"Globaler Notfall": Immer mehr junge Menschen leugnen Holocaust

Weiße Rose liegt auf Holocaust-Gedenkstätte in Berlin
Eine neue Antisemitismus-Studie wirft ein erschreckendes Licht auf das Geschichtsbewusstsein und die Einstellung Junger.

Die Ergebnisse der jüngsten "ADL Global 100"-Studie zu antisemitischen Einstellungen sind alarmierend: Hinsichtlich des Holocaust herrschen weltweit Wissenslücken und Leugnung. Vor allem bei jungen Menschen gibt es antisemitische Tendenzen.

Studie mit globaler Reichweite

Die Studie wird jährlich von der Anti-Defamation League in New York durchgeführt und gehört zu den umfassendsten Untersuchungen zu antisemitischen Einstellungen weltweit. Für die aktuelle Umfrage wurden über 58.000 Menschen aus 103 Ländern befragt. Die Ergebnisse sind erschreckend.

Wissenslücken und Leugnung

Die Studie ergab, dass weltweit ein Fünftel der Erwachsenen noch nie vom Holocaust gehört hat. Nur 48 Prozent erkennen das historische Ereignis des Holocaust als solches an. Bei den jungen Menschen zwischen 18 und 34 Jahren liegt dieser Wert sogar bei unter 40 Prozent. Ein knappes Drittel der Jungen stimmte etwa der Aussage zu, Jüdinnen und Juden würden zu viel über die NS-Verbrechen sprechen.

Antisemitische Einstellungen weit verbreitet

Zudem zeigte sich, dass 46 Prozent der Weltbevölkerung antisemitische Einstellungen vertreten – das entspricht rund 2,2 Milliarden Menschen. Besonders besorgniserregend ist, dass bei Jugendlichen im Alter von 18 bis 30 Jahren dieser Anteil auf 50 Prozent angestiegen ist. Laut ADL hat sich die Zahl der Menschen mit entsprechenden Ansichten innerhalb von 10 Jahren mehr als verdoppelt. Noch nie äußerten so viele Menschen antisemitische Auffassungen.

Regionale Unterschiede

Besonders verbreitet sind diese Einstellungen in Regionen wie dem Westjordanland, dem Gazastreifen, Kuwait und Indonesien, wo fast 100 Prozent der Befragten antisemitische Positionen vertraten. Die Länder mit den geringsten antisemitischen Werten sind Schweden, Norwegen und Kanada. Deutschland steht auf dem siebten Platz der Länder mit dem wenigsten Antisemitismus. Österreich folgt erst danach.

  • Gazastreifen – 97 Prozent
  • Jemen – 88 Prozent
  • Libyen – 87 Prozent
  • Tunesien – 86 Prozent
  • Algerien – 87 Prozent
  • Marokko – 88 Prozent
  • Kuwait – 82 Prozent
  • Jordanien – 81 Prozent
  • Vereinigte Arabische Emirate – 80 Prozent
  • Ägypten – 75 Prozent

Wie antisemitisch ist Österreich?

Österreich liegt im Ranking der "ADL Global 100"-Studie im Mittelfeld und gehört mit Platz 13 nicht mehr zu den Ländern mit den geringsten Werten. Etwa ein Viertel (26 Prozent) der österreichischen Bevölkerung hegt antisemitische Einstellungen. Bereits eine Snapshot-Studie vom Sommer 2024 ergab, dass sich Antisemitismus in Hinblick auf österreichische Jugendliche "lauter" äußert und die Verschwörungsmythen intensiver werden.

"Globaler Notfall"

ADL-Geschäftsführer Jonathan Greenblatt sprach im Zuge der Studien-Veröffentlichung eine deutliche Warnung aus: "Antisemitismus ist nichts weniger als ein globaler Notfall", betonte er. "Es ist klar, dass wir neue staatliche Interventionen, mehr Bildung, zusätzliche Schutzmaßnahmen in den sozialen Medien und neue Sicherheitsprotokolle brauchen, um antisemitische Hassverbrechen zu verhindern", so Greenblatt weiter.

Appell an Bildung und Gesellschaft

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, betonte in einem Interview mit der Welt, dass offener Antisemitismus in Westeuropa ein aufkommendes Alltagsphänomen sei. Es liege in der Verantwortung von Bildungsinstitutionen, Politik und Gesellschaft, diesem Trend entgegenzuwirken. 

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