weiteren europäischen Rundfunkanstalten angestellten Recherchen zufolge war die in Dänemark ansässige European Sperm Bank (EBS) im April 2020 darüber informiert worden, dass ein per Samenspende gezeugtes Kind an Krebs erkrankt war und bei ihm eine Genmutation festgestellt wurde. Daraufhin sei eine Spermaprobe des unter dem Pseudonym "Kjeld" registrierten Spenders untersucht worden, ohne dass darin die seltene Mutation des Gens TP53 gefunden worden sei. Daher sei "Kjelds" Sperma weiterhin für künstliche Befruchtungen genutzt worden.
An 67 Kliniken in 14 Ländern verkauft
Drei Jahre später wurde die Samenbank dem Bericht zufolge auf einen weiteren Fall eines die Genmutation tragenden und an Krebs erkrankten Kindes hingewiesen. Weitere Analysen mehrerer Spermaproben ergaben dann, dass der Mann selbst gesund ist, aber die Genmutation trägt. Seit Oktober 2023 ist sein Sperma nicht mehr für künstliche Befruchtungen zugelassen.
Dem Bericht zufolge wurde das Sperma des Mannes zwischen 2006 und 2022 an 67 Kliniken in 14 Ländern verkauft. Allein in Dänemark kamen 99 mit seinem Sperma gezeugte Kinder zur Welt.
Nicht alle gezeugten Kinder mit Mutation
Die in dem Fall nachgewiesene Mutation am Gen TP53 sei selten und zuvor noch nie beschrieben worden, erklärte die Samenbank. Zudem sei sie nur in einem "kleinen Teil" der Spermien des Mannes präsent und nicht in seinem übrigen Organismus. Auch trügen nicht alle mit seinem Sperma gezeugten Kinder die Mutation.
Der European Sperm Bank zufolge wurden in den vergangenen 20 Jahren mit ihrer Hilfe mehr als 70.000 Kinder in aller Welt geboren. Zahlreiche europäische Staaten haben Regelungen, die die Höchstzahl an Kindern begrenzen, die mit dem Sperma eines Spenders gezeugt werden dürfen. Länderübergreifende Beschränkungen gibt es jedoch nicht.
Bereits im Mai wurde ein ähnlicher Fall bekannt:
Mai 2025: Seltenes Krebs-Gen entdeckt
Ein Mann, der sein Sperma gespendet hat, gab bei seiner Samenabgabe unter anderem eine seltene krebserregende Mutation weiter. 67 Kinder wurden mit seinem Sperma gezeugt, bei zehn davon wurde Krebs diagnostiziert. Wie Guardian berichtet, kam der Fall ans Licht, als zwei Familien unabhängig voneinander ihre Fruchtbarkeitskliniken kontaktierten, nachdem ihre Kinder an Krebs erkrankt waren, der offenbar mit einer seltenen genetischen Variante zusammenhing. Die Europäische Samenbank, die das Sperma bereitgestellt hatte, bestätigte, dass die Variante des Gens TP53 in einigen Spermien der Spender vorhanden war.
"Wir brauchen eine europaweite Begrenzung der Zahl der Geburten oder Familien pro Spender", sagte Dr. Edwige Kasper, Biologin am Universitätsklinikum Rouen in Frankreich. Die Forscherin hatte den Fall auf der Jahreskonferenz der Europäischen Gesellschaft für Humangenetik in Mailand vorgestellt.
Zum Zeitpunkt der Spende im Jahr 2008 war nicht bekannt, dass die seltene Variante mit Krebs in Verbindung steht.
Das Gen wäre mit dem Standard-Screening-Verfahren nicht nachweisbar gewesen und der Spender galt als gesund.
Analysen in Kaspers Labor ergaben jedoch, dass die Mutation wahrscheinlich das Li-Fraumeni-Syndrom verursacht, eine der schwerwiegendsten erblichen Krebserkrankungen.
"Ich habe die Variante mithilfe von Bevölkerungs- und Patientendatenbanken, computergestützten Vorhersagetools und den Ergebnissen von Funktionsstudien analysiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass die Variante wahrscheinlich krebserregend ist und dass Kinder dieses Spenders eine genetische Beratung erhalten sollten", erklärte Kasper weiter.
Mehr als 67 Kinder gezeugt
Die Europäische Samenbank, erklärte, dass mit dem Sperma des Spenders mehr als 67 Kinder gezeugt wurden. Laut der Organisation gibt es eine weltweite Obergrenze von 75 Familien pro Samenspender. Die genaue Anzahl der Kinder eines bestimmten Spenders wird von der Samenbank aufgrund interner Richtlinien jedoch nicht bestätigt. Ob noch mehr Kinder von dem erhöhten Krebsrisiko betroffen sein könnten, ist unklar. Laut der Samenbank seien alle relevanten Kliniken informiert worden.
Mehrere Genetik- und Kinderkliniken in ganz Europa untersuchten ihre eigenen Fälle:
67 Kinder aus 46 Familien in acht europäischen Ländern wurden getestet.
Die Variante wurde bei 23 Kindern nachgewiesen.
Bei zehn von ihnen wurde Krebs diagnostiziert, darunter Leukämie und das Non-Hodgkin-Lymphom.
Mehr Regulierungen erwartet
"Wir brauchen eine europaweite Begrenzung der Zahl der Geburten oder Familien pro Spender", appellierte Kasper. "Wir können nicht bei allen Samenspendern eine vollständige Genomsequenzierung durchführen – das befürworte ich auch nicht. (...) Aber hier handelt es sich um eine abnormale Verbreitung genetischer Erkrankungen. Nicht jeder Mann in ganz Europa hat 75 Kinder."
Julie Paulli Budtz, Sprecherin der Europäischen Samenbank, erklärte gegenüber Guardian, dass der Spender gründlich getestet wurde. Es sei aber "wissenschaftlich nicht möglich", krankheitsverursachende Mutationen im Genpool einer Person zu erkennen, "wenn man nicht weiß, wonach man sucht.“
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